886/J XXII. GP

Eingelangt am 13.10.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Vernichtung von Steuergeldern und die Vernichtung von Mitteln der
Eisenbahnunternehmen und die Gefährdung von Menschenleben aufgrund der seit
Jahren vom BMVIT verschleppten Modernisierung der
Eisenbahnkreuzungsverordnung.

Während von Ihnen, Herr Bundesminister, Angebote zur Zusammenarbeit gemacht
werden, die wir für glaubwürdig halten, so können wir dem Apparat des BMVIT
aufgrund neuerlicher Ereignisse nicht mehr vertrauen.

Am 9.9.2003 kam es zu der von den meisten Teilnehmern als positiv empfundenen
Sitzung bei Ihnen. Zur gleichen Zeit während wir bei Ihnen ein konstruktives
Gespräch geführt haben, hat die Eisenbahnbehörde im Windschatten dieses
Gespräches Ihre Bemühungen durch eine "Geheimveranstaltung" zur (Un-)Sicherheit
auf Eisenbahnkreuzungen konterkariert, noch dazu in einem Saal im gleichen Haus.

Diese Hinterzimmer-Veranstaltung war umso bemerkenswerter, da offenbar
systematisch all jene, die bisher Verbesserungsvorschläge zu den gefährlichen
Mängeln der Entwürfe des BMVIT gemacht haben, vorsorglich ausgegrenzt wurden.

Unerwünscht waren neben allen Experten der Länder, allen Vertretern der
Selbsthilfeorganisationen behinderter Menschen auch innovative Hersteller von
Anlagen zur Sicherung von Eisenbahnkreuzungen. Man wollte offenbar unter sich
bleiben, die Gründe sind offensichtlich. Nur die Vertreter von Eisenbahnen, von dem
BMVIT genehmen Herstellerfirmen für Anlagen zur Sicherung von
Eisenbahnkreuzungen und einige wenige andere Herrschaften wurden "auserwählt",
teilnehmen zu dürfen.

Der Eindruck drängt sich auf, dass der Apparat Ihres Ministeriums auch hier die
überfälligen, von Ihnen allem Anschein nach gewünschten Modernisierungen
verhindern möchte und beharrlich "liebgewonnene" verkrustete Strukturen und
Geflechte verteidigt.

Anders lässt sich dieser starke Gegensatz zwischen Ihren positiven Äußerungen und
der beharrlichen Verweigerungshaltung des Apparats nicht erklären.

Vor etwa 1 1/2 Jahren wurde ein bisher vom BMVIT weitgehend unter Verschluss
gehaltener Entwurf für eine neue Eisenbahnkreuzungsverordnung bekannt, an dem
das BMVIT seit vielen Jahren "arbeitet".

Aufgrund der in diesem Entwurf vorgesehenen Beibehaltung bzw. Vergrößerung der
Gefährdung für Leben und Gesundheit aller Menschen haben sich Vertreter von
Selbsthilfeorganisationen behinderter Menschen an das BMVIT gewandt. Ihre
Angebote zu helfen, diese gefährlichen Fehler zu reparieren, wurden vom BMVIT
vorerst ignoriert und nur in seltenen Fällen und dann sehr spät beantwortet.


Während von den Beamten des BMVIT Antworten, wenn überhaupt, nur schwierig zu
bekommen sind, ist im Gegensatz dazu bei den Vertretern von Landes-
Verkehrsbehörden ein offenes Ohr für die Anliegen behinderter Menschen
vorhanden. Experten der Landesbehörden, mit denen Vertreterinnen von
Selbsthilfeorganisationen behinderter Menschen gesprochen haben, waren sich der
Mängel des EKVO-Entwurfes zwar bewusst, haben aber auf den Zeitdruck aufgrund
der extrem langen Bearbeitungsdauer im BMVIT hingewiesen.

