695/J XXII. GP

Eingelangt am 10.07.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Vergabe der Beratungs- und Verkaufsleistungen für die Veräußerung der
Bundeswohnbaugesellschaften

In der Anfragebeantwortung 3479AB (XXI) stellen Sie die Kriterien für die Vergabe
der Beratungs- und Verkaufsleistungen für die Veräußerung der
Bundeswohnbaugesellschaften dar. Nachdem die von Ihnen genannte Summe des
Honorars an die Lehman Brothers eine erhebliche Summe darstellt,
Subunternehmen beschäftigt werden und ein nicht unerheblicher Teil der Arbeit von
den Wohnbaugesellschaften selbst vorgenommen wird, gilt es weitere Fragen des
Vergabevorgangs zu klären.

Darüber hinaus ist es erforderlich, die Rolle von Karl Heinz Muhr bei der Vermittlung
der Beratungsleistungen näher zu erörtern . Dieser Consulter sitzt im Aufsichtsrat
von Magna International und wurde von Ihnen bis vor kurzem in den AUA-
Aufsichtsrat entsandt. Außerdem „hatte Muhr sich vor zwei Jahren bei Grasser dafür
eingesetzt, dass die New Yorker Beratergruppe Lehman Brothers zum Preis von 10
Mio Euro mit Bewertung und Privatisierung von Bundeswohnbaugesellschaften
beauftragt wurde" (profil 30.6.03), eine Leistung, die ebenso von österreichischen
Banken oder der BIG bei weitem kostengünstiger erbracht werden hätten können.
Laut Aussage des Lehman-Austria-Managers, Jan-Philipp Pfander, soll „zwischen
dem Grasser-Freund Karl Heinz Muhr und Lehman eine Vereinbarung bestehen,
derzufolge er, Muhr, von Lehman „etwas bekommt, wenn er auf etwas hinweist".
(News 27/03) Außerdem wiesen Sie in einem News-Gespräch (26/03) darauf hin,
dass Muhr Lehman nominierte. Es kursieren darüber hinaus Gerüchte, dass in den
USA ein Konto für in diesem Zusammenhang geleistete Provisionszahlungen an
Muhr oder andere existiere. Dies gilt es ebenfalls der Korrektheit wegen
klarzustellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.     Von 19 Bewerbern für die Beratungs- und Verkaufsleistungen zur Veräußerung
der bundeseigenen Wohnbaugesellschaften sind nur 5 in die engere Wahl
gekommen. 14 sind also auf Grund welcher Kriterien ausgeschieden worden.
Neben den Auswahl- und Eignungskriterien spielen die Zuschlagskriterien eine
wichtige Rolle, wobei der Preis mit einem Gewicht von 30 bis 70 % zu versehen
ist und alle anderen Kriterien nichtdiskriminierend festzusetzen sind. Aus


welchen Gründen bildet der Preis der Beratungs- und Veräußerungsleistungen
keine Rolle bei den mir von Ihnen genannten Vergabekriterien, obwohl dies
eine vergaberechtliche Grundvoraussetzung bildet?

2.     Welche Kriterien waren entscheidend, dass die anderen Bieter nicht in die
engere Wahl kamen? Wurde der Grundsatz der Gleichbehandlung und
Nichtdiskriminierung strikt beachtet?

3.     Waren alle Bewertungskriterien im Vorhinein festgesetzt und allen Bietern
nachweislich bekannt?

4.     Wer setzte die Kriterien mit der jeweiligen Gewichtung im Vorhinein fest, waren
diese den Ausschreibungsunterlagen klar zu entnehmen?

5.     Auf welcher nachvollziehbaren, objektiven Grundlage wurden die Gewichte der
einzelnen, nur schwer differenzierbaren, überaus redundanten Kriterien
festgelegt?

6.     War die Zulässigkeit der Beschäftigung von Subunternehmen bereits im
Leistungsverzeichnis vorgesehen und festgelegt, dass wesentliche Teile der
Leistung selbst auszuführen sind?

7.     Wurde die Befugnis, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der

Subunternehmen geprüft und haben die Bieter in ihrem Angebot jenen Teil, der
als Subauftrag vergeben werden soll, entsprechend bezeichnet?

8.     Wenn ja, in welchem Ausmaß war die Leistung von Subunternehmen im
Leistungsverzeichnis vorgesehen?

9.     Wenn nein, verstießen Sie dadurch nicht gegen die Bestimmungen des
Vergabegesetzes?

10.   Warum erfolgte die Auftragsvergabe an Lehman Brothers erst im September
2002?

11.   Welche konkreten Konzepte haben die Lehman Brothers vorgeschlagen?
Welche Details wurden vorgeschlagen?

12.   Warum handelt es sich dabei um Leistungen, die von der ÖIAG/BIG zu einem
wesentlich günstigeren Preis nicht hätten erbracht werden können?

13.   Wann vermittelte Ihnen Karl Heinz Muhr die internationale Investmentbank
Lehman Brothers als Bewerter und Auslober für den Verkauf der
Bundeswohnbaugesellschaften?

14.   Welche Provisionen flössen in diesem Zusammenhang zwischen Ihnen und
Muhr bzw zwischen Lehman Brothers und Muhr?

15.   Ist Ihnen die Existenz eines Provisionskontos in den USA bekannt?