723/J XXII. GP

Eingelangt am 12.08.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

gem. § 93 Abs. 2 GOG

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer

und GenossInnen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Vorziehen der Steuersenkung auf 2004 zur Belebung der Konjunktur

Österreich fällt in den internationalen Wirtschafts-Rankings zurück. Sofortiges Handeln ist
daher dringend geboten.

Und die Zeit drängt. Denn Österreich will und soll zu den besten in Europa gehören. Das war in

den dreißig Jahren sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung schon beinahe selbstverständlich
der Fall. Heute sind wir wegen des verfehlten Schüssel-Grasser-Kurses weit davon entfernt.

Wir befinden uns in einer hartnäckigen Wirtschafts-Flaute. Trotz der anhaltenden
Wirtschaftskrise machen Schüssel und Grasser eine schlechte Wirtschaftspolitik und nützen
gegebene Handlungsspielräume nicht.

Dass nationale Handlungsspielräume trotz globaler Wirtschaftskrise gegeben wären, sieht man
daran, dass Österreich in den letzten drei Jahren von zahlreichen EU-Staaten in wichtigen
wirtschaftlichen Kennzahlen überholt wurde. Andere haben die Krise eben besser gemeistert.

Schüssel und Grasser haben mit ihrem Kurs Österreich von der Überholspur auf die Kriechspur

gebracht und die österreichische Wirtschaft mit hausgemachten negativen Effekten für Wachstum,
Beschäftigung und Realeinkommen belastet. Die Österreicherinnen und Österreicher verlieren
damit an Wohlstand und sozialer Sicherheit.

Deshalb setzt sich die SPÖ bereits seit nunmehr fast zwei Jahren unter anderem für eine Entlastung
der Einkommen und der Wirtschaft im Ausmaß von bis zu drei Milliarden Euro ein. Bereits
im April und Mai 2002 hat daher die SPÖ konkrete Gesetzesanträge für diese Steuersenkungen im
Nationalrat eingebracht, welche auf Grund des vorzeitigen Endes der XXI. Gesetzgebungsperiode
nicht mehr rechtzeitig behandelt wurden.

 


Mit der deutlichen Steuersenkung im Umfang von drei Milliarden Euro soll das Vertrauen der
Österreicherinnen und Österreicher in den Aufschwung gestärkt werden. Dieses Vertrauen,
verbunden mit höherer Massenkaufkraft und Nachfrage sowie Investitionsanreize für die
private Wirtschaft sollen für mehr Wachstum und Beschäftigung in Österreich sorgen.

Ein Maßnahmenpaket zur Konjunkturbelebung braucht allerdings darüber hinaus auch eine
höhere öffentliche Nachfrage. - Insbesondere durch vorgezogene Infrastrukturinvestitionen, etwa
Straße, Schiene, Bahnhöfe, Telekommunikation und Förderung der Breitbandtechnologie. Baureife
Projekte im Ausmaß von rund 1,5 Milliarden Euro könnten sofort in Angriff genommen werden.
Diese Ausgaben würden nicht einmal budgetwirksam, weil diese Bereiche ohnehin außerbudgetär
über sehr lange Zeiträume finanziert werden.

In diesem Zusammenhang ist eine weitere Verschiebung des LKW-Road-Pricing nicht zu
akzeptieren und ein umfassendes Verkehrsinfrastruktur-Programm Österreichs zur Bewältigung der
Transitproblematik sowie zur Förderung des Wirtschaftsstandortes Österreich zu forcieren. Ferner
sind die Transitverhandlungen im Interesse der österreichischen Bevölkerung und Wirtschaft zu
einem für Österreich befriedigendem Ergebnis zu bringen. Im Zuge dieser Verhandlungen ist
insbesondere auch die Finanzierung des Brenner-Basis-Tunnels bei einer entsprechenden
Finanzierungsbeteiligung der Europäischen Union mit dem Ziel sicher zu stellen, den Brenner-
Basis-Tunnel bis spätestens 2015 fertig zu stellen.

Schließlich wären noch zusätzliche öffentliche Investitionen in Forschung und Entwicklung

sowie in die Aus- und Weiterbildung bzw. in eine tatsächliche Qualifizierungsoffensive für
Arbeitslose zu investieren, um Österreich wieder auf die Überholspur zurückzubringen.

