580/J XXII. GP

Eingelangt am 02.07.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

Anfrage der Abgeordneten Mag. Maier Johann, Manfred Lackner

und Genossinnen

an den Bundesministerin für Gesundheit und Frauen

betreffend "Revision der pharmazeutischen Gesetzgebung (Arzneimittel) insbesondere

in Bezug auf Öffentlichkeitswerbung (2001/83/EG)".

Die Europäische Union verbietet derzeit - ebenso wie andere Länder ausser USA und
Neuseeland - die Laienwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Dieses Verbot der
Laienwerbung ist Teil des Schutzes der öffentlichen Gesundheit. Davon will die EU-
Kommission nun abgehen:

Die Europäische Kommission arbeitet nämlich bereits mit Hochdruck daran, die Vorschläge
der G10-Gruppe in die Revision der pharmazeutischen Gesetzgebung einzuarbeiten - unter
anderem sollen auch die Artikel 86 und 88 der EU-Richtlinie 2001/83/EG geändert werden:

Artikel 86 der Richtlinie definiert die Massnahmen, die als Werbung zu verstehen sind.
Artikel 88 (1) untersagt die öffentliche Werbung verschreibungspflichtiger Arzneimittel.
Artikel 88 (2) untersagt grundsätzlich Werbung zu bestimmten schweren Krankheiten, wie
Diabetes, Tuberkulose und Krebs.

Die zitierten Artikel sollen dahingehend geändert werden, dass diese Öffentlichkeitswerbung
- die auf Laien abzielt - für bestimmte verschreibungspflichtige Arzneien wie beispielsweise
zur Behandlung von AIDS, Diabetes, Asthma und anderen chronischen
Atemwegserkrankungen erlaubt werden.

Diese Änderungen wären ein Türöffner für generelle Arzneimittelwerbung in Europa, die
direkt auf KonsumentInnen zielt. Das wäre eine neue Qualität der Manipulation von
KonsumentInnen mit gravierenden Auswirkungen für die Gesundheit der Menschen. Aber
nicht nur dies, auch die Kosten würden explodieren.


Am Beispiel der USA kann man die Konsequenzen für Europa bzw. Österreich ermessen:

1.) Kosteneplosion für das Gesundheitswesen:

"Aggressives, auf den Patienten gerichtetes Direktmarketing pharmazeutischer Firmen,
und hohe Preise für neue Arzneimittel machen derzeit verschreibungspflichtige
Arzneimittel zu einem der wichtigsten Kostenfaktoren im Gesundheitswesen. ", Ujjal
Dosanjh (kanadischer Premier) zur Situation in Kanada, wo man in besonderem Masse
der grenzüberschreitenden Verbraucherwerbung ausgesetzt ist.

Die Pharma-Industrie in den USA investierte im Jahre 2000 2,5 Milliarden US$ in
Laienwerbung. 95% dieser Ausgaben wurden für die Bewerbung von 50
verschreibungspflichtigen Medikamenten verwendet. Diese beworbenen 50 Medikamente
wurden für einen Endverkaufspreis von 41,4 Milliarden US$ abgesetzt.

Die Steigerung der Ausgaben für verschreibungspflichtige Arzneimittel von 1999 bis
2000 betrug in den USA insgesamt 20,8 Milliarden US$ - davon wurden 9,94 Milliarden
US$ von den Sozialversicherungsträgern für die beworbenen Produkte bezahlt.

Somit verursachten die beworbenen Medikamente 47,8% der Mehrkosten!

Wird das Werbeverbot aufgehoben, ist auch in Österreich eine Kostenexplosion für die
Sozialversicherungsträger zu befürchten! Um diese Mehrkosten kompensieren zu können,
müssten eventuell auch die Beiträge der einzelnen Versicherten gehoben werden - Eine
weitere Verteuerung des Gesundheitssytemes steht damit ins Haus, die letztendlich nur
den Pharmakonzernen zu Gute kommt.

2.) Informationsgehalt von Werbungen:

Dieser ist als niedrig einzustufen und teilweise sogar als irreführend - häufig wird durch
die audio-visuelle Aufmachung eines Werbespots suggeriert, die Wirksamkeit des
beworbenen Präparates sei höher, als dies anhand fundierter Belege aufgezeigt wurde.

Kalifornische Forscher untersuchten den Aufklärungsgehalt von Werbeeinschaltungen


über einen Zeitraum von 10 Jahren. Einige der Ergebnisse waren:

91% trafen keine Aussage über die Wahrscheinlichkeit eines Behandlungserfolges
73% erwähnten keinerlei Ursachen oder Risikofaktoren für die Krankheit
64% erklärten die Wirkungsweise des Medikamentes nicht.

Eine weitere Studie zeigte auf, wie "missverständlich" eine Werbung sein kann:

Einer Gruppe von Personen, die nach dem Zufallsprinzip zusammengestellt wurde, wurde
ein Werbespot für ein Asthmamittel vorgeführt. Nach der Darbietung dieses Werbefilms
war ein Viertel der Seher fälschlicherweise davon überzeugt, sie könnten bei einem
Asthma-Anfall eine Tablette anstelle des Inhalators verwenden!

Laienwerbung informiert nicht und liefert nicht die benötigten Informationen, die
VerbraucherInnen für eine rationale Entscheidung brauchen.

3.) Gefährdung der Gesundheit:

Dass es durch Werbung auch zu Gefährdungen der Gesundheit kommen kann, sei anhand
des Beispiels Rezulin(c) (Troglitazon) dargestellt:

Rezulin(c) ist ein Mittel gegen Diabetes, das 1997 in Grossbritanien wegen schweren
Leberschädigungen verboten wurde. In den USA wurde noch mehr als 2 Jahre nach dem
britischen Verbot Werbung für dieses Medikament gemacht, bevor es 2000 vom Markt
genommen wurde - in diesen Anzeigen wurde die Rücknahme vom britischen Markt mit
keinem Wort erwähnt.

