774/J XXII. GP

Eingelangt am 12.08.2003
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ANFRAGE

der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

betreffend Säumigkeit der Bundesregierung für Ratifizierung des Grenzgänger- und
des Praktikantenabkommens mit der Tschechischen Republik

Im Regierungsprogramm vom 28. Februar 2003, das auch als Entschließungsantrag
von den Regierungsfraktionen am 6. März im Nationalrat verabschiedet wurde, heißt
es unter Punkt 2, Europäische Union: „Ratifizierung der Grenzgänger- und
Praktikantenabkommen mit Nachbarstaaten". Das Abkommen mit der
Tschechischen Republik wurde im August 2001 von Minister Bartenstein und seinem
tschechischen Amtskollegen unterzeichnet.

Im Außenpolitischen Bericht 2001 wurde diese Unterzeichnung erwähnt, jedoch nicht
die Tatsache, dass für das In-Kraft-Treten auch noch die Ratifizierung durch den
Nationalrat nötig ist. In der letzten Legislaturperiode gab es zwar den
Ministerratsbeschluss, jedoch fand nur eines der beiden Abkommen, nämlich das
über die Beschäftigung in Grenzzonen, überhaupt den Weg auf die Tagesordnung
des Außenpolitischen Ausschusses, wo es aber von ÖVP und FPÖ vertagt wurde.

Durch die Auflösung des Nationalrates und die Neuwahlen müssen die Abkommen
erneut im Ministerrat beschlossen und dem Nationalrat zugeleitet werden. Ende
März 2003 standen die beiden Abkommen auf der Tagesordnung des Ministerrates,
wurden jedoch wieder davon abgesetzt. Bis heute liegt unter der Regierung
Schüssel II kein Beschluß des Ministerrates vor, der Nationalrat konnte deshalb auch
noch nicht ratifizieren.

Im ORF-Abendjournal vom 29. Juli erklärte ÖVP-Außenpolitik-Sprecher Michael
Spindelegger hingegen, der Ministerrat habe die beiden Abkommen schon
einstimmig beschlossen. FPÖ-Abgeordnete Helene Partik-Pablé meinte, sie sehe
keinen Grund diese Abkommen zu ratifizieren.

Und dies, obwohl mittlerweile mit dem EU-Ratsbeschluß von Kopenhagen sowie mit
dem Ermächtigungsgesetz sowohl auf EU- als auch auf österreichischer Ebene die
Weichen für die Erweiterung am 1. Mai 2004 gestellt sind. Maßnahmen zur
Verbesserung der Situation in den Grenzgebieten sind daher höchst an der Zeit. Die
Ratifizierung und das In-Kraft-Treten der genannten Abkommen wären eine derartige
Maßnahme.


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1) Stimmt es, dass das Praktikanten- und das Grenzgänger-Abkommen Ende
März 2003 von der Tagesordnung des Ministerrates wieder abgesetzt wurde?

2) Wenn ja: Mit welcher Begründung und von wem wurden die Abkommen
wieder von der Tagesordnung abgesetzt?

3) Im ORF-Abendjournal vom 29. Juli 2003 hat ÖVP-Außenpolitik-Sprecher
Michael Spindelegger behauptet, der Ministerrat habe die beiden Abkommen
schon beschlossen. Entspricht die Aussage des ÖVP-Abg. Spindelegger den
Tatsachen?

4) Wenn ja, wann und unter welcher Regierung fand dieser Beschluss statt, und
welche Ministerinnen und Minister waren anwesend bzw. stimmten bei dieser
Beschlussfassung mit?

5) Warum wurde das Regierungsprogramm, in dem es eindeutig heißt
„Ratifizierung der Grenzgänger- und Praktikantenabkommen mit
Nachbarstaaten" bis heute noch nicht erfüllt?

6) Wie begründen Sie diese Nicht-Erfüllung des Regierungsprogrammes, wo
doch Wirtschaftsminister Bartenstein schon vor nunmehr zwei Jahren die
beiden Abkommen gemeinsam mit seinem tschechischen Amtskollegen
unterschrieben haben?

7) Wie erklären Sie der interessierten Öffentlichkeit, dass die Ratifizierung und
damit das Inkrafttreten der Abkommen mehr als zwei Jahre verzögert worden
ist?

8) Sehen Sie in der Verschleppung der Ratifizierung der Abkommen eine
Behinderung der nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und
der Tschechischen Republik?