Eine aktive Außenhandelspolitik zur Unterstützung einer Exportoffensive, Projekte der
Grenzlandförderung im Rahmen der Vorbereitung Österreichs auf die EU-Osterweiterung,
günstiges Kapital für Klein- und Mittelbetriebe sowie ein Masterplan für Jungunternehmer

sollten nach Ansicht der SPÖ das längst überfällige Konjunkturpaket abrunden.

In all diesen Bereichen sind Schüssel und Grasser allerdings genauso säumig, wie sie es bereits
in der letzten Legislaturperiode waren. Das haben zumindest zahlreiche Wirtschaftsforscher sowie
Unternehmer und Manager mehrfach öffentlich zum Ausdruck gebracht.

Das Ergebnis dieser Politik ist für den Wirtschaftsstandort Österreich und seine Menschen
fatal.


Schüssel und Grasser haben die höchste Steuer- und Abgabenquote in der Geschichte der 2.
Republik zustande gebracht, 45,6% im Jahr 2001 und 44,6% im Jahr 2002, im Jahr 2004 wird
bereits das nächste Belastungspaket in Kraft treten und damit Steuern und Abgaben weiter erhöht.

Denn in Wahrheit wird die in den Budgetbegleitgesetzen bereits beschlossene geringfügige
Einkommenssteuersenkung 2004 nur für Einkommen zwischen 900 und l.100 Euro pro Monat
wirksam. Der große Rest geht weitestgehend leer aus. Darüber hinaus bleiben letztlich durch höhere
Energiesteuern und Erhöhungen im Bereich der Sozialabgaben und Pensionskürzungen
selbst nach
Abzug aller Entlastungen noch 353,4 Millionen Euro im Jahr 2004 an Belastungen für die
Österreicherinnen und Österreicher
über.

Schüssel und Grasser erzählen daher Märchen, wenn sie von einer ersten Etappe der Steuer-
und Abgaben-Entlastung im Jahr 2004 sprechen.

Im laufenden Jahr wurde mit 200.000 Arbeitslosen die höchste Arbeitslosigkeit erreicht, die je in
der 2. Republik im Monat Juli verzeichnet werden musste. Im Jahresdurchschnitt 2003 werden es
laut Wifo rund 240.000 sein, und nächstes Jahr werden weiter ansteigend neue Rekordhöhen
erreicht.

Die Entwicklung der Reallöhne bleibt in Österreich immer weiter hinter dem EU-Durchschnitt

zurück, nachdem sie seit 1970 regelmäßig darüber lagen. 2002 und 2003 betrug laut EU-
Kommission der Reallohnzuwachs in Österreich lediglich ein Drittel des EU-Durchschnitts !!! -
2002 0,3% in Ö und 1% in EU-15, 2003 0,5% in Ö und 1,4% in EU-15. Im Jahr 2001 sind die
Reallöhne in Österreich erstmals gesunken, und zwar um 0,3%, während sie in der EU-15 um
immerhin l ,4% gestiegen sind. Schüssel und Grasser haben die Österreicherinnen und Österreicher
dadurch im EU-Vergleich dramatisch ärmer gemacht.

Österreich wird laut EU-Kommission 2003 und 2004 mit Abstand das Schlusslicht bei
öffentlichen Investitionen sein. - Mit jeweils 1,1% des BIP erreicht Österreich nicht einmal die
Hälfte des EU-Durchschnitts von 2,3% im Jahr 2003 und 2,4% im Jahr 2004 und verschlechtert sich
damit auch noch weiter.

Es ist daher fast eine zwangsläufige Folge, dass Österreichs wirtschaftlicher Reichtum gemessen
am BIP pro Kopf immer mehr in der EU zurückfällt. Österreich war laut Eurostat in der EU-15
in den Jahren 1998 und 1999 noch an guter 4. Stelle, fiel 2000 auf den 6. Platz zurück und erreichte
in den Jahren 2001 und 2002 nur mehr den relativ schlechten 8. Platz. Wir wurden dabei von den
Niederlanden, Finnland, Irland und Großbritannien überholt.


Österreich bleibt damit beim Wirtschaftswachstum nach Spitzenplätzen in den dreißig Jahren
sozialdemokratischer Bundeskanzler und Finanzminister im EU-Schnitt nachhaltig zurück.

Laut EU-Kommission werden wir in Österreich in den Jahren 2000 bis 2004 im Schnitt rund 0,4 bis
0,5% weniger jährliches BIP-Wachstum als der EU-Durchschnitt haben. Der in diesen Jahren
eintretende relative Wohlstandsverlust wird nie wieder aufgeholt werden können.

