753/J XXII. GP

Eingelangt am 12.08.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Einem

und GenossInnen

an die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

betreffend Vetodrohung Österreichs zur Regierungskonferenz

Frau Bundesministerin Ferrero-Waldner hat gemäß Medienberichten am 21. Juli 2003 im
Anschluss an einen Europäischen Außenministerrat erklärt, sie behalte sich die Ablehnung
der europäischen Verfassung vor, falls sich die österreichische Bundesregierung mit ihren
Änderungswünschen nicht durchsetze. Wörtlich erklärte sie „Dann werden wir schlicht und
einfach nicht zustimmen". Als Veto-Drohung wollte sie sich diese Äußerung allerdings nicht
auslegen lassen (so auf der ORF-Homepage am 21. und 22. Juli 2003).

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgende

ANFRAGE

1.     Wie würden Sie die Ankündigung, gegebenenfalls „schlicht und einfach nicht
zuzustimmen", falls Sie sich mit Ihren Vorstellungen bei der Regierungskonferenz
nicht durchsetzen, werten, wenn nicht als Vetodrohung für diesen Fall?

2.     Zählen Vetodrohungen nun zum üblichen Instrumentarium der Bundesregierung und
insbesondere der Europapolitik dieser Bundesregierung, nachdem diese Methode
durch freiheitliche Regierungsmitglieder in den letzten Jahren so erfolgreich
angewendet worden ist?

3.     Halten Sie eine derartige Ankündigung vor Beginn des Prozesses, in dem Einigung
gesucht werden soll, für politisch sehr sinnvoll?

4.     Würden Sie es bevorzugen, wenn im Rahmen der Regierungskonferenz möglichst
viele Zusatzwünsche einzelner Regierungsvertreter der Mitglied- oder der
Kandidatenländer auftauchen oder halten sie eine einstimmiges Ergebnis für leichter
erzielbar, wenn nur wenige Vertreter Änderungen wünschen?

5.     Welchen Wert messen Sie einem komplexen Kompromiss, wie jenem zum

Verfassungsentwurf des Konvents zur Zukunft Europas, zu, bei dem die Staaten nicht
durch Regierungsvertreter, sondern durch Vertreter der Regierungschefs, durch
nationale und durch Europa-Abgeordnete vertreten waren und an dem überdies
Mitglieder der Europäischen Kommission mitgewirkt haben?

6.     Halten Sie es für politisch legitim, den Vertretungsanspruch für die Interessen der
Österreicherinnen und Österreicher zu 100% für die Bundesregierung zu reklamieren
oder halten Sie den Ansatz der Konventsmethode, einen breiteren Konsens zu suchen
für richtig?


7.     Halten Sie einen Konvent, wie die beiden bisherigen Konvente der EU, für eine bloße
Arbeitsgruppe im Interesse der Vorbereitung einer Regierungskonferenz oder für eine
eigenständige politisch legitimierte Einrichtung?

8.    Sind Sie bereit, für folgende Ziele ein Veto auszuüben, falls Sie sich mit dieser
Position nicht durchsetzen und wenn nein, warum nicht?

a)  Die verbindliche Vereinbarung einer Vertragsrevisionskonferenz für den
Euratom-Vertrag im Jahr 2007; bei einer derartigen Revisionskonferenz
könnten die österreichischen Anstrengungen zur Beseitigung der einseitigen
Förderung von Nuklearenergie, einheitliche europäische Sicherheitsstandards
für Atomkraftwerke und die Möglichkeit des einseitigen Austritts aus dem
Vertrag, sofern seine bisherige Orientierung beibehalten werden sollte,
Gegenstand sein.

b)   Die Schaffung der Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen im Rat im

Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP); nur wenn es
gelingt, zum Prinzip der Mehrheitsentscheidung im Rat vorzudringen, ist jenes
notwendige Maß an Konsensbereitschaft zu erwarten, das Entscheidungen
zugunsten einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik erst
erlaubt (65% der Befragten in der EU wünschen das); die Funktion des
europäischen Außenministers bekäme erst so wirklich Gewicht.

c)   Die Schaffung einer Beistandsklausel-Lösung für den Fall eines militärischen
Angriffs auf ein Mitgliedsland der EU, wenn diese Klausel nicht mit der
österreichischen Bundesverfassung vereinbar ist;

d) Die Beseitigung des Konzepts des dauerhaften Vorsitzes im Europäischen Rat
zugunsten eines Rotationsmodels unter seinen Mitgliedern;

e)  Die Beseitigung des Konzepts der „kleinen Kommission" mit 15 Mitgliedern
und weiteren nicht stimmberechtigten Mitgliedern bei gleichberechtigter
Rotation unter den Mitgliedsländern zugunsten der großen Kommission mit so
vielen stimmberechtigten Mitgliedern, wie die EU jeweils Mitgliedsstaaten hat.

9.   Welches der folgenden Ziele sind bereit zugunsten Ihrer allenfalls mit Vetodrohung
verfolgten Ziele aufzugeben, zumal Sie ja auch damit rechnen müssen, sich mit dem
allfälligen Veto durchzusetzen

a)  das Ziel der Stärkung der Demokratie und Transparenz der Gesetzgebung auf
europäischer Ebene?

b)   das Ziel der Schaffung rechtlich verbindlicher Grundrechte der Menschen, die
der Gesetzgebung oder Vollziehung der EU und ihrer Normen unterworfen
sind?

c)  das Ziel der Durchsetzung der Rechtstaatlichkeit auch auf europäischer Ebene
bis hin zur Gewährleistung der Individualklagsmöglichkeit von in ihrem Recht
beeinträchtigten Bürgerinnen und Bürgern vor dem EuGH?

d)   das Ziel einer Europäischen Union, die nun auch für „soziale Marktwirtschaft,
für Vollbeschäftigung, für soziale Gerechtigkeit" stehen und so sich klar an der
Seite der Bürgerinnen und Bürger und ihrer Alltagsinteressen positionieren
soll?

e)  Das Ziel der Stärkung der Rolle der nationalen Parlamente und des
Ausschusses der Regionen bei der Gestaltung der europäischen Politik?

10.   Sind Sie sicher, dass die Mehrheit der österreichischen Bürgerinnen und Bürger Ihren
Prioritäten folgt?


11.   Woraus schließen Sie das?