675/J XXII. GP
Eingelangt am 10.07.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
der
Abgeordneten Glawischnig, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft & Kultur
betreffend Vergabeskandal Institut für medizinische Genomforschung
Am Standort Wien soll auf Initiative des
BMBWK ein „Institut für medizinische
Genomforschung (IMG)" errichtet und betrieben werden. Laut Ausschreibung
vom
23.12.2002 soll „das IMG auf dem Gebiet der medizinisch orientierten
Genomforschung eine Schlüsselstellung hinsichtlich der notwendigen,
arbeitsteilig
und interdisziplinär organisierten, nationalen und internationalen
Forschungskooperationen einnehmen und damit eine bisher in der österreichischen
Forschungslandschaft bestehende Lücke schließen." Das BMBWK folgte mit
der am
23.12.2002 erfolgten Ausschreibung über die „Planung der Errichtung und des
Betriebes" des IMG" einer Empfehlung des Rates für Forschung und
Technologieentwicklung (RFTE) vom 14. und 15. Februar 2002. Der Auftrag sollte
sich über den Zeitrahmen 1.3.2003 bis
31.12.2003 erstrecken.
Im Zuge des gegenständlichen Ausschreibungs-
und Vergabeverfahrens kam es zu
einer Reihe höchst aufklärungswürdiger Vorgänge, die sich zusammenfassend nur
als Vergabeskandal ersten Ranges bezeichnen lassen.
Obwohl sich das Projekt über die Planung
des IMG über einen Zeithorizont von mehr
als zwei Jahren erstreckt (Empfehlung des RFTE im Februar 2002 bis Abschluss
des
Planungsauftrages per 31.12.2003 und anschließende Realisierung des Projekts)
wurde die Ausschreibung just zu den Weihnachtsfeiertagen 2002 vorgenommen, die
Vergabebekanntmachung erfolgte am
23.12.2002. Trotz ausreichendem Zeithorizont
wurde die Ausschreibung (nach dem Bestbieterprinzip) im „beschleunigten
Verfahren" vorgenommen. Dieser Weg ist vergaberechtlich nur in
außergewöhnlich
dringenden Fällen, in denen es um wenige Tage oder Wochen geht (Beispiel
Wiederaufbau nach Hochwasserkatastrophen etc.) zulässig. Nicht zulässig ist das
„beschleunigte Verfahren" jedoch bei Projekten mit einem Zeithorizont von
mehreren
Jahren.
In weiterer Folge wurden durch das BMBWK
zwei Bieter zur Legung eines Anbots
eingeladen. Einer der zwei Bieter mit dem Namen Institut für medizinische
Genomforschung Planungsgesellschaft m. b. H. („IMG GmbH") wurde
nachweislich
aber bereits fast zwei Monate vor der Ausschreibung gegründet, wobei
sich der
spätere Wortlaut der Ausschreibung im Firmenwortlaut wiederfindet. Die IMG GmbH
wurde also offensichtlich bereits lange vor der Ausschreibung durch das BMBWK
informiert.
Weiters stellte sich heraus, dass das
BMBWK - ohne Durchführung eines
Vergabeverfahrens - bei Personen der IMG GmbH bereits am 15. November 2002
eine „Vorstudie" in Auftrag gegeben
hatte, deren Laufzeit gerade vom November
2002 bis zum Februar 2003 betrug. Inhalt dieser Vorstudie war die Formulierung
der
allgemeinen Rahmenbedingungen für die Gründung des Instituts für medizinische
Genomforschung. Fazit: Das BMBWK hatte den Personenkreis der IMG GmbH
damit beauftragt, genau das zu Erarbeiten, was Grundlage der späteren
Ausschreibung war. Wirtschaftlich wurde damit dem späteren Bieter IMG GmbH
dessen Gründung, Formierung und Anbotslegung finanziert. Die Vorstudie wurde
genau im Februar 2003, also in jenem Zeitraum, in dem die Anbote abzugeben
waren, fertig. Trotzdem wurde die Vorstudie den Ausschreibungsunterlagen
niemals
beigefügt.
