902/J XXII. GP

Eingelangt am 14.10.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Maier, Dr. Jarolim , Parnigoni

und GenossInnen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend „Kinderschänder von Saalfelden - Unschuldiger tagelang verfolgt - Vermutlicher

Täter entkam - Erst nach zwei Monaten in Moldawien verhaftet!"

Am 22. September 2003 wurde über die Medien bekannt, dass der vermutliche
Kinderschänder von Saalfelden Andrei Mosei alias Andrei Tatarú in Moldawien verhaftet
wurde. In Österreich konnte allerdings dieser sich einer umfangreichen Fahndung durch vier
Bundesländer mit einem Großaufgebot von Exekutive, Hubschrauber etc. entziehen und
entkam zu Fuß bzw. mit dem Fahrrad nach Tschechien.

Die Vorgeschichte:

In der Nacht vom 2. Juli auf 3. Juli wurde in Saalfelden ein neunjähriges Kind in ihrem
Kinderzimmer durch einen Unbekannten vergewaltigt. Am Leintuch wurden Spermaspuren
des Täters sichergestellt. Diese Spermaspuren waren - wie sich erst knapp 2 Wochen später
herausstellte - mit dem DNS-Profil von Andrei Mosei (Moldawien) ident, der am 2
7. Jänner
2003 aus dem Gefängnis Orbes (Schweiz) ausgebrochen war.

Diesen verspäteten Erkenntnissen der Exekutive, denen zuletzt eine erfolglose Fahndung nach
dem Täter bis zur tschechischen Grenze folgte, ging vorher allerdings eine öffentliche
Hetzjagd und Fahndung nach einem Unschuldigen voraus:
Florian Koblbauer, zum Zeitpunkt der Tat Senner auf einer Hochalm, wurde in der
Öffentlichkeit als Kinderschänder („Bestie von Saalfelden") gebrandmarkt, verfolgt und dabei
unerklärlicherweise auch als „Obdachloser" bezeichnet. Defacto wurde er als schuldig und
überführt dargestellt. Die Unschuldsvermutung - die nach der österreichischen
Rechtsordnung, die für jeden Verdächtigen gilt - in dieser Berichterstattung nicht mehr
berücksichtigt. Ohne DNS-Analyse durch die Gerichtsmedizin Salzburg hätte er seine
Unschuld nur schwer beweisen können.

Drei Personen (Zeugen), denen nach der Tat ein Foto Koblbauers gezeigt wurde, erkannten

nach Presseberichten Koblbauer. Laut Sicherheitsdirektion Salzburg gab es Hinweise, dass er

sich zum Zeitpunkt der Tat in der Nähe des Hauses aufhielt, überdies stand er in Verdacht,

Einbrüche in der Gegend begangen zu haben. Koblbauer selbst war jedoch noch nie in

Saalfelden (SN 06.09.2003).

Ein Haftbefehl wegen dringenden Tatverdachts wurde durch die Exekutive beantragt und

erlassen.

Daraufhin wurde - ohne Vorliegen nur irgendeines Sachbeweises - aufgrund dieser drei
Zeugenaussagen und anderer haltloser Verdächtigungen auf Wunsch der Exekutive sein Foto
und sein voller Name in Tageszeitungen sowie im Fernsehen veröffentlicht und nach ihm
österreichweit gefahndet. Weiters stand er nach Ansicht der Exekutive in Verdacht zahlreiche
Einbrüche u.a. im Tiroler Unterland begangen zu haben. Ein Phantombild, das nach Angaben
des Opfers angefertigt wurde, wurde allerdings zu diesem Zeitpunkt von der Exekutive nicht


veröffentlicht. Auch das Foto Koblbauers wurde dem Opfer durch die Exekutive nicht
gezeigt. Das in den Medien veröffentlichte Foto von F. Koblbauer wurde dem Opfer
allerdings von ihrem Vater gezeigt. Dieses erkannte Koblbauer nicht. Trotz Vorhalt
gegenüber der Gendarmerie verblieben diese weiterhin beim dringenden Tatverdacht
gegenüber Florian Koblbauer!

Die Fahndung nach Florian Koblbauer dann lief in ganz Österreich, er selbst hörte am 3. Juli
auf der Alm im Radio, dass bundesweit nach ihm gefahndet wird. Für die Exekutive stand er
in dringendem Tatverdacht ein Verbrechen begangen zu haben. Nicht jedoch für die
Bauernfamilie für die er arbeitete, die zu ihm hielt und ihn versteckte.

