940/J XXII. GP
Eingelangt am 22.10.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Jarolim
und GenossInnen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend die Reform der
Geschworenengerichtsbarkeit
In regelmäßigen Abständen werden die
Geschworenengerichtsbarkeit in Österreich kritisiert
und Vorschläge für deren Abschaffung dargeboten. Jüngst hat der Präsident des
Landesgerichtes für Strafsachen Günther Woratsch sich für die Abschaffung der
Geschworenengerichte ausgesprochen, unter anderem mit
dem Argument, dass „die
Fehleranfälligkeit einfach zu groß" sei.
Tatsache ist, dass es derzeit durchaus
gravierende Schwächen der
Geschworenengerichtsbarkeit gibt. Dieser Befund muss aber nicht zwangsläufig zu
einer
Beseitigung dieser Form der Laiengerichtsbarkeit aus der Rechtsordnung führen,
sondern viel
sinnvoller erscheint es, eine grundlegende Reform der
Geschworenengerichtsbarkeit
herbeizuführen. Es darf nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden.
Es soll nicht in Vergessenheit
geraten, dass die Laiengerichtsbarkeit eine der zentralen
Forderungen der Revolution von 1848 war und die Beteiligung
von Laien an der
Gerichtsbarkeit eine ganz wesentliche Voraussetzung für eine demokratische
Justiz in einem
demokratischen Rechtsstaat ist. Nicht umsonst geht der Trend derzeit
international dahin, dass
in Ländern ohne Geschworenengerichtsbarkeit diese (wieder)
eingeführt wird:
So haben jüngst erstmals seit ihrer
Abschaffung durch die Bolschewiken im Jahr 1917 in
Moskau Geschworenengerichte ihre Arbeit aufgenommen. Russische Juristen sehen
in diesen
Gerichten die Chance, willkürliche Urteile zu vermeiden und Anschluss an
internationale
Rechtsnormen zu finden.
In Japan haben Menschenrechtsgruppen seit
langem kritisiert, dass das bestehende System die
Staatsanwaltschaft begünstige und 99% aller Strafverfahren in Japan mit einem
Schuldspruch
enden. Jetzt plant man, bei schweren Delikten Geschworenengerichte einzuführen.
Nach
Kabinettsminister Yasuo Fukuda sei das Ziel der Justizreform (die auch andere
Punkte
umfasst), ein Justizsystem zu schaffen,
dem die Bevölkerung und die internationale
Gemeinschaft vertrauen können.
In Österreich sollte die Devise lauten:
Eine bessere Geschworenengerichtsbarkeit, nicht die
Beseitigung derselben.
Folgende Punkte sollten bei der
geplanten Reform berücksichtigt werden:
Bessere Auswahl der Geschworenen:
Univ.Prof. Bertel schreibt im
„Grundriss des österreichischen Strafprozessrechts" über
Schöffen und Geschworene, „manchmal sind es Menschen von
bescheidenen Kenntnissen
und Fähigkeiten".
Schöffen und Geschworene könnten eine
größere Rolle spielen, wenn sie besser ausgewählt
würden.
Es sollten deshalb Möglichkeiten
geschaffen werden, unqualifizierte Personen auszuscheiden.
Dazu sollte jedenfalls sowohl der Staatsanwaltschaft wie auch der Verteidigung
die
Möglichkeit eingeräumt werden, eine gewisse Anzahl von
Geschworenen ablehnen zu
können. Es soll sichergestellt werden, dass auch Personen
mit höherem Bildungsgrad bzw.
aus qualifizierteren Berufen in ausreichendem Maße
heranzogen werden.
(Bessere)
Ausbildung der Geschworenen:
Es sollte einen obligatorischen Kurs
mit rechtlicher und faktischer Belehrung über Pflichten
und Aufgaben von Geschworenen geben. Dieser Kurs sollte
von Fachleuten gehalten werden,
die selbst nicht prozessbeteiligt sind. Für den
Kursleiter sollte die Möglichkeit bestehen, nach
Ende des Kurses Personen, die offensichtlich der Aufgabe
nicht gewachsen sind, von der
Geschworenengerichtsbarkeit auszuschließen. Selbstverständlich müsste für den
deutlich
erhöhten Aufwand auch für die Geschworenen der Aspekt
der finanziellen Entschädigung
ausreichend berücksichtigt werden.
Öffentlichkeit
der Rechtsbelehrung:
Die Rechtsbelehrung der acht
Laienrichter vor der Urteilsberatung durch den Vorsitzenden
Berufsrichter soll künftig öffentlich sein, insbesondere sollen Verteidigung
und Anklage bei
der Stellung der Fragen an die Geschworenen anwesend sein und die Möglichkeit
eines
Rechtsmittels gegen den Inhalt der Rechtsbelehrung sowie gegen die Formulierung
der
Fragen haben.