Obwohl das Bundesvergabegesetz (BverG)
einen Bieter von der Teilnahme am
Vergabeverfahren ausschließt, wenn er an den Vorarbeiten beteiligt war und ein
faires Verfahren gefährdet ist, wurde die IMG GmbH vom BMBWK zugelassen.
Im Vergabeverfahren hat das BMBWK am 7.
März 2003 die Zuschlagsentscheidung
zu Gunsten der IMG GmbH getroffen. Aufgrund des weder von der formalen
Vorgangsweise her noch aus Bewertungssicht der wesentlichen Zuschlagskriterien
nachvollziehbaren Entscheidung des BMBWK für die IMG GmbH sowie aufgrund der
Einräumung eines Wettbewerbsvorteils gegenüber der IMG GmbH hat der zweite am
Vergabeverfahren beteiligte Bieter die Zuschlagserteilung beim Bundesvergabeamt
(BVA) beeinsprucht.
Das BVA ist dem Einspruch nach Prüfung
gefolgt und hat das Zuschlagsverfahren
mittels einstweiliger Verfügung gestoppt und in einem weiteren Bescheid die
Zuschlagsentscheidung durch das BMBWK für nichtig erklärt (GZ: 02N-19/03-31).
Das BVA hat verschiedene Gebote des Vergaberechts als verletzt erachtet, die
Bewertung durch das BMBWK als unschlüssig bezeichnet, festgehalten, dass das
BMBWK im Widerspruch zu den Grundsätzen des Vergabeverfahrens gehandelt hat,
die Bewertung rechtswidrig vorgenommen wurde, die Entscheidung des BMBWK
rechtswidrig sei, die IMG GmbH gegenüber dem zweiten Bieter einen
vergaberechtswidrigen Wettbewerbsvorsprung
hatte u.v.m.
Trotz der klaren Entscheidung des
Bundesvergabesamtes hat das BMBWK die
rechtskräftig für nichtig erklärte Zuschlagsentscheidung Ende Juni wiederholt
und
den Zuschlag neuerlich an die IMG GmbH erteilt.
Diese Vorgangsweise durch das BMBWK
erscheint mehr als abenteuerlich.
Offensichtlich soll unter Ignoranz und Umgehung der vergabegesetzlichen
Rahmenbedingungen in nur als skandalös zu bezeichnender Art und Weise die
Vergabe des Planungsauftrags für das Institut für medizinische Genomforschung
an
die Bietergruppe IMG GmbH durchgezogen werden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Welche Kenntnis hatten Sie vom gegenständlichen Vergabeverfahren?
2. Wann wurden Sie von wem über
welche Umstände und Inhalte des
gegenständlichen Vergabeverfahrens informiert?
3. Ist es zutreffend, dass die IMG GmbH vom bevorstehenden
Vergabeverfahren
bereits fast zwei Monate vor der Ausschreibung informiert war?
4. Wie beurteilen Sie die
Tatsache, dass die IMG GmbH bereits am 8.11.2002
beim Handelsgericht Wien einen Antrag auf Neueintragung einer Firma im
Firmenbuch mit dem Wortlaut „IMG Institut für medizinische Genomforschung
Planungsgesellschaft m. b. H." gestellt hat und dieser Wortlaut im
wesentlichen wortident mit der von Ihrem Haus per Vergabebekanntmachung
vom 23.12. veröffentlichten Bezeichnung „Planung der Errichtung und des
Betriebes des Instituts für Medizinische Genomforschung (IMG)" ist?
5. Ist es zutreffend, dass die
Personen der IMG GmbH zwischen November
2002 und Februar 2003 - ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens - im
Auftrag des BMBWK eine Vorstudie mit dem Titel „Formulierung der
Allgemeinen Rahmenbedingungen (Grobplanung) für die Gründung des
„Institutes für medizinische Genomforschung" (IMG)" erstellt haben?
6. Ist es richtig, dass das
Ergebnis dieser Vorstudie als Grundlage für die
Ausschreibung des nachfolgenden Planungsauftrages betreffend IMG
anzusehen ist?
7. Ist es zutreffend, dass das
BMBWK mit dieser Vorgansweise letztlich das
Anbot eines Bieters, nämlich der IMG GmbH wirtschaftlich finanziert hat?
