1039/J XXII. GP
Eingelangt am 12.11.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Cap, Parnigoni
und GenossInnen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Versagen des Innenministers bei der Kriminalitätsbekämpfung und Zerschlagung
des österreichischen Sicherheitssystemes
Österreