638/J XXII. GP

Eingelangt am 09.07.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

der Abgeordneten Mag. Posch

und GenossInnen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend fragwürdige Vorgangsweisen des BMI im Begutachtungsverfahren am Beispiel

von Amnesty International

Ein sinnvoll gestaltetes Begutachtungsverfahren ist eine wichtige Voraussetzung für einen an
sachlichen Kriterien orientierten Gesetzwerdungsprozess.

Seit Beginn der schwarz/blauen Bundesregierung im Jahr 2000 wurden das
Begutachtungsverfahren im Gesetzwerdungsprozess zurückgedrängt: wesentliche Materien
wurden ohne vorherige Begutachtung im Nationalrat behandelt, Begutachtungsfristen wurden
zum Teil so drastisch gekürzt, dass eine seriöse Beantwortung nicht oder nur unter größten
Schwierigkeiten möglich war, etc.

Eine weitere Möglichkeit zur Einschränkung des offenbar „lästigen"
Begutachtungsverfahrens besteht anscheinend auch darin, gewisse Stellen, von denen man
ohnehin nur kritische Stellungnahmen erwartet, gar nicht mehr aktiv ins
Begutachtungsverfahren einzubeziehen.

Ein Beispiel:

Früher wurde Amnesty International traditionell bei einschlägigen Gesetzesentwürfen des
Innenministeriums zu einer Stellungnahme eingeladen. Amnesty International genießt seit
Jahrzehnten für den unermüdlichen Einsatz für die Menschenrechte - oft unter schwierigsten
Bedingungen - in höchstem Maße nationales und internationales Ansehen.

Nichts desto trotz hat sich das Innenministerium Amnesty International beim jüngsten
Entwurf für die Asylgesetz-Novelle 2003 nicht aktiv in die Begutachtung einbezogen, wobei
anzumerken ist, dass das Asylgesetz eine Materie ist, die für Amnesty International eine hohe
Bedeutung hat und bei der diese Organisation ohne jeden Zweifel auch eine hohe Expertise
aufzuweisen hat.

Für die unterzeichneten Abgeordneten scheint es auch bemerkenswert, dass auf der
betreffenden Begutachtungsliste zum Asylgesetz zwar die Autofahrerorganisationen ÖAMTC
und ARBÖ (wogegen nichts spricht) zu finden sind, Amnesty International aber nicht.


Nun weiß man, dass im Zeitalter der elektronischen Vernetzung natürlich jeder Staatsbürger
und jede Organisation das Recht und die Möglichkeit hat, bei Gesetzesentwürfen dem
zuständigen Bundesministerium eine Stellungnahme zukommen zu lassen.

Es ist aber erstaunlich, dass im vorliegenden Fall das Innenministerium offenbar kein
Interesse an einer Stellungnahme von Amnesty International an den Tag gelegt hat.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Inneres
nachstehende

Anfrage:

1.      Welche Bedeutung messen Sie dem Begutachtungsverfahren im
Gesetzwerdungsprozess zu?

2.      Nach welchen Kriterien werden Organisationen vom Bundesministerium für Inneres
im Begutachtungsverfahren zu Stellungnahmen eingeladen?

3.      Gibt es bei der Liste der begutachteten Stellen Kontinuität oder wird diese - wenn ja,
nach welchen Kriterien  -verändert?

4.      Nach welchen Kriterien wurde bei der Asylgesetz-Novelle 2003 die Liste der in den
Begutachtungsprozess eingebundenen Stellen verfasst?

5.      Warum wurde Amnesty International von Ihrem Ressort nicht aktiv zu einer
Stellungnahme bei der Asylgesetz-Novelle 2003 eingeladen?

6.      Erachten Sie es als Ausdruck besonderer politischer Kultur, dass Organisationen, von
denen man eine kritische Stellungnahme erwarten darf, erst gar nicht aktiv in den
Begutachtungsprozess eingebunden werden?