Aufgrund der Gesprächsverweigerung des BMVIT vor Ihrer Amtszeit war es schon
mehrmals notwendig, in Form parlamentarischer Anfragen auf die Gefährdung von
Leben und Gesundheit aller Menschen durch die Mängel des Entwurfes für eine
neue Eisenbahnkreuzungsverordnung sowie die Mängel der geltenden Fassung
hinzuweisen.

Da wir die bisher praktizierte anscheinende Sorglosigkeit des BMVIT zum
brennenden Thema Sicherheit auf Eisenbahnkreuzungen nicht verstehen können,
viel zu viele Todesopfer und viel zu viele verletzte Menschen jedes Jahr, sowie
aufgrund der unseres Erachtens absolut ineffizienten Mittelverwendung in diesem
Bereich hoffen wir bei Ihnen ausreichendes Interesse zu finden.

Bei der Verschwendung von Steuergeldern und der Verschwendung von Mitteln von

Bundesbetrieben kann der Rechnungshof Prüfungen durchführen und Empfehlungen

aussprechen.

Menschenleben und Menschenrechte haben noch keine so starke

Interessenvertretung wie den Rechnungshof. Menschen mit Behinderungen leiden

besonders unter dieser Schutzlosigkeit!

Im Betrachtungszeitraum 2000-2002 gab es 255 Unfälle auf Eisenbahnkreuzungen,
301 Menschen wurden verletzt und 63 getötet!

Sie sind seit 28.Februar 2003 für das Verkehrsressort verantwortlich, daher können
Ihnen Fehler und Versäumnisse im Eisenbahnbereich vor dieser Zeit nicht zum
Vorwurf gemacht werden.

Wir gehen davon aus, dass Sie die folgenden Fragen beantworten sowie endlich
annehmbare Vorgangsweisen des Ressorts durchsetzen werden, sodass hinkünftig
Fragen zu diesen Themen nicht mehr notwendig sein werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.1.  Geht die Ausgrenzung der Landesbehörden von der Veranstaltung am 9.9.2003
im BMVIT auf Ihre Weisung zurück oder wurde diese Entscheidung ohne Ihr
Wissen getroffen?


1.2.  Geht die Ausgrenzung der Vertreter der Selbsthilfeorganisationen behinderter
Menschen von der Veranstaltung am 9.9.2003 im BMVIT auf Ihre Weisung
zurück oder wurde diese Entscheidung ohne Ihr Wissen getroffen?

1.3.  Geht die Ausgrenzung innovativer Hersteller von Anlagen für die Sicherung von
Eisenbahnkreuzungen von der Veranstaltung am 9.9.2003 im BMVIT auf Ihre
Weisung zurück oder wurde diese Entscheidung ohne Ihr Wissen getroffen?

1.4. Aus welchen Gründen soll einzelnen Herstellern von Anlagen für die Sicherung
von Eisenbahnkreuzungen gegenüber den ausgegrenzten Firmen ein Wissens-
und damit Wettbewerbsvorteil verschafft werden?

1.5. Welchen Sinn hat die Geheimhaltungsstrategie in diesen Sicherheitsfragen,
oder soll hier nur auf Zeit gespielt werden?

1.6.  Ist es die offizielle Linie des BMVIT den Markt für Anlagen für die Sicherung von
Eisenbahnkreuzungen klein zu halten?

1.7.  In Österreich gab es 2002 laut der Statistik des Kuratoriums für

Verkehrssicherheit 17 Tote auf Eisenbahnkreuzungen, in Deutschland im
Vergleichszeitraum 72. Jeder einzelne Tote ist einer zu viel. Wie erklären Sie,
dass das Risiko unter Beachtung von Einwohnerzahl und Länge des
Streckennetzes in Österreich mehr als doppelt so groß ist wie in Deutschland -
und das unverändert seit vielen Jahren?

2.1.  Können Sie bestätigen, dass bei einer gemäß § 6 Eisenbahnkreuzungs-
verordnung, d.h. durch die Abgabe akustischer Signale "gesicherten"
Eisenbahnkreuzung die akustischen Signale immer und in dem der EKVO
zugrunde gelegten Ausmaß zu hören sind?

2.2.  Können Sie ausschließen dass es eine derartige durch Abgabe akustischer
Signale "gesicherte" Eisenbahnkreuzung gibt, bei der die Pfeifsignale nicht
hörbar sind?

2.3.  Wie kann ein hörbehinderter oder gehörloser Mensch eine gemäß § 6 durch
Abgabe akustischer Signale "gesicherte" Eisenbahnkreuzung erkennen, wenn
er sich auf sie zubewegt?
Weshalb wird diese bekannte Gefährdung noch immer in Kauf genommen?

2.4. Wie kann ein hörbehinderter Mensch, der ein KfZ lenkt, eine gemäß § 6 durch
Abgabe akustischer Signale "gesicherte" Eisenbahnkreuzung sicher
überqueren?

2.5. Wurden Sie von Ihren Beamten über diese Sicherheitsmängel der bestehenden
EKVO sowie der Neufassung informiert? Wenn ja, weshalb wird diese dem
BMVIT nachweislich bekannte Gefährdung noch immer in Kauf genommen?

2.6.  Wird diese dem BMVIT nachweislich bekannte Gefährdung bewußt in Kauf
genommen? Wenn ja, aus welchen Gründen?


2.7.  Im Zuge der (vom BMVIT mit der üblichen Verzögerung umgesetzten)
Liberalisierung des Schienenverkehrsmarktes fahren Lokomotiven mit
ausländischer Zulassung im österreichischen Netz. Eine Festlegung der Pfeif-
Lautstärke ist daher überfällig. Wie kann die Hörbarkeit von Pfeifsignalen
gemäß § 6 EKVO endlich gewährleistet werden, wenn es trotz wiederholter
Aufforderungen seit geraumer Zeit noch immer keine Regelung des BMVIT zur
Festlegung der Pfeif-Lautstärke gibt?

Wurden Sie oder Ihre Vorgänger auf diese gefährliche Sicherheitslücke von den
Beamten des BMVIT aufmerksam gemacht? Wenn ja, warum wurde diese
Gefährdung von Menschenleben noch weiter (bewusst) in Kauf genommen?

2.8. Weshalb wird die dem BMVIT schon sehr lange bekannte Gefährdung von
blinden und sehbehinderten Menschen sowie von Mobilitätsbehinderten
Menschen noch immer in Kauf genommen?

2.9.  Was werden Sie für die Sicherheit behinderter Menschen auf

Eisenbahnkreuzungen tun, bis wann wird Artikel VII B-VG auch im
Zusammenhang mit der EKVO eingehalten werden? (Termin)

2.10. Bis wann werden Sie die erforderliche Festlegung der Mindestlautstärke der
akustischen Signalen von Triebfahrzeugen endlich regeln?

2.11 .Wer trägt die persönliche Verantwortung für diese vermeidbaren, schon längst
zu lösenden Sicherheitsmängel der geltenden EKVO und die Sicherheitsmängel
der geplanten Neufassung?

3.1.  Interne Amtsentwürfe zur Neubetrachtung der Pfeifsignale gab es schon 1999,
im Februar 2001 wurde nach langer Vorbereitungszeit ein internes
Begutachtungsverfahren durchgeführt (GZ. 226.000/1-ll/C/152/01). Das
offizielle Begutachtungsverfahren wurde trotzdem erst im August 2001
eingeleitet. In dieses Begutachtungsverfahren waren immerhin 47 Stellen des
Bundes, der Länder sowie gesetzliche Interessensvertretungen eingeladen.
Jedenfalls wurde nicht allen betroffenen Organisationen Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben, obwohl dies auch ein Erlaß des BKA vorsieht.
Obwohl die Frist zur Stellungnahme sehr kurz gewählt wurde (9. November
2001) und trotz der konkreten Verbesserungsvorschläge auch seitens der (an
sich durch das BMVIT ausgegrenzten) Organisationen behinderter Menschen
zu den gefährlichen Mängeln des BMVIT-Entwurfes konnte dennoch die
Auswertung des Begutachtungsverfahrens noch immer nicht abgeschlossen
werden!

