606/J XXII. GP

Eingelangt am 08.07.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

der Abgeordneten Öllinger, Glawischnig, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Privatisierung des Österreichischen Bundesverlages (ÖBV)

Nach den bisher in den Medien kolportierten Darstellungen hat die Privatisierung des
ÖBV 24 Mio € erbracht und die Beratung zur Vorbereitung der Privatisierung durch
KPMG 140.000 € gekostet.

Die Arbeit des Rechnungshofes, Ihre Anfragebeantwortung und die Beratungen im
Hauptausschuss des Nationalrates haben allerdings ergeben, dass

1). das Beratungsunternehmen KPMG nicht 140.000 €, sondern rund 780.000 € an
Beratungshonorar und damit weit mehr als das übliche Honorar erhalten hat;

2). der Kaufpreis weit weniger als 24 Mio € betragen hat, indem einerseits dem
Käufer ein Treuhandhonorar von 1 Mio € zugebilligt und andererseits der Kaufpreis
gestundet wurde - der faktische Kaufpreis dürfte damit bei rund 20 Mio € liegen;

3). die kolportierte Sicherung österreichischer Interessen bezüglich des
Kulturauftrages offensichtlich kaum abgesichert ist.

Im Zusammenhang mit der Privatisierung des ÖBV und dem Auftrag Ihres Ressorts
an das Beratungsunternehmen KPMG Corporate Finance GmbH zur Vorbereitung
dieser Veräußerung stellen daher die unterfertigten Abgeordneten folgende

ANFRAGE:

1.  Bei der vom Ministerrat im Mai 2001 beschlossenen Privatisierung des ÖBV
wurde laut APA vom 29.5.01 festgelegt, dass der Bund unter Beachtung der
von der Kommission der EU verlautbarten Rahmenbedingungen über die
Privatisierung öffentlicher Unternehmen vorgehen wird. Wie lauten diese
Rahmenbedingungen der EU - Kommission und wie lautet der Beschluss des
Ministerrats?

2.  Der „Standard" berichtete am 8.2. 2002, dass das Beratungsunternehmen
KPMG den Zuschlag als Berater bei der Privatisierung des ÖBV erhalten hat
und sich 5 Investmentbanken um den Auftrag, der rund 140.000 € ausmacht,
beworben haben.

a) Welches Verfahren wurde bei der Vergabe des Auftrags angewandt?

b) Wie lautete das Anbot bzw. der Auftrag des Finanzministeriums?

c) Welche Bewerberinnen haben sich zu welchen Konditionen an dem
Verfahren beteiligt?


d) War  das  Anbot  des   BMF   mit  einer  konkreten   Preisvorstellung
verbunden? Wenn ja, wie hoch war der Preis?

e) Warum und zu welchen konkreten Konditionen hat KPMG den Auftrag
erhalten?

3. Nach einem Bericht des „Wirtschaftsblatt" vom 19.9.02 gingen Sie bzw. der
Bund von Preisvorstellungen von rund 50 Mio. € als Verkaufserlös für den
ÖBV aus.

a) Welche    Einschätzungen   lagen   diesen   von    Ihrem    Ministerium
kolportierten Erwartungen zugrunde?

b) Wurde von KPMG eine Bewertung des ÖBV vorgenommen? Wenn ja,
wie lautete diese? Wenn nein, warum nicht?

4.  Nach einem Bericht des „Format" bot der Klett-Verlag 18.5 Mio. € und lag
damit laut APA vom 10.10.02 „weit unter den ursprünglich geäußerten
Preisvorstellungen des Finanzministers von rund 50 Mio.€“.
Tatsächlich erhielt der Klett-Verlag im Dezember 2002 den Zuschlag mit
einem Kaufpreis von 24 Mio. €, wobei ein Teilbetrag von 20,3 Mio € am
31.1.2006 und Teilbeträge von 3,7 Mio € bis 30.11. 2004 fällig werden. Im
Rahmen einer Treuhandvereinbarung zwischen der Republik Österreich als
Treugeber und der Klett-Gruppe als Treuhänder wurde zudem vereinbart,
dass der Treuhänder, also die Klett-Gruppe ein Entgelt von 1 Mio € erhält, das
am 31. Jänner 2006 fällig wird.

