971/J XXII. GP
Eingelangt am 23.10.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
der
Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend
Aspekte des Ausschreibungsverfahrens und der
Verwertungsentscheidung über die bundeseigenen Wohnbaugesellschaften
Nachdem
die Bewerbungsfrist für den Kauf der bundeseigenen
Wohnbaugesellschaften abgelaufen ist und an die 50 Interessenten Angebote
legen,
gilt es einige Details klarzustellen. Wie der Ausschreibung der Wiener Zeitung
vom
1.9.2003 zu entnehmen ist, soll der Privatisierungsprozess „im Wege eines
transparenten und strukturierten Bieterverfahrens, welches nicht dem
österreichischen Vergaberecht unterliegt" erfolgen. Anstelle einer
direkten
Veräußerung der Geschäftsanteile" könne auch eine andere
„Veräußerungsstruktur"
gewählt werden. Der Verkauf könne auch gestoppt
werden, um eine „Verbriefung zu
realisieren".
Laut
Beschluss der Regierungsmehrheit liegt die Entscheidung, in welcher Form und
an wen verkauft wird, allein beim Bundesminister für Finanzen. Für den Verkauf
wurde ein Ausschreibungsverfahren eröffnet, für die Abwicklung der
Verbriefungsvariante ist allein das Bankhaus Lehman Brothers zuständig, das
auch
die Konzepte für verschiedene Verwertungsmöglichkeiten entwickelt, vorschlägt
und
dafür entsprechende Honorare erhält. Sollte die Kaufsumme der Bieter unter den
Erwartungen liegen, kommt die Verbriefung zum Zug. Dies bedeutet, dass die
Nettomieteinnahmen an einen Trust mittels Sekurisationsverfahren für ev. 30
Jahre
verkauft werden. Dieser kann sich am Kapitalmarkt durch die Auflage von
Anleihen
refinanzieren. Dabei erhält die mit der Abwicklung betraute Investmentbank ein
jährliches Honorar von einem Prozent des Mietvolumens. Somit wäre im Fall einer
Verbriefung einerseits Lehman Brothers ohne Ausschreibung bei der
Verbriefungsvariante Jahre hindurch der Nutznießer einer lukrativen
Transaktion.
Andererseits würden die Wohnbaugesellschaften im Besitz des Bundes bis zu
einigen Jahrzehnten über keinerlei Kapital verfügen und zum reinen
Verwaltungsskelett degenerieren. Statt Dividenden und Rücklagenauflösungen zu
Gunsten des Bundesbudgets würde ein fragwürdiger Einmalerlös zum Zweck der
von ihnen angestrebte Schuldentilgung fließen. Dazu vermerkte der Rechnungshof
im jüngsten Wahrnehmungsbericht: „Eine
Veräußerung wäre dann wirtschaftlich,
wenn die sich aus der geringeren Staatsverschuldung ergebende
Zinsersparnis
höher wäre als der Einnahmeausfall des Staates aus den abgeführten Gewinnen
seiner Wohnbaugesellschaften."
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Zu
welchem Zeitpunkt brachte die Investmentbank Lehman Brothers die
Verbriefungsvariante ins Gespräch?
2. Die
Ergebnisse der Vergabeverfahren für den Auslober wurden in einer
Niederschrift festgehalten. Wie groß ist die Preisdifferenz zwischen dem
Billigst- und dem Bestbieter? Welche Zuschlagskriterien, die im Vorfeld bekannt
zu geben sind, erfüllte der Billigstbieter nicht?
3. Wie
lautet die Beauftragung bzw. der Vertrag mit Lehman Brothers konkret,
Leistungsumfang, womit wurde beauftragt, was davon ist auszuschreiben?
4. Nahm
der Rechungshof bereits Einsicht in diesen Vertrag, der ihm laut 702AB
übermittelt wurde? Wenn nein, warum nicht? Welche Stellungnahme gab er?
5. Wie kann ein transparentes Bieterverfahren gewährleistet werden?
6. Welches
Vergaberecht, wenn nicht das österreichische, wird dem
Bieterverfahren zugrundegelegt werden?
7. Welche
Personen (Namen) treffen die Entscheidung über die Variante, wie die
Gesellschaften verwertet werden sollen, wer den Zuschlag erhält bzw. an wen
verkauft wird?
8. Warum wurde die Verbriefungsvariante nicht ausgeschrieben?
9. Widerspricht
diese freihändige Vergabe der Verbriefungsvariante nicht der von
ihnen angestrebten Erlösmaximierung?
10. Unter
welchen Bedingungen wird anstelle einer direkten Veräußerung der
Geschäftsanteile das Sekurisationsverfahren (die Verbriefung) gewählt?
11. Wie wird hierbei Transparenz gewährleistet?
12. Die generelle Steuerbefreiung der Verwertung der bundeseigenen
Wohnbaugesellschaften ist verfassungsmäßig anfechtbar, da
die Befreiung von
der Grunderwerbssteuer nicht sachlich gerechtfertigt ist und die Gemeinden um
Ertragsanteile gebracht werden. Ihr Hinweis, dass dies bereits früher Praxis
gewesen sei („eine Praxis, die bei derartigen Transaktionen auch von
Vorgängerbundesregierungen geübt wurde, wie z.B. beim Bundesgesetz über
die Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG, BGBI. I,
Nr. 87/1998" 703AB), erscheint insofern irrelevant, da es sich dabei um
eine
Bundessteuer (Börsensteuer) handelte, die allein dem Bund zugute kam.
Werden Sie angesichts dieser Tatsache, den betroffenen Gemeinden/Städten
die
Grunderwerbssteuer zugestehen?