Österreich büßt durch die Politik von Schüssel und Grasser aber auch Standortvorteile ein, wie dies
Boston-Consulting-Chefin Mel-Pochtler unlängst festgestellt hat. Im jüngsten Ranking der
weltweit besten Standorte
ist Österreich in der renommierten Wirtschaftszeitschrift „Economist"
wegen schlechterer Rahmenbedingungen von Platz 17 auf Platz 21 zurückgefallen.

Dass in dieser Situation Schüssel und Grasser noch Kampfflugzeuge anschaffen, anstatt in die
Zukunft unseres Landes zu investieren, zeugt lediglich einmal mehr davon, dass es Schüssel und
Grasser nicht um Österreich, sondern ausschließlich um ihre persönlichen Interessen geht.

Österreich hat sich besseres verdient.

Die Österreicherinnen und Österreicher verdienen sich Wachstum und Beschäftigung,
Wohlstand und soziale Sicherheit. Dafür brauchen wir die besten Rahmenbedingungen für eine
florierende und investierende Wirtschaft. Dafür brauchen wir auch das Vertrauen der Menschen in
den Aufschwung, die auch über ein ausreichendes Einkommen verfügen, um die Güter und
Dienstleistungen auch kaufen zu können, die die Wirtschaft produziert.

Die österreichische Wirtschaft ist sich daher auch einig: Österreich braucht dringend einen
Konjunkturimpuls.

Der Ruf der österreichischen Wirtschaft wird daher immer lauter: „Steuer senken jetzt!"
Einige Beispiele:

Gerhard Sander, Saturn/Media Markt: „Der Standort Österreich hat sich in den letzten Jahren
im internationalen Vergleich verschlechtert. Für das Konsumklima brauchen wir eine rasche

Entlastung der Durchschnittseinkommen." (NEWS 31/03)

Robert Hartlauer, Fotoketten-Chef: „Die Einkommenssteuer ist viel zu hoch. Die Steuerreform,
die jetzt kommen wird, ist viel zu klein." (NEWS, 31/03)

Claus Raidl, Böhler-Uddeholm: „Für den Wirtschaftsstandort Österreich besteht

Handlungsbedarf. Wir haben Arbeiten bereits ausgelagert." (NEWS 31/03)


Lustig, Firma Cosmos: " Das brächte eine Entlastung der unteren Einkommen, da wird am
meisten ausgabenwirksam." (Format, 27.6.03)

Schließlich sehen auch Politiker in allen Parteien die Notwendigkeit, durch sofortige
Steuersenkung ab 2004 Konjunkturimpulse zu setzen. Allein Schüssel und Grasser wollen stur
und halsstarrig diese Notwendigkeit nicht einsehen.

Und die Steuersenkung ist im Jahr 2004 leistbar. Jedenfalls nicht mehr oder weniger leistbar als
im Jahr 2005. Denn auch 2005 wird die Steuersenkung von Schüssel und Grasser mit höheren
Defiziten finanziert. Das Defizit wird 2005 mit Steuerreform 1,5% des BIP betragen und damit um
1,3% des BIP oder fast 3 Milliarden Euro höher sein als ohne Steuerreform.

2005 ist nach Ansicht der allermeisten Experten allerdings der falsche Zeitpunkt, um die

Steuern zu senken. Denn erstens sollte die Konjunktur dann schon laufen und auch nach den
Maastricht-Verpflichtungen die Haushalts-Defizite wieder sinken und nicht steigen, wie das
Schüssel und Grasser wollen. Das ist wahltagsorientierte Konjunkturpolitik, die kurz vor den
Wahlen Wahlzuckerl verteilt, ohne der Wirtschaft wirklich zu helfen. Und das wird auch in den
Gremien der EU schwer zu erklären sein.

Eine spürbare Steuersenkung schon 2004 kann dagegen nicht nur rasch mehr Massenkaufkraft zur
Verfügung stellen und die Konjunktur ankurbeln, wie das in anderen EU-Ländern auch gemacht
wird und sich das auch die österreichische Wirtschaft wünscht. Sie würde sich auch den
Verpflichtungen der EU gegenüber besser Rechnung tragen, die höhere Defizite in wirtschaftlich
schlechten Zeiten erlauben, welche aber in Zeiten guter Konjunktur wieder zurückgefahren werden
müssen. Bei einer Steuersenkung 2004 würde das Defizit eben 2004 höher ausfallen und 2005
bei besserer Konjunktur bereits wieder sinken.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn Bundesminister für Finanzen folgende

Anfrage:

l.    Wie erklären Sie als Finanzminister die höchste Arbeitslosigkeit, die je in der 2. Republik im
Juli zu verzeichnen war?


