711/J XXII. GP

Eingelangt am 10.07.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

der Abgeordneten Lichtenberger, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren für
verkehrsvermehrende Projekte entlang der Staatsgrenze Österreichs mit Tschechien,
Slowakei und Ungarn

Am österreichisch- tschechischen Grenzübergang Kleinhaugsdorf/Hate wird derzeit von der
britischen Firma Freeport ein Textileinkaufszentrum errichtet. Dabei soll nach den
unvollständigen vorliegenden Informationen im Anschluss an das schon bestehende
Einkaufszentrum "Excalibur City" ein Factory Outlet Center mit einer Verkaufsfläche von
22.000 m2 sowie rund 1.000 zusätzlichen Parkplätzen entstehen. Nach Angaben der
Betreiberfirma, der Fa. Freeport, werden allein für den von dieser Firma betriebenen Teil 4
Millionen Besucher jährlich, davon 2 Millionen an Wochenenden und 70 % aus Österreich,
erwartet. Wenn man davon ausgeht, dass jedes Auto mit durchschnittlich 1,5 Personen
belegt ist, würde das eine Tagesfrequenz von ca. 13.500 Fahrzeugen an Wochenenden
bedeuten, die den Grenzübergang Kleinhaugsdorf/Hate nur zu Zwecken dieses
Einkaufsverkehrs überqueren würden. Dieses Ausmaß an Mehrverkehr würde nicht zuletzt
zu Risken und Belastungen für den Wasserhaushalt der Region führen.

Bei diesem "Designer Outlet", das von weiteren Supermärkten etc. ergänzt werden soll, sind
Öffnungszeiten von 8 bis 22 Uhr an 365 Tagen im Jahr (!) vorgesehen. Weiters sind
besonders günstige Verkaufspreise in Aussicht genommen, die offenkundig darauf abzielen,
Kundschaft aus Ostösterreich, insbesondere aus dem Großraum Wien abzuziehen, die
derzeit das wesentlich kleinere und an österreichische Ladenschlussregelungen und
Arbeitsrechtsstandards gebundene Designer Outlet in Parndorf östlich von Wien frequentiert.
Angesichts dieses Volumens und des gewaltigen räumlichen Einzugsbereichs sind
grenzüberschreitend nachteilige Wirkungen auf Bereiche wie Lärm, Wochenendruhe,
Rekreation, Tourismus etc. zu erwarten. Vor allem sind auch beträchtliche
grenzüberschreitende Verkehrserregereffekte zu erwarten, die einer bilateralen Behandlung
in Bewilligungsverfahren bedürfen. Ab Eröffnung des Factory Outlet (welche für den 1.9.2003
vorgesehen ist) ist somit mit einer weit über das aktuelle Maß hinausgehenden zusätzlichen
Verkehrsbelastung mit allen negativen Folgen für die Schutzgüter zu rechnen.

 

Die Strecke Kleinhaugsdorf-Hollabrunn-Stockerau ist nicht im österreichischen
Generalverkehrsplan enthalten, der im politischen Konsens zwischen Bundes- und
Landesregierungen festgelegt wurde und zu dessen unveränderter Geltung und Umsetzung
sich auch die derzeitige österreichische Bundesregierung mehrfach bekannt hat. Die Strecke
ist auch nicht Teil des Bundesstraßennetzes, was im Sinne von Artikel 10 Absatz 1 Ziffer 9
B-VG zugleich die Interpretation zuläßt, dass der Gesetzgeber dieser Strecke keine
"besondere Bedeutung für den Durchzugsverkehr" zumisst. Sollte das Factory Outlet


ungehindert in Betrieb gehen, so würde jedoch Druck für den Ausbau von
Straßenverbindungen zum Grenzübergang Kleinhaugsdorf entstehen. Ein solcher Ausbau
österreichischer Zulaufstrecken würde jedoch die Attraktivität des Einkaufszentrums
zusätzlich erhöhen und somit die negativen Auswirkungen auf Umwelt, aber auch
Regionalwirtschaft vergrößern. Aus Sicht der am Straßenbau interessierten Kräften im Land
Niederösterreich stellt das Factory Outlet jedoch einen die eigenen Interessen subtil
unterstützenden "Sachzwang" dar, offenbar ein Grund, warum seitens des Landes
Niederösterreich bisher keine Initiativen für eine grenzüberschreitende UVP gesetzt wurden.