Erst eine - allerdings durch die KA der Gendarmerie Salzburg zu spät in Auftrag gegebene -
DNS-Analyse bei der Spermienreste mit DNS-Material von Verwandten Koblbauers
abgeglichen wurden, erbrachten den absoluten Nachweis seiner Unschuld.

Aus Sicht der Fragesteller ist es daher unverständlich, wie bei diesem Verbrechen tatsächlich
durch die Kriminalabteilung konkret ermittelt wurde, worauf sich letztendlich der dringende
Tateverdacht gründete, sowie aufgrund welcher konkreten Beweis- und
Ermittlungsergebnissen eine Foto- und Filmfahndung in den Medien veranlasst wurde. Ob die
rechtlichen Voraussetzungen dafür nach dem SPG bzw. der StPO vorgelegen sind, ist mehr
als fraglich.

Auch der Vater der vergewaltigten Volksschülerin kritisierte in den Medien die Ermittler:
„Während er in Tirol gesucht wurde, gelangte er unbehelligt in die Steiermark. Die Fahnder
der Kriminalabteilung seien sich zu sicher gewesen, dass der erste Verdächtige der Täter sei.
Sie hätten zu wenig. Sie hätten zu wenig mit dem örtlichen Gendarmerieposten kooperiert.
Ein Phantombild, das die Kriminalabteilung nach Angaben des Opfers anfertigte, wurde erst
veröffentlicht, nachdem der erste Verdächtige als unschuldig ausgeschieden war. Vom
Phantombild habe der Posten Saalfelden zunächst nichts erfahren. Das Foto des ersten
Tatverdächtigen sei seiner Tochter nicht gezeigt worden. „Sie hat das Foto daheim in der
Zeitung gesehen, aber überhaupt nicht reagiert." Der Angestellte ist über die erfolglose Suche
verbittert; „Bei Radarstrafen wird einfach abkassiert..." (SN 1.August 2003).

In der Zwischenzeit hatte sich der vermutliche Täter in das Ennstal abgesetzt, wo er mit
grosser Wahrscheinlichkeit mehrere Einbrüche und Lebensmitteldiebstähle verübte.
Als am 15. Juli in Aigen im Ennstal eine Brieftasche mit dem Asylausweis des Armeniers
Wartan M. gefunden wurde und Ähnlichkeiten mit dem nun veröffentlichten Phantombild
festgestellt wurden, sowie zwei Zeugenaussagen vorlagen, wurde dieser zur Fahndung
ausgewiesen (Haftbefehl), ebenfalls zu Unrecht, wie sich am 18. Juli herausstellte. Auch
dessen Bild wurde zu Unrecht in den Medien veröffentlicht!

Der der Vergewaltigung verdächtige Moldawier konnte sich hingegen in das Mühlviertel
absetzen und trotz eines Großaufgebotes der Exekutive Hubschrauber und Wärmekameras der
Festnahme entgehen. Über Wochen narrte der Verdächtige die Exekutive, die österreichischen
Medien schrieben von einem Katz und Mausspiel sowie von Pleiten und Pannen bei der
Exekutive.

Aus Sicht der Fragesteller waren die Ermittlungen sowie die Fahndung nach Florian
Koblbauer rechtsstaatlich äusserst bedenklich. Man muss ohne weiters von einem
Ermittlingsskandal sprechen.


Die Veröffentlichung eines Fahndungsfotos durch die Exekutive - ohne konkreten
Sachbeweis - zeigt gleichzeitig überdies wieder einmal auf, wie schnell in Österreich ein
Unschuldiger in die Hände der Exekutive bzw. der Justiz geraten kann. Es sind daher viele
Fragen zu klären.

Herr Florian Koblbauer hat nun angekündigt, die Republik für erlittenes Unrecht und
Rufschädigung zu klagen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Inneres folgende

Anfrage

1.) Werden Sie sich als ressortzuständiger Bundesminister bei Herrn Florian Koblbauer
entschuldigen?

2.) Wenn ja, wann?

3.) Wenn nein, warum nicht?

4.) Werden Sie Herrn Florian Koblbauer bei der Durchsetzung seiner Ansprüche
gegenüber der Republik Österreich unterstützen? Wenn nein, warum nicht?

5.) Warum wurden Personen (Zeugen) nach der Tat in Saalfelden durch die Exekutive
gerade ein Foto von Florian Koblbauer gezeigt? Welche Veranlassungen gab es dazu?