Bis zu diesem Zeitpunkt war Rezulin(c) mit 400 Todesfällen in Zusammenhang gebracht
worden.

Das Europäische Parlament hatte im Oktober 2002 den Vorschlag der EU-Kommission mit
großer Mehrheit abgelehnt - dennoch plant nach Medienberichten die Kommission den
ursprünglichen Vorschlag mit wenigen Abänderungen zur Entscheidung vorzulegen. Der
geänderte Vorschlag für eine Richtlinie des EP und des Rates zur Änderung der RL


2001/83/EG trägt in den meisten wesentlichen Punkten den Forderungen des EP keinesfalls
Rechnung. Dies wird an einigen Punkten besonders deutlich:

    Die Kommission akzeptiert die Änderung 100 nicht, derzufolge die Werbung mit allen
Informationen, die mit einer Genehmigung für das Inverkehrbringen einhergehen oder
sich darauf beziehen, im Einklang stehen muss. Die Werbung ist allein anhand der
Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels zu prüfen, die der von der zuständigen
Behörde gebilligten wissenschaftlichen Beurteilung entspricht.

    Die Kommission akzeptiert die Änderungen 101, 102, 173, 182 und 198 nicht, durch die
der Vorschlag der Kommission betreffend die Information der Patienten über
verschreibungspflichtige Arzneimittel gegen bestimmte Erkrankungen, die unter
bestimmten Auflagen und Kontrollen versuchsweise für eine Zeit von drei Jahren
gestattet, gestrichen oder geändert werden soll. Nach Ansicht der Kommission muss ihr
Vorschlag beibehalten werden, um eine gewisse berechtigte Information der Patienten
sicherzustellen, die allerdings in einem ersten Versuchslauf nur auf bestimmte
Erkrankungen begrenzt werden soll. Aus den gleichen Gründen akzeptiert die
Kommission die Änderung 113 nicht, durch die ein neues Kapitel über die Information
eingefügt werden soll und vergleichende Informationen über alle genehmigten
Arzenimittel, über Erkrakungen oder Therapien ermöglicht würden.

    Die Kommission akzeptiert die Änderung 105 nicht, durch die jene Informationen

inhaltlich neu gefasst werden sollen, auf die die Patienten bei der Werbung für bestimmte
Arzneimittel ausdrücklich hingewiesen werden müssen. Diese Bestimmung ist im
Rahmen der Werbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht angemessen.

Unter der derzeitigen Gesetzgebung können Mitgliedsstaaten der EU auf deren
Hoheitsgebiet erstattungsfähige Arzneimittel mit einem Werbeverbot belegen [Richtlinie
2001/83/EG Art. 88(3)].

Der Deutsche Bundestag hatte schon im Juli 2002 beschlossen, der Absicht entgegenzutreten,
das Werbeverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel beim Verbraucher zu lockern.
Diesbezügliche Erklärungen der österreichischen Bundesregierung fehlen, obwohl es Ziel sein
müßte die Arzneimittelkosten einzudämmen.


Am 2./3. Juni fand dazu ein EU-Ministerrat statt.

Aufgrund der geschilderten Situation stellen die unterzeichneten Abgeordneten an die
Bundesministerin für Gesundheit und Frauen folgende

Anfrage:

1.      Welche konkreten Änderungsvorschläge der Kommission zur Änderung der Richtlinie
2001/83/EG liegen vor?

2.      Welche Haltung nimmt dazu das EP ein?

3.      Welche Haltung vertritt dazu Österreich bzw. Ihr Ressort zur Änderung dieser
Richtlinie?

4.      Welche konkreten Änderungen sind von der EU-Kommission in Hinblick auf
traditionelle pflanzliche Arzneimittel geplant? Welche vom EP?

5.        Wie lautet das politische Ergebnis des EU-Ministerrates von 2./3. Juni 2003?

6.        Wie ist auf EU-Ebene nun der momentane Stand des Entscheidungsprozesses?

7.        Wie viele verschreibungspflichtige Arzneimittel gibt es derzeit in Österreich?

8.      Welche Behörde oder Organisation entscheidet über die Erstattungsfähigkeit von
Arzneimittel in Österreich? Welche Kriterien werden dabei angewandt?

9.      Wie hoch beliefen sich die Ausgaben der Sozialversicherungsträger für

verschreibungspflichtige Arzneimittel in den Jahren 1999, 2000, 2001 und 2002
(Ersuche um Aufschlüsselung nach Jahren und Krankenkassen)?


10.    Um welche Art Arzneimittel handelt es sich bei den 100 meist verschriebenen

Arzneimitteln, wie z. B. Schmerz-, Asthma- oder sonstige Medikamente (Aufzählung
und Aufschlüsselung auf die Jahre 1999, 2000,2001 und 2002)?

11.    Für welche Arzneimittel soll nach Vorstellungen der EU-Kommission bzw. Der G10-
Gruppe die Arzneimittelwerbung erleichtert bzw. liberalisiert werden (Aufzählung der
Arzneimittel)?

12.    Welche dieser Arzneimittel werden auch in Österreich abgegeben (Aufzählung der
Arzneimittel)?

13.    Wie hoch beliefen sich die Ausgaben der Krankenkassen für diese Arzneimittel in den
Jahren 1999, 2000, 2001 und 2002?

14.    Werden Sie weiterhin auf EU-Ebene für ein striktes Werbeverbot für rezeptpflichtige
Arzneimittel eintreten?
Wenn nein, warum nicht?