Die negativen Umweltauswirkungen, die allein durch den Betrieb des Factory Outlets erwirkt
werden könnten, wurden bislang in keinem grenzüberschreitendem Bewilligungsverfahren
bewertet und waren nicht Gegenstand für die in Tschechien bislang erteilten Bewilligungen.

Gemäß dem "Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im
grenzüberschreitenden Rahmen" (Espoo-Konvention), welches auch von Tschechien
ratifiziert wurde, ergeben sich folgende Erfordernisse:

Gemäß Art. 2 Abs 6 stellt die Ursprungspartei sicher, daß die Öffentlichkeit der betroffenen
Partei "gleichwertige" Möglichkeiten zur Verfahrensmitwirkung erhält wie die Öffentlichkeit
der Ursprungspartei. Gemäß Art. 3 Abs 2 des Übereinkommens hat die Benachrichtigung
unter anderem Angaben über das geplante Projekt, einschließlich aller verfügbaren
Informationen über seine möglichen grenzüberschreitenden Auswirkungen, zu enthalten.
Gemäß Art. 3 Abs 8 des Übereinkommens stellen die beteiligten Parteien sicher, daß die
Öffentlichkeit der betroffenen Partei in den voraussichtlich betroffenen Gebieten über das
geplante Projekt informiert wird und Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Äußerung von
Einwänden sowie zur Übermittlung dieser Stellungnahmen oder Einwände erhält.

Ein entsprechendes Verfahren wurde zum Factory Outlet bei Kleinhaugsdorf/Hate nicht
eingeleitet. Dies stellt einen Verstoß gegenüber den Bestimmungen der von beiden
beteiligten Staaten ratifizierten Espoo-Konvention dar.

Weiters ist erwähnenswert, dass seitens der Tschechischen Republik eine Schnellstraße
zwischen Jihlava und Hate gegenüber Österreich notifiziert wurde, in deren Dokumentation
jedoch keinerlei Angaben zum Factory Outlet gemacht wurden.
Daß überhaupt ein Verfahren zum Schnellstraßenprojekt Jihlava-Hate gemäß Espoo-
Konvention eingeleitet wurde, bedeutet, dass das Vorhaben (vgl. Art. 3 der Konvention) auch
nach Ansicht des tschechischen Projektwerbers "erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt
Österreichs" haben könnte. D.h. es könnten signifikante Einwirkungen auf Schutzgüter im
Sinne von §1 Abs. 1 Z1 des österreichischen UVP-Gesetzes zu erwarten sein, das sind
+ Menschen, Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume,
+ Boden, Wasser, Luft und Klima,
+ Landschaft und
+ Sach- und Kulturgüter,
wobei Wechselwirkungen mehrerer Auswirkungen untereinander miteinzubeziehen sind.

Aufgrund der Betreiberangaben zur angestrebten Besucherfrequenz des Factory Outlet wäre
daher das Factory Outlet selbst einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung
zu unterziehen. Dies wäre schon allein aufgrund des vorgesehenen Betriebsbeginns mit
1.9.2003 unmittelbar von tschechischer Seite einzuleiten, wobei ein definitiver
Betriebsbeginn vom Ausgang des grenzüberschreitenden UVP-Verfahrens abhängig zu
machen wäre.