6.) Stand Florian Koblbauer zu diesem Zeitpunkt (03.07.03) in Verdacht andere Straftaten
begangen zu haben?

6.1 Wenn ja, welche Straftaten soll er wann und wo begangen haben?

6.2 Welche Beweise - insbesondere Sachbeweise - für seine Täterschaft lagen zu
diesem Zeitpunkt der Exekutive vor? Gab es dafür jeweils Zeugen?

6.3 Wie ist der Stand der Ermittlungen hinsichtlich jener Straftaten, die Florian

Koblbauer von der Exekutive (zB KA; SID) im Rahmen des Haftbefehles bzw. der
Fahndung vorgeworfen wurden?

6.4 Wird bzw. kann der Verdacht bezüglich dieser Straftaten gegen Florian Koblbauer
aufrecht erhalten wurden? Wenn ja, warum?

6.5 Wenn nein, gegen welche Täter wird wegen dieser Taten zur Zeit ermittelt?

7.) Welche Sachbeweise wurden durch die Exekutive nach der Tat am Tatort

sichergestellt? Wann war dies (Ersuche um Bekanntgabe des Datums und der genauen
Uhrzeit)?


8.) Wie viele Zeugen wurden durch die Exekutive (Gendarmerie) nach der Straftat in
Saalfelden und Umgebung insgesamt befragt? Wann und wo erfolgten diese
Zeugenbefragungen? Wurden diese Befragungen durch die Gendarmerie vor Ort oder
durch die KA der Gendarmerie durchgeführt?

9.) Wie viele der befragten Personen erkannten angeblich Florian Koblbauer am Foto, wie
viele nicht?

10.) Wie lautete die konkrete Fragestellung der Exekutive an die einzelnen Zeugen?

11.)    Behaupteten diese Zeugen dabei auch, dass er sich zum Tatzeitpunkt in der Nähe des
      Hauses (Tatort) aufhielt? Was wurde durch die befragten Zeugen konkret behauptet?
Wie lautete jeweils die Antwort auf die Fragen?

12.)   Wann und wo erfolgten dann die persönlichen Einvernahmen von Zeugen, u. a. von
denen, die Florian Koblbauer angeblich erkannten, durch Beamte der
Kriminalabteilung der Gendarmerie (Ersuche um Bekanntgabe des Datums und der
Uhrzeit)?

13.)   Zu welchen Ergebnissen führten diese Einvernahmen?

14.)   Wenn nein, wie erfolgten die Einvernahmen dieser Zeugen durch die KA? Erfolgten
diese nur telefonisch und nicht in Form von persönlichen Einvernahmen?

15.)   Wann konnte zum ersten Mal das Opfer befragt werden? Welche Ergebnisse

hinsichtlich des Täters konnten konkret bei diesen Gesprächen durch die Exekutive
gewonnen werden?

16.)   Ist es richtig, dass durch die Exekutive nach Angaben des Opfers ein „Phantombild"
angefertigt wurde? Wann war dieses fertig (ersuche nun Datums- und Uhrzeitangabe)?

17.)   Wenn ja, warum wurde dieses nicht sofort veröffentlicht? Wann wurde es letztendlich
veröffentlicht (Ersuche um Datumsangabe und Uhrzeitangabe)?

18.)   Warum wurde dem Opfer durch die Exekutive kein Foto von Florian Koblbauer
gezeigt?

19.)   Warum wurde dem Vater des Opfers durch die Exekutive nicht geglaubt, der das Foto
von F. Koblbauer seiner Tochter zeigte und die ihn nicht erkannte?
Warum wurde dies bei den Ermittlungen bzw. der Fahndung nicht berücksichtigt?

20.)   Aufgrund welcher Rechtsgrundlage und unter welchen Vorraussetzungen kann in

Österreich durch die Exekutive bei aufrechtem Haftbefehl eine Fahndung unter voller
Namensangabe und mit Foto (das an Medien weitergeben wird) durchgeführt werden?
Welche Beweis- und sonstigen Ermittlungsergebnisse müssen dafür vorliegen?

21.)   Worauf gründete sich letztendlich der dringende Tatverdacht durch die Exekutive und
die Beantragung des Haftbefehls gegenüber Florian Koblbauer?


22.)     Wie viele Beamte der KA der Gendarmerie in Salzburg waren an den Ermittlungen
und der Fahndung gegen F. Koblbauer beteiligt?

