726/J XXII. GP
Eingelangt am 12.08.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
der Abgeordneten
Jarolim und GenossInnen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend satzungsgemäße Zuwendungen von Vereinen
Der Staatssekretär
Dr. Finz hat in seiner vielbeachteten Pressekonferenz am 11.07.2003 zur
steuerlichen Beurteilung der Zuwendungen der Industriellenvereinigung
an den Verein „New
Economy" Stellung genommen. Wie der Staatssekretär damals
ausführte, sollen Zuwendun-
gen eines Vereins nicht der Schenkungssteuer unterliegen, wenn der
Verein die Zuwendung
im Rahmen seiner Satzung erbringt („satzungsgemäße Zuwendungen").
Der Staatssekretär
stützte sich bei seinen Rechtsausführungen ausschließlich auf zwei Argu-
mente:
1. Der
Grundsatz, dass satzungsgemäße Zuwendungen nicht der Schenkungssteuer unter-
liegen, ergebe sich aus den Stiftungsrichtlinien und sei auf Vereine
analog anzuwen-
den.
2. In einem deutschen
Steuerkommentar werde ebenfalls die Auffassung vertreten, dass
satzungsgemäße Zuwendungen eines Vereins nicht der Schenkungssteuer
unterliegen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Worauf gründen Sie die
Auffassung, dass die Stiftungsrichtlinien trotz Existenz auch
von Vereinsrichtlinien auf Vereine anzuwenden sind? Gibt es
Rechtsgrundlagen und
aktuelle Rechtsmeinungen dazu, wenn ja, welche und von wem?
2. Auf welchen deutschen Kommentar hat sich der Staatssekretär berufen?
2.1. Ist es richtig,
dass es sich dabei um den Kommentar von Troll, 2. Auflage, aus
dem Jahr 1975 handelt?
2.2. Ist
es richtig, dass es zu diesem Kommentar eine Neuauflage gibt, und dass sich in
dieser Auflage die Aussage der zweiten Auflage nicht mehr findet?
3. Wusste der Staatssekretär, dass
es sich bei dem Kommentar um einen überholten
Kommentar handelt, und dass diese Auffassung sich in keinem einzigen
aktuellen
Kommentar mehr findet?
4. Ist Ihnen bekannt, dass nach den
aktuellen deutschen Kommentaren durchgehend Zu-
wendungen eines Vereins, wie z.B. Preisverleihungen, der
Schenkungssteuer unterlie-
gen? (Meincke, § 13 Tz 60; Troll/Gebel/Jülicher, § 13 Tz
4; Kapp/Ebeling, § 13 Tz
172; Megow/Michel, 1974, §7 Tz 13).
5. Warum wurden eine veraltete
Ausgabe eines Kommentare statt neuer Literatur bei der
Entscheidungsfindung herangezogen?
6. Warum hat der Staatssekretär nicht die Vereinsrichtlinien zur Lösung herangezogen?
6.1. Wie
interpretieren Sie die Vereinsrichtlinien Rz 711, wonach Erwerbe von einem
Verein der Schenkungssteuer unterliegen?
6.2. Wie
interpretieren Sie die Vereinsrichtlinien Rz 711 a, wonach Preisausschreiben
eines Vereins der Schenkungssteuer unterliegen?
6.3.
Meinen die Vereinsrichtlinien hier tatsächlich nur
„satzungswidrige Zuwendun-
gen", etwa - um im Text der
Vereinsrichtlinien zu bleiben - satzungswidrige
Preisausschreiben?
6.4. Wie
erklärt Sie sich, dass sich die Vereinsrichtlinien hier mit der aktuellen deut-
schen Literatur decken, die durchgängig eine Steuerpflicht von
Zuwendungen ei-
nes Vereins vertreten?
7. Führt die Auffassung Ihres
Ministeriums, dass der Verein, in dem er den Vereins-
zweck selbst festlegt und auch ändern kann, dazu, dass Vereine den
Umfang ihrer
Steuerpflicht willkürlich bestimmen können?
7.1. Halten Sie ein solches Ergebnis für verfassungskonform?
7.2. Können auch
andere Körperschaften, wie etwa Kapitalgesellschaften im Rahmen
ihrer Satzung ebenfalls steuerfrei schenken? Wenn nein, warum nicht?
8. Hat es unter Leitung eines
(infolge der erklärten Befangenheit eines Sektionschefs)
Ihnen unmittelbar unterstellten Beamten Besprechungen zum Steuerakt des Vereins
„New Economy" im Ministerium gegeben und wenn ja, wann und unter
Teilnahme
welcher Personen und zu welchem Zweck? Wurden dort seitens der
Vertreter Ihres
Ministeriums Rechtsansichten dargelegt, welche eingangs der Gespräche
im Wider-
spruch zu den von den anderen Beamten eingenommenen Rechtsstandpunkten
standen
und wenn ja, um welche Rechtsansichten handelte es sich hierbei im Einzelnen?
9. Wurde bei dieser Besprechung
Rücksicht auf bestehende Fachmeinungen aus deut-
scher und österreichischer Literatur genommen und/oder (lediglich) eine
bereits seit
langem nicht mehr aktuelle Ausgabe eines deutschen Kommentars als
Argumentati-
onsbasis verwendet, die noch dazu als Beispiel nur in der Satzung des
Vereins vorge-
sehene Persönlichkeitspreise bringt und auf den Anlassfall daher nicht
anwendbar ge-
wesen wäre? Wurden sämtliche anwesenden Beamten darüber informiert, dass
in der
Folgeauflage des unter 2. genannten Kommentars eine Steuerbefreiung
nicht mehr er-
wähnt ist und dass die aktuellen Kommentare die gegenteilige Auffassung
vertreten?