Der Betreiber der dem Factory Outlet benachbarten Excalibur City hat zudem Anfang Juni
2003 bekannt gegeben, dass er die Errichtung eines 13 ha umfassenden Themenparkes am
Grenzübergang Kleinhaugsdorf/Hate beabsichtigt. Dieses weitere zusätzliche Projekt ist
gemäß Espoo-Konvention ebenfalls einer grenzüberschreitenden UVP zu unterziehen.

Schließlich sind auch der weitere Ablauf des grenzüberschreitenden UVP-Verfahrens zu
diversen Autobahn- bzw. Schnellstraßenprojekten in der Relation Wien-Brunn sowie die
entsprechenden Pläne für weitere Großprojekte entlang der Staatsgrenze offen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1. Welche Schritte haben Sie bzw. die österreichische Bundesregierung über die
Stellungnahme vom 24.4.2003 hinaus gegenüber der Tschechischen Republik
bezüglich der Einleitung eines grenzüberschreitenden UVP-Verfahrens zum
Factory Outlet der Fa. Freeport am österreichisch-tschechischen
Grenzübergang Kleinhaugsdorf/Hate gesetzt?

2. Welche weiteren Schritte werden Sie bzw. die Bundesregierung in dieser
Angelegenheit wann setzen?

3. Welche Schritte werden Sie bzw. die Bundesregierung insbesondere setzen,
um eine Eröffnung des Factory Outlet mit seinen negativen Folgen für
Mensch, Umwelt und nicht zuletzt Wirtschaft in Österreich vor konsensualem
Abschluß eines entsprechenden grenzüberschreitenden UVP-Verfahrens zu
unterbinden?

4. Welche Schritte haben Sie bzw. die österreichische Bundesregierung über die
Stellungnahme vom 24.4.2003 hinaus gegenüber der Tschechischen Republik
bezüglich der Einleitung eines grenzüberschreitenden UVP-Verfahrens zum
geplanten Themenpark am österreichisch-tschechischen Grenzübergang
Kleinhaugsdorf/Hate gesetzt?

5. Welche weiteren Schritte werden Sie bzw. die Bundesregierung in dieser
Angelegenheit wann setzen?

6. Welche Schritte werden Sie bzw. die Bundesregierung insbesondere setzen,
um eine Eröffnung des Themenparks mit seinen negativen Folgen für Mensch,
Umwelt und nicht zuletzt Wirtschaft in Österreich vor konsensualem Abschluß
eines entsprechenden grenzüberschreitenden UVP-Verfahrens zu
unterbinden?

7. Wurden die Anregungen bzw. Forderungen der Republik Österreich in der
Stellungnahme vom 24.4.2003 betreffend das grenzüberschreitende UVP-
Verfahren zur Schnellstraße Hate-Jihlava erfüllt?

8. Wenn nein, wurden die geforderten bilateralen Konsultationen eingeleitet und
welche Position wird Österreich dabei vertreten?

9. Welchen Wortlaut hat die im Verfahren abgegebene Stellungnahme der Abt.
Gesamtverkehrsangelegenheiten des Amtes der NO Landesregierung?

10. Wie ist der Stand des grenzüberschreitenden UVP-Verfahrens zur

Schnellstraße Hate-Jihlava?

11 .Wie werden Sie gegen eine eventuelle Verfahrenseinstellung vorgehen?
12. Wie ist der Stand des grenzüberschreitenden UVP-Verfahrens zur

Schnellstraße Pohorelice-Mikulov/Drasenhofen?


13. Welche Vorkehrungen für die Durchführung von grenzüberschreitenden UVP
 
für weitere große Infrastrukturprojekte im Grenzraum zu Tschechien, Slowakei
 und Ungarn sind getroffen, insbesondere im Zusammenhang mit Plänen und
 Vorarbeiten für einen Donau-Elbe-Oder-Kanal und einen Flughafen im Raum
 Szombathely/Rechnitz?

14. Welche Vorarbeiten sind zur Umsetzung der SUP-Richtlinie getroffen,
insbesondere im Hinblick auf eine GVP-Prüfung?