23.)     Welcher Vorgesetzte in der KA hat die Ermittlungsergebnisse des verantwortlichen
Beamten gegengezeichnet und den Haftbefehl gegen F. Koblbauer beantragt bzw. die
Beantragung behördenintern genehmigt hat? Wie sah konkret behördenintern die
Vorgangsweise für Haftbefehl und Bildweitergabe aus?

24.)   Lagen im Fall Florian Koblbauer die faktischen Voraussetzungen (z. B.

Ermittlungsergebnisse) und die gesetzlichen Vorraussetzungen vor, die eine
Bildweitergabe an die Medien rechtfertigten?

25.)     Wer bzw. welche Behörde in Salzburg stellte das Ersuchen an die Medien Namen und
Foto zur Fahndung von Florian Koblbauer zu veröffentlichen? Wer genehmigte dies
innerhalb der Salzburger Exekutive bzw. Sicherheitsbehörde?
Wurde dadurch aus ihrer Sicht die Unschuldsvermutung verletzt?

26.)     Wann wurde die DNS-Analyse - die letztlich Koblbauers Unschuld bewies - bei der
Gerichtsmedizin Salzburg in Auftrag gegeben (Ersuche um Datums- und
Uhrzeitangabe)?

27.)   Wann lag das Ergebnis dieser DNS-Analyse vor (Ersuche um Datums- und
Uhrzeitangabe)?

28.)   Gab es jemals Zweifel an der Schuld des Verdächtigten Florian Koblbauer?

Wenn ja, warum wurden diese Zweifel durch die Exekutive nicht berücksichtigt?

29.)   Wann wurde der Haftbefehl gegenüber Florian Koblbauer zurückgezogen und die
Fahndung eingestellt (Ersuche um Datumsangabe und Uhrzeitangabe)?
Wann wurde dies der Öffentlichkeit (Medien) bekanntgegeben (Ersuche um Datums-
und Uhrzeitangabe)?

30.)   Wann wurde gegen den vermutlichen Täter Andrei Mosei ein internationaler
Haftbefehl beantragt und erlassen (Ersuche um Datumsangabe)?

31.)   Wie viele Einsatzstunden der Exekutive fielen bei der Fahndung nach dem

unschuldigen Florian Koblbauer an? Wie viele Beamte waren daran beteiligt? Wie
hoch waren die Gesamtkosten dieser unnötigen Fahndung nach F. Koblbauer?

32.)   Wie viele Einsatzstunden der Exekutive fielen bei der Fahndung nach dem

unschuldigen Wartan M. an? Wie viele Beamte waren daran beteiligt? Wie hoch
waren die Gesamtkosten dieser unnötigen Fahndung nach Wartan M.?

33.)   Lagen im Fall Wartan M., die faktischen Voraussetzungen (z.B.

Ermittlungsergebnisse) und die gesetzlichen Voraussetzungen vor, die eine
Bildweitergabe an die Medien rechtfertigten?

34.)   Wie viele Einsatzstunden der Exekutive fielen bei der Fahndung nach dem

Verdächtigen Andrei Mosei an? Wie viele Beamte waren daran beteiligt? Wie hoch
waren die Gesamtkosten dieser Fahndung?


35.)   Wie hoch waren insgesamt die Gesamtkosten (Personal sowie Sachaufwand etc.)
dieser erfolglosen Fahndung nach dem Täter von Saalfelden in Österreich insgesamt?
Wie viele Überstunden fielen bei der Exekutive an?

36.)   Wie wurde bzw. wird nun durch das BKA diese Fahndung bzw. die Ermittlungen
durch die KA der Gendarmerie gegenüber F. Koblbauer beurteilt? Zu welchen
konkreten Konsequenzen und Schlussfolgerungen führte dies? Gab es Erlässe?
Wenn ja, welche?

37.)   Welche Maßnahmen wurden seitens des Ressorts ergriffen, damit ein derartiger
Ermittlungsskandal für die Zukunft ausgeschlossen wird?

38.)   Welche Schlussfolgerungen ziehen sie als ressortzuständiger Bundesminister in
Anbetracht dieses Ermittlungsskandals für die Änderung des Vorverfahrens
(Strafprozessreformgesetz)?

39.)   Werden sie dabei dafür eintreten, dass eine öffentliche Fahndung d.h. mit

Namensnennung und Fotofahndung in den Medien von der Genehmigung durch den
ermittlungszuständigen Staatsanwalt abhängig gemacht wird?

40.)   Wenn nein, warum nicht?