2.    Wie können Sie als Finanzminister verantworten, dass Österreich seit 2000 in den letzten drei
Jahren in sämtlichen wichtigen Indikatoren laut jüngster Frühjahrsprognose der Europäischen
Kommission bzw. Eurostat - z.B. beim Wachstum, dem BIP pro Kopf, der
Reallohnentwicklung, den öffentlichen Investitionen, der Abgabenbelastung usw. - nachhaltig
immer weiter hinter dem EU-Durchschnitt und laut jüngsten Prognosen für 2004 selbst hinter
Deutschland zurückbleibt? Ist es richtig, dass im Vergleich dazu die Werte im Durchschnitt
aller Jahre von 1970 bis 1999 über dem vergleichbaren EU-Durchschnitt lagen?

3.    Welche Maßnahmen setzen Sie jetzt über die völlig unzureichenden Maßnahmen der

Konjunkturpakete I und II und des Budgetbegleitgesetzes zu den BFG 2003 und 2004 hinaus,
um die Konjunktur anzukurbeln, Investitionen, Wachstum und Beschäftigung zu unterstützen
und der höchsten Abgabenbelastung der Österreicherinnen und Österreicher
entgegenzuwirken?

4.    Wie rechtfertigen Sie es als Finanzminister, dass angesichts des notwendigen Aufholbedarfs bei
der Abgabensenkung, den Investitionen in Forschung, Entwicklung, Technologie, Infrastruktur,
Aus- und Weiterbildung in dieser schwierigen Situation Geld für die teuersten Kampfflugzeuge
zur Verfügung gestellt (bzw. durch die Unterzeichnung des Kaufvertrages als Vorbelastung
künftiger Budgets - somit „auf Pump" - verausgabt) wird?

5.    Wie rechtfertigen Sie es als Finanzminister, dass angesichts der schlechten Konjunktur baureife
Infrastrukturprojekte nicht bereits vorgezogen wurden bzw. auch nach Ihren bisherigen
Ankündigungen unzureichend vorgezogen werden, und werden Sie sich als Finanzminister
dafür einsetzen, dass angesichts der nach wie vor schlechten Konjunktur baureife
Infrastrukturprojekte in größerem Umfang vorgezogen werden?

6.    Welche Be- bzw. Entlastungen kommen auf die Österreicherinnen und Österreicher im Jahr
2004 mit Inkrafttreten der Budgetbegleitgesetze unterm Strich zu, wenn man die
Einkommensteuersenkung gegen die Erhöhung der Energiesteuern, die Einsparungen im
Pensionsbereich, die höheren Abgaben im Bereich der Sozial- und Krankenversicherung und
sonstigen Belastungen durch höhere Gebühren und Abgaben rechnet? Ist es richtig, dass sich
dabei laut Angaben über die finanziellen Auswirkungen in den Erläuterungen zum
Budgetbegleitgesetz 2003 nach Abzug der Steuersenkung eine Gesamt-Belastung von rund 350
Millionen Euro ergibt?


7.   Nach den gängigen ökonomische Theorien ist es richtig, dass unter anderem vor allem auch
Steuersenkungen mit Schwerpunkt bei der Entlastung kleiner und mittleren Einkommen sowie
Investitionsanreize für die Wirtschaft - und damit die Steigerung der Massenkaufkraft und der
betrieblichen Investitionstätigkeit - einen Beitrag zur Ankurbelung der Konjunktur und mehr
Wachstum und Beschäftigung leisten können, warum handeln Sie daher nicht dementsprechend
und entlasten jetzt sofort Einkommen und Wirtschaft?

8.    Worin liegt der wirtschafts- und konjunkturpolitisch begründbare Sinn, wie von Ihnen geplant
prozyklisch und bei mit einiger Wahrscheinlichkeit guter Konjunktur im Jahr 2005 die Steuern
zu senken und damit steigende Defizite in Kauf zu nehmen?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu
behandeln.