Erhöhte
Mehrheit für den Wahrspruch der Geschworenen:
Derzeit reicht für die Verurteilung
eines Angeklagten eine Mehrheit von 5:3 der
Geschworenen. In den USA beispielsweise ist Einstimmigkeit erforderlich.
Künftig sollte eine
qualifizierte Mehrheit von 6:2 für eine Verurteilung erforderlich sein.
Schriftliche
Begründungspflicht des Urteils:
Derzeit werden die Wahrsprüche der
Geschworenen gar nicht begründet, was ihre Anfechtung
außerordentlich erschwert bzw. in der Beweiswürdigung verunmöglicht.
Auf Basis des neuen Auswahlmodus der Geschworenen und der Ausbildung derselben
sollte
der Vorsitzende der Geschworenen künftig verpflichtet
sein, auch eine (kurzgefasste)
schriftliche Begründung des Urteils zu liefern.
Eine gründlich reorganisierte
Geschworenengerichtsbarkeit würde mit dazu beitragen, den
Einfluss der Laien in der Strafgerichtsbarkeit als ein positives Element der
Strafrechtspflege
zu begreifen.
Der Bundesminister für Justiz hat laut
Standard vom 27. September 2003 zur
gegenständlichen Forderung von Präsident Woratsch gemeint: „Eine gänzliche
Beseitigung
kann ich mir nicht vorstellen." Auch eine Reaktion, die den Laienrichtern
„keine Chance für
eigenständige Überlegungen" mehr lässt, lehnt der Minister laut genanntem
Medienartikel ab.
Laut Tageszeitung „Die Presse" vom
27. September 2003 ist Justizminister Dr. Böhmdorfer
zwar „vorsichtig für die Beibehaltung der Geschworenengerichtsbarkeit",
kann sich aber auch
eine Ablöse der Geschworenen durch „erweiterte Schöffensenate" vorstellen.
Es ist von wesentlichem Interesse,
welche Position der Bundesminister für Justiz zur
Geschworenengerichtsbarkeit und einer grundlegenden
Reform derselben einnimmt.
Die unterzeichneten Abgeordneten
richten daher an den Bundesminister für Justiz
nachstehende
Anfrage:
1. Wie ist Ihre
dezitierte Position zur Forderung nach Abschaffung der
Geschworenengerichtsbarkeit in Österreich?
2. Halten Sie eine
grundlegende Reform der Geschworenengerichtsbarkeit für notwendig
und wenn ja in welche Richtung?
3. Können Sie sich ein besseres
Verfahren bei der Auswahl der Geschworenen
dahingehend vorstellen, dass
unqualifizierte Personen in deutlich höherem Maß - als
dies vergleichsweise nach der gegebenen Rechtslage möglich ist - bei der Auswahl
als
Geschworene ausgeschieden werden.
4. Was halten Sie
von der Möglichkeit, dass sowohl der Staatsanwaltschaft wie auch der
Verteidigung die Möglichkeit eingeräumt
werde, eine gewisse Anzahl von
Geschworenen ablehnen zu können?
5. Können Sie sich
eine bessere Ausbildung der Geschworenen vorstellen und wenn ja, in
welche Richtung?
6. Was halten Sie
von einem ausführlichen obligatorischen Kurs für Geschworene mit
rechtlicher und faktischer Belehrung über Pflichten und Aufgaben von
Geschworenen,
wobei dieser Kurs von Fachleuten gehalten werden soll, die selbst nicht
prozessbeteiligt
sind?
7. Wie stehen Sie
dazu, dass ein deutlich erhöhter Aufwand für die Geschworenen sich
notwendigerweise auch in einer gewissen Kostenbelastung für die Justiz
niederschlagen
würde?
8. Wie stehen Sie zur Forderung der
Öffentlichkeit der Rechtsbelehrung der acht
Laienrichter vor der Urteilsberatung und insbesondere zur
Forderung, dass Verteidigung
und Anklage bei dieser öffentlichen Rechtsbelehrung die Möglichkeit eines
Rechtsmittels gegen den Inhalt der
Rechtsbelehrung sowie gegen die Formulierung der
Fragen haben sollen?
9. Wie stehen Sie zur
erhöhten Mehrheit für den Wahrspruch der Geschworenen, (wonach
für eine Verurteilung eine qualifizierte Mehrheit von 6:2 erforderlich sein
soll)?
10. Sehen Sie die Möglichkeit, dass auf Basis eines
neuen Auswahlmodus der
Geschworenen und einer besseren
Ausbildung der Vorsitzende der Geschworenen
künftig verpflichtet sein sollte eine (kurz gefasste)
schriftliche Begründung des Urteils
zu liefern?