Der tatsächliche Kauf- und Abtretungspreis für sämtliche Geschäftsanteile des
Bundes am ÖBV verringert sich so einerseits durch den Treuhandvertrag um 1
Mio € auf 23 Mio € und weiters durch die gestundeten Teilzahlungen bis
30.11. 2004 bzw. 31.1.2006 beträchtlich.

a) Welcher tatsächliche Kaufpreis wurde vom BMF unter der Annahme
einer Bezahlung bei der Anteilsübertragung im April 2003 errechnet?

b) Welche konkreten Teilbetragszahlungen in welchen Etappen wurden
mit dem Käufer vereinbart?

c) Wie lautet der Inhalt der Treuhandvereinbarung?

5.  Im Unterschied zu dem in der Öffentlichkeit kolportierten Honorar von rund
140.000 € hat die KPMG ein Honorar von 788.866 € für die Veräußerung des
ÖBV erhalten. Der Rechnungshof beziffert - noch unter der Annahme eines
Kaufpreises von 24 Mio € - das Beratungshonorar mit 3,28 % des
Transaktionsvolumens. Dieses Honorar erhöht sich prozentuell noch deutlich
unter Einbeziehung des gestundeten Kaufpreises bzw. der
Treuhandvereinbarung.

Auf die Anfrage Kräuter/ Bures 359/J vom 30.4.2003 antworten Sie, dass
sich die „Beratungskosten am Transaktionswert der erbrachten Leistung"
orientieren: „Diese bewegen sich auch international in einer Bandbreite
zwischen 1 % und 1,5 % des Transaktionsvolumens."

a) Wie erklären Sie die Differenz zwischen den kolportierten 140.000 €
und den tatsächlich ausbezahlten 788.866 € für KPMG?

b) Wie rechtfertigen Sie die Differenz zu den von Ihnen selbst genannten
1 -1,5 % Beratungskosten, gemessen am Transaktionswert?

 


6. Den Interessen der Republik, die in der Treuhandvereinbarung
festgeschrieben wurden und offensichtlich den bestehenden Schulbuch- und
Kulturauftrag bis Ende 2007 beinhalten, soll nach Ihrer Darstellung
gegenüber dem Hauptausschuss auch danach „möglichst entsprochen"
werden, „sofern und soweit dem nicht zwingende wirtschaftliche Gründe
entgegenstehen.

Für den Kulturstaatssekretär Morak war „von Anfang an klar", dass es bei der
geplanten Veräußerung darum gehen müsse, einen (oder mehrere)
Eigentümer zu finden, der nach dem Prinzip der Mischkalkulation arbeitet
(„Standard", 31.7.02).

a) Wurde mit dem Käufer, der Klett-Gruppe, eine verbindliche
Vereinbarung betreffend eine Mischkalkulation zwischen
Schulbuchverlag und Publikumsverlagen getroffen?

b) Welche verbindlichen Vereinbarungen beinhaltet die Zusicherung des
Käufers, den bestehenden Schulbuch- und Kulturauftrag bis Ende 2007
zu erfüllen?

c) Welche Mindestzahl österreichischer Titel soll durch die
Publikumsverlage Residenz, Deuticke und Christian Brandstätter bis
Ende 2007 vereinbarungsgemäß publiziert werden?

d) Wurde auch über 2007 hinaus eine Vereinbarung über die Mindestzahl
österreichischer Titel getroffen? Wenn ja, welche?

e) Was wurde unter der „Beibehaltung einer verlagsspezifischen
Mindestinfrastruktur" in Österreich vereinbart und auf welchen Zeitraum
bezieht sich diese Vereinbarung ?

f)   Welche Vereinbarung wurde in bezug auf den „geeigneten Zugang zum
deutschen Sprachraum" getroffen und für welchen Zeitraum ist sie
gültig ?

g)   Inwieweit war die Republik Österreich bzw. das Beratungsunternehmen

KPMG auch in die Aufstockung der Eigentumsanteile der Farn. Glöckler

am Schulbuch-Verlag öbv-hpt eingebunden?
h) Welche        Vereinbarungen        enthalten        Kaufvertrag        bzw.

Treuhandvereinbarung    bezüglich   der   Buchhandlungen    und   der

Verlagsauslieferung des ÖBV?
i)   Ist ein Verkauf von Publikumsverlagen oder anderen Verlagsteilen des

ÖBV innerhalb der Treuhandperiode möglich? Wenn ja, mit welchen

Auflagen?
j)   Können „zwingende wirtschaftliche Gründe" auch schon vor Ende 2007

zur Nichteinhaltung des bestehenden Schulbuch- und Kulturauftrages

führen und wie werden diese Gründe definiert?