Aufgrund dieser bemerkenswert langen Bearbeitungsdauer im BMVIT nimmt
das BMVIT die Gefährdung von Menschen durch die dem BMVIT bekannten
Mängel der sehr, sehr alten Eisenbahnkreuzungsverordnung 1961 noch immer
in Kauf!

Dies wiegt umso schwerer, da in den mit ausgesandten Erläuterungen gleich
einleitend darauf hingewiesen wird, dass seit Inkrafttreten der EKVO im Jahr
1961 (!!!!) durch die technische Fortentwicklung der Straßenfahrzeuge
weitgehende Änderungen in den Gegebenheiten des Straßenverkehrs
eingetreten sind.


Obwohl die Behörde sogar selbst einräumen musste, dass die

Rahmenbedingungen für die EKVO längst überholt sind, hat man sich mit der

erforderlichen Anpassung unerträglich lang Zeit gelassen!

Wurden Sie von Ihren Beamten über die bisherige Vorgangsweise informiert,

welche Konsequenzen werden Sie aus der offenkundigen Erfolglosigkeit

ziehen?

3.2.  Bei einer gemäß § 8 Eisenbahnkreuzungsverordnung mit Schranken

gesicherten Eisenbahnkreuzung für eine Fahrgeschwindigkeit der Eisenbahn
von 60 km/h beträgt die Summe der Schaltstreckenlängen über 1 km (In
Worten: Über einen Kilometer!). Aufgrund der in Österreich auf Hauptbahnen
eingesetzten veralteten Technologie werden nun die Verkabelungen für diese
Anlagen kilometerweit eingegraben, anstatt wie in anderen Ländern und in
letzter Zeit vermehrt bei Neben- und Anschlußbahnen mit moderner
Sicherungstechnik offen verlegt zu werden. Durch dieses Kabel-Vergraben
entstehen enorme Kosten, die bei Einsatz moderner Technik vermeidbar wären.
Stimmt es, dass es bei der Mehrzahl der gemäß § 8 EKVO (Schranken)
gesicherten Eisenbahnkreuzungen der Großteil für die Kosten der Sicherung
aus dem "Kabel-Vergraben" resultiert?

3.3.    Wie viele zusätzliche Eisenbahnkreuzungen hätte man mit Schrankenanlagen
bei Einsatz moderner Technologie ohne "Kabel-Vergraben" mit den in den
letzten 4 Jahren vernichteten Mitteln sichern können?

3.4.    Wie viele Menschenleben hätten im Betrachtungszeitraum 2000-2002 gerettet
werden können (255 Unfälle auf Eisenbahnkreuzungen mit 301 Verletzten und
63 Getöteten!), wären zusätzliche Eisenbahnkreuzungen mit diesen durch
"Nicht-Vergraben" gesparten Mittel mit Schrankenanlagen versehen worden?

3.5.  EK-Sicherungsanlagen von Hauptbahnen werden nach wie vor auf die oben
beschriebene teuer-antiqierte Methode vorgenommen. Es fällt auf, dass sich bei
Nebenbahnen und Anschlussbahnen mit Eigenbetrieb seit Änderung der
Zuständigkeiten modernere und zugleich billigere Anlagen durchsetzen. Bis vor
etwa einem Jahr waren die Landesbehörden an den vom BMVIT sehr eng
vorgegebenen Rahmen gebunden, sowohl generell als auch im Einzelfall. Die
Landesbehörden hatten daher auch nicht den Spielraum, mögliche Fehler des
BMVIT ausgleichen zu können.

Können Sie einen Zusammenhang zwischen diesem technologischem
Fortschritt und der Kompetenzänderung verbindlich ausschließen?