1038/J XXII. GP

Eingelangt am 07.11.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

ANFRAGE

der Abgeordneten Rest-Hinterseer, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend WTO-Agrarverhandlungen in Cancún

Auf der Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Cancún haben sich die
Entwicklungsländer geweigert, sich den Handelsinteressen der EU und der USA
anzupassen. Am letzten Tag sind die Verhandlungen ohne neuen Vertragstext
geplatzt.

Im Vorfeld hatten die USA und die EU sich auf einen gemeinsamen Text für die
Agrarverhandlungen geeinigt. Als der Verhandlungsleiter Stuart Harbinson daraufhin
ankündigte, seinen eigenen Vorschlag zugunsten des EU/US-Vorschlages
zurückzuziehen, reagierte ein Teil der Entwicklungsländer („G-21+") mit
Gegenvorschlägen.

Am 13. September 2003 wartete dann der Konferenzvorsitzende Derbez mit einem
neuen Vorschlag auf und verursachte Aufruhr und Fassungslosigkeit. Darin wurden
die Anliegen der Entwicklungsländer vollkommen ignoriert. In keinem der vorher
vorgelegten Texte für einen neuen Agrarvertrag wurden so weitgehende
Marktöffnungsforderungen an die Entwicklungsländer gerichtet wie in diesem
Vorschlag. Gleichzeitig wurden den Industrieländern zusätzliche Ausnahmen bei der
Marktöffnung für Produkte in Aussicht gestellt. Die als Übergangslösung gedachten
Subventionen der „Blue Box" sollten verlängert und nicht abgeschafft werden, wie
von den Entwicklungsländern gefordert. Auch bei den Exportsubventionen war die
Abschaffung nur für einige wenige Produkte, die für Entwicklungsländer von
Interesse sind, vorgesehen. Weiters sollte „Friedensklausel" verlängert werden, die
die Subventionspraxis der Industrieländer im Agrarbereich vor Klagen beim WTO-
Schiedsgericht schützt. Für die Ernährungssicherung und den Schutz der
kleinbäuerlichen Produktion waren kaum Schutzinstrumente vorgesehen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.     Wie ist der Text, den der Konferenzvorsitzende Derbez präsentierte, zustande
gekommen?

2.     Wie   beurteilen   Sie,   dass   sich   die   EU   und   die   USA   im   Vorfeld   der
Verhandlungen  auf einen  gemeinsamen  Text für die Agrarverhandlungen


geeinigt hatten? Waren Sie in diese Verhandlungen eingebunden und was war
Ihre Position?

3.     Wie beurteilen Sie den gemeinsamen Vorschlag der USA und EU inhaltlich?

4.    In welchen wesentlichen Punkten ist die EU von der ursprünglichen Position im
Agrarbereich abgegangen und mit welcher Begründung?

5.   Wurde im gemeinsamen Text der EU und USA auf das Verhältnis zwischen
multilateralen Umweltabkommen (MEAs) und den WTO-Bestimmungen
eingegangen? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, wie ist das zu
rechtfertigen, nachdem Sie in der Anfragebeantwortung 358/AB vom 26-06-
2003 anführen, Österreich habe sich zusammen mit der EU stets für die
Gleichrangigkeit der Regelungen in beiden Bereichen ausgesprochen und
werde auch weiterhin an dieser Position festhalten?

6.  Inwiefern wurde im gemeinsamen Text EU/USA auf folgende Aspekte
eingegangen: Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung, Umweltschutz,
Lebensfähigkeit des ländlichen Raumes, Armutsbekämpfung,
Lebensmittelsicherheit und Vorsorgprinzip, Schutz der Verbraucherinnen-
Interessen durch Kennzeichnung, Tierschutz, biologische Vielfalt,
Katastrophenschutz und Erhaltung traditioneller Werte?

7.   Durch welche Maßnahmen wollen Sie nicht handelsbezogene Maßnahmen wie
Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelqualität und Tierschutz
auf WTO-Ebene absichern?

8.   War die Anerkennung des Vorsorgeprinzips auf WTO-Ebene bei der Konferenz
in Cancun ein Verhandlungsthema? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein,
was werden Sie unternehmen, um im WTO-Abkommen eine allgemeine
Anerkennung des Vorsorgeprinzips zu erreichen?

9.  Die Forderungen der größten Gruppe ärmerer Entwicklungsländer, vor allem
aus Afrika, blieben weitgehend unbeachtet. Diese verlangten u.a.
Schutzmaßnahmen der Entwicklungsländer gegen Dumping. Standen diese
Forderungen auf der Tagesordnung der WTO-Regierungskonferenz und in
welcher Weise wurden sie berücksichtigt?

10.  Was werden Sie dazu beitragen, dass es zu fairen multilateralen Regeln im
Agrarbereich kommt?

11.  Setzen Sie sich für die Verlängerung der „Friedensklausel" ein, die die gängige
handelsverzerrende Subventionspraxis der Industrieländer im Agrarbereich vor
den Klagen der Entwicklungsländer beim WTO-Schiedsgericht schützt? Wenn
ja, inwiefern halten Sie eine Verlängerung für gerechtfertigt?

12.  Unterstützen Sie die Weltmarkt-Orientierung der EU im Agrarbereich und wenn
ja, warum?


13. Welche Position vertreten Sie hinsichtlich der Ausfuhrsubventionen von
landwirtschaftlichen Produkten und wie rechtfertigen Sie diese Dumping-Politik
zulasten Bäuerinnen und Bauern in den Entwicklungsländern?

14. Welchen Beitrag leisten Sie, damit im Norden und im Süden soziale und
ökologische Anforderungen an die Agrarpolitik berücksichtigt werden
(Entwicklungs- und Umweltverträglichkeit der Agrarpolitik)?

15.  Welche Maßnahmen zur Umgestaltung des WTO-Agrarabkommens schlagen
Sie im Hinblick auf das Ergebnis des letzten Welternährungsgipfels der FAO
(„Allianz gegen den Hunger") vor, damit es zur Reduzierung von Armut und
Hunger in den Entwicklungsländern kommt?

16. In welcher Form könnte das Menschenrecht auf Nahrung im WTO-
Agrarabkommen verankert werden?

17.  Werden Sie sich in Anbetracht der Klage der USA vor der WTO weiterhin für
die Aufrechterhaltung des EU-Moratoriums auf Neuzulassungen von GVO
einsetzen? Wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie ergreifen?

18. Was unternehmen Sie bzw. die österreichische Bundesregierung, damit die
WTO-Abkommen mit den Bestimmungen der internationalen Übereinkommen
im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), der Konvention über
die biologische Vielfalt (CBD), dem Entwicklungsprogramm der Vereinten
Nationen (UNDP), dem Umweltprogramm der VN (UNEP), dem WSK-Pakt für
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie der Ernährungs- und
Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Einklang gebracht
werden?

19. Was unternehmen Sie, damit die Bäuerinnen und Bauern aufbewahrtes
Saatgut ohne Einschränkung durch Patente oder andere vertragliche
Beschränkungen wiederverwenden können (Sicherstellung der Farmers'
Rights)?

20.  Was unternehmen Sie, damit Tiere, Pflanzen oder Teile von diesen von der
Möglichkeit der Patentierung ausgenommen werden?

21. Welches Procedere ist für die weiteren Verhandlungen im Agrarbereich
vorgesehen (insbesondere auch im Hinblick auf die „Friedensklausel")?

22. Die Verhandlungen werden im Dezember in Genf wieder aufgenommen.
Inwiefern werden das Parlament und die Zivilgesellschaft über die neuesten
Entwicklungen informiert bzw. wie werden sie eingebunden?