831/J XXII. GP

Eingelangt am 24.09.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Lichtenberger, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Position im EU-Rat zur TEN-Revision, insbesondere hinsichtlich
Alemagna und Nordautobahn

Der Bericht der von Karel van Miert geleiteten hochrangigen Arbeitsgruppe zur
Revision der TEN-Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes
hat unter anderem - nicht ohne aktives Zutun Österreichs - vorgeschlagen, die
Autobahnverbindung Brno-Wien (Nordautobahn, A5) unter die prioritären TEN-T-
Projekte zu reihen.

Zugleich übt Italien massiven Druck in den EU-Institutionen aus, um die zusätzliche
Aufnahme der „Alemagna"-Transitachse durch die Dolomiten nach Osttirol in die
Liste der prioritären TEN-T-Projekte zu erreichen. Auch dieses Projekt findet
Unterstützung in regionalen Osttiroler ÖVP-Kreisen, obwohl es klar im Widerspruch
zur Alpenkonvention und vor allem zu ihrem Verkehrsprotokoll steht und obwohl sich
auch Vertreter der ÖVP-Spitze wie zuletzt Bundesminister Strasser immer wieder
ablehnend dazu geäußert haben.

In Österreich treten die nachteiligen Folgen des durch großzügigen
Infrastrukturausbau zusätzlich geförderten Langstrecken-Straßengüterverkehrs für
Mensch und Umwelt bereits seit Jahren gravierend zutage (Alpentransit, Ost-West-
Transit). Aus verkehrspolitischer wie umweltpolitischer Perpektive geboten wäre
daher entschiedenes Vorgehen gegen diese Gesundheits- und Umweltgefahren,
nicht die weitere Vergrößerung des Problems durch Errichtung zusätzlicher
hochrangiger Straßenachsen.

Beide Projekte, Nordautobahn und Alemagna, sind mit in Europa geltendem Recht in
Konflikt bzw. tragen zum Risiko der Nichterfüllung europarechtlicher Vorgaben bei,
etwa Naturschutzrecht, Luftreinhalterecht und Lärmminderung. Die Aufnahme der
Projekte in revidierte TEN-T-Leitlinien stünde insbesondere mit den Verpflichtungen
der Union und ihrer Institutionen aus dem EG-Vertrag in Widerspruch, wonach
Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung anderer
Gemeinschaftspolitiken insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung
einbezogen werden müssen (Art. 6) und wonach es Aufgabe der Gemeinschaft ist,
"ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität" und "die
Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität" "zu fördern" (Art. 2 EG-V). Die
Projekte würden die Umsetzung der von der Union im Zusammenhang mit der
Ratifizierung des Kyoto-Protokolls eingegangenen Verpflichtungen im Klimaschutz
erschweren und im Widerspruch zu geltenden Beschlüssen europäischer
Institutionen zur nachhaltigen Entwicklung (vgl. Göteborg) sowie zur Integration des
Umweltschutzes in sektorale Politiken (vgl. Cardiff-Prozess) stehen.


Darüberhinaus ist seitens der Kommission bzw. anderer EU-Institutionen offenbar
nicht daran gedacht, die revidierten TEN-Leitlinien der dringend erforderlichen
Strategischen Umweltprüfung (SUP/SEA) im Sinne der Richtlinie 2001/42/EG des
Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates über die Prüfung der
Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme zu unterziehen. Eine
derartige Prüfung müsste jedoch aufgrund der Dimension sowie der
weichenstellenden Wirkung der geplanten Infrastrukturprojekte im einzelnen wie vor
allem im gesamten durchgeführt werden. Sinn macht eine solche Prüfung nur im
derzeitigen Stadium. Eine SUP/SEA wäre ein entscheidender Schritt zur Validierung
der Projektlisten, die offensichtlich den umweltpolitisch teilweise unreflektierten
Vorschlägen der Mitgliedsstaaten folgen, sowie zur Anpassung des künftigen TEN-T-
Programmes an die rechtlichen Verpflichtungen der Union und ihre wiederholten
Bekenntnisse für Umweltschutz, Klimaschutz und Nachhaltige Entwicklung.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.           Welche Position werden Sie im Rat hinsichtlich der Liste prioritärer Projekte in
den TEN-T einnehmen?

2.           Werden Sie sich im Rat für die Streichung der Transitautobahn Wien-Brno
aus der Liste prioritärer Projekte einsetzen, wenn nein, warum nicht?

3.      Werden Sie sich im Rat für die Nichtaufnahme der sogenannten

„Alemagna"/"Venezia-Alpi" in die TEN-T einsetzen, wenn nein, warum nicht?

4.  Was haben Sie zur Verhinderung der Aufnahme der sogenannten
„Alemagna"/"Venezia-Alpi" in die TEN-T bzw. in die Liste der prioritären
Projekte wann im einzelnen unternommen?

5. Auf Grundlage welcher Untersuchungen hinsichtlich der a) verkehrlichen und
b) ökologischen Folgewirkungen, der c) volkswirtschaftlichen Prioritäten sowie
d) der potentiellen Konflikte mit Europarecht haben die Vertreter Österreichs
in der Van-Miert-Gruppe die Aufnahme bzw. Nichtaufnahme von Projekten
argumentiert?

6. Werden Sie die nachträgliche Aufnahme der Nord-Süd-Bahnverbindung
Tschechien-Österreich-ltalien/Slowenien in die Liste der prioritären TEN-T-
Projekte betreiben, wenn nein, warum nicht?

7. Welche Relevanz hat die Aufnahme von Projekten in Van Mierts „Liste 3", ist
damit insbesondere eine Kofinanzierung durch EU-Einrichtungen verbunden?

8.           Werden Sie die Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung für die
revidierten TEN-T-Projektlisten zum baldmöglichsten Zeitpunkt einfordern,
we
nn nein, warum nicht?