8. Ist es weiters zutreffend,
dass die genannte Vorstudie niemals Teil der
Ausschreibungsunterlagen für das gegenständliche Vergabeverfahren war?
9. Wie beurteilen Sie die
Tatsache, dass die Bietergruppe IMG GmbH über die
Erstellung der Vorstudie de facto an der Erstellung der
Ausschreibungsunterlagen beteiligt war, seitens des BMBWK trotzdem für das
Vergabeverfahren zugelassen wurde und den Mitbietern die Ergebnisse der
Vorstudie seitens des BMBWK vorenthalten wurde?
10. Halten Sie diese
Vorgangsweise für vergaberechtlich problematisch? Wenn
Nein, warum nicht? Falls ja, was
haben Sie diesbezüglich unternommen?
11. Ist es zutreffend, dass der
Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren
nach dem Bestbieterprinzip
erfolgte und dass eines der Kriterien „inhaltliche
Qualität des Angebotes"
lautete und das Kriterium Qualität sich dabei auch
auf die Strukturierung der Anbote
bezieht? Falls ja, wie beurteilen Sie die
Tatsache, dass die Bietergruppe
IMG GmbH durch die Durchführung der
Vorstudie ein strukturell
maßgeschneidertes Anbot legen konnte?
12. Wieso wurde die
Vergabebekanntmachung seitens des BMBWK just am
23.12.2002 getätigt, wo
doch der Zeitraum des Planungsauftrages von
Empfehlung des RFTE im
Februar 2002 bis Abschluss der Arbeiten im
Dezember 2003 fast zwei
Jahre beträgt?
13. Wieso wurde seitens des
BMBWK die Ausschreibung im „beschleunigten
Verfahren"
durchgeführt? Wie begründen Sie die dabei vergaberechtlich
gebotene außergewöhnliche
Dringlichkeit?
14. Ist es zutreffend, dass als
eines der Zuschlagskriterien nach
Bestbieterprinzip die „Raschheit der Leistungserbringung"
vorgeschrieben
war?
15. Ist es zutreffend, dass die
IMG GmbH bei ihrer Anbotslegung im Februar
2003 einen Zeitrahmen von acht
Monaten für die Durchführung des Auftrages
angeboten hat? Ist es zutreffend,
dass die zweite mitbietende Gruppe sieben
Monate angeboten hat und damit
hinsichtlich des Kriteriums „Raschheit der
Leistungserbringung"
Bestbieter war? Ist es weiters zutreffend, dass Seitens
des BMBWK ohne Rücksprache mit
dem zweiten Bieter dessen Anbot
hinsichtlich dieses Kriteriums
auf acht Monate „korrigiert" wurde und seitens
der Bewertungskommission ihres
Hauses argumentiert wurde, eine
Erbringung des Auftrages
innerhalb sieben Monaten sei unrealistisch?
16. Wie beurteilen Sie diese
Vorgangsweise seitens des BMBWK? Würden Sie
zustimmen, dass es sich hier
seitens des BMBWK als Auftraggeber um eine
ungerechtfertigte Manipulation
der Anbotsunterlagen handelt?
17. Ist es zutreffend, dass das
BMBWK den Zuschlag im gegenständlichen
Vergabeverfahren im Juni 2003
neuerlich an die IMG GmbH erteilte, obwohl
das Bundesvergabeamt die erste
Zuschlagserteilung für rechtswidrig und
nichtig erklärt hat?
18. Wie begründen Sie die
neuerliche Zuschlagserteilung an die IMG GmbH
unter diesen Umständen?
19. Halten Sie diese
Vorgangsweise seitens Ihres Hauses für vergaberechtlich
korrekt? Falls ja, warum? Falls
nein, was haben Sie dagegen unternommen?
20. Ist es zutreffend, dass die
IMG GmbH in ihrem neuerlichen Anbot als
Zeitraum der Leistungserbringung
sechs Monate angeboten hat, der zweite
Bieter wiederum sieben Monate
angeboten hat und hinsichtlich dieses
Zuschlagskriterium die IMG GmbH
als Bestbieter bewertet wurde?
21. Wie beurteilen Sie diese
Bewertung vor dem Hintergrund dass die vom
Mitbieter bei der ersten
Anbotslegung angebotenen sieben Monate seitens
des BMBWK als
„realitätsfern" und „unrealistisch" bezeichnet worden ist?
Wieso ist das neuerliche Anbot
von sechs Monaten seitens der IMG GmbH
plötzlich nicht mehr
„unrealistisch"?
22. Ist es zutreffend, dass als
eines der Zuschlagskriterien nach
Bestbieterprinzip
„Preis pro mitwirkendes Personal" festgelegt wurde?
23. Ist es zutreffend, dass die
IMG GmbH bei diesem Kriterium zwar den
höheren Preis pro mitwirkenden
Personen angeboten hat, betreffend dieses
Kriteriums seitens der
Bewertungskommission des BMBWK im
Vergabeverfahren aber dennoch als
Bestbieter bewertet wurde?
24. Ist es zutreffend, dass
seitens des BMBWK in der Verhandlung vor dem
Bundesvergabeamt angegeben wurde,
dass jenes Anbot die bessere
Bewertung erhält, das einen
höheren Preis pro mitwirkendes Personal
aufweist?
25. Teilen Sie die Auffassung,
dass allein vom Preis auf die Qualität der
Expertise geschlossen werden
kann?
26. Trifft es zu, dass eine
Informationserteilung über andere Bieter vom BMBWK
an die IMG GmbH im
Vergabeverfahren stattgefunden hat? Falls ja, wie
beurteilen Sie diese
Vorgangsweise?
27. Ist es zutreffend, dass für
jedes derartige Nachprüfungsverfahren samt
Antrag auf „Einstweilige
Verfügung" seitens eines Beinspruchenden € 3.200.-
zu bezahlen sind und diese Gebühr
nach BverG seitens des Auftraggebers zu
ersetzen ist?
28. Ist es zutreffend, dass die
mitbietende Gruppe das BMBWK aufforderte,
diese Gebühr zu ersetzen, diese
aber bis dato nicht ersetzt wurde? Falls ja,
wie beurteilen Sie diese
Vorgangsweise?
29. Ist es zutreffend, dass trotz
Nicht-Ersatz dieser Gebühren die mitbietende
Gruppe für die neuerliche
Beeinspruchung wieder € 3.200.- zu entrichten
hatte?
30. Falls Ja, steckt dahinter
eine Methode, die mitbietende Gruppe rechtswidrig
aus dem Vergabeverfahren zu
drängen?
31. Ist es zutreffend, dass
Seitens des BMBWK behauptet wurde, Mitbieter
verfüge im Gegensatz zur IMG GmbH
über kein gleichwertiges
humangenomwissenschaftliches
Know-How, obwohl beispielsweise einer der
beteiligten Personen derzeit an
zwei ähnlichen Projekten in Holland tätig ist?
32. Welche
humangenomwissenschaftliche Qualifikationen haben die Mitglieder
der entsprechenden
Bewertungskommission des BMBWK?
33. Welche sonstigen Kontakte
bestehen bzw. bestanden zwischen
Vertreterinnen
des BMBWK und Gesellschaftern und Geschäftsführern der
IMG GmbH?
Welche Personen der Bietergruppe IMG GmbH haben zu
welchen
Zeitpunkten und zu welchen Angelegenheiten in einem
Auftragsverhältnis zu ihrem Haus gestanden bzw. wurden seitens Ihres
Hauses zu
Vorträgen, in Kommissionen etc. eingeladen bzw. berufen. (Bitte
um detailgenaue
Auflistung für die Jahre 1995 bis 2002)
34. Waren Sie über die in
dieser Anfrage angeführten Sachverhalte informiert?
Wenn ja seit wann? Wenn Nein,
warum nicht?
35. Wie beurteilen Sie
insgesamt die gewählte Vorgangsweise des BMBWK
beim gegenständlichen
Vergabeverfahren? Stimmen Sie zu, dass dieses
Vergabeverfahren in der von
Ihrem Haus durchgeführten Art und Weise
gelinde gesagt als unkorrekt
zu bezeichnen ist? Falls Nein, warum nicht? Falls
ja, welche Konsequenzen
werden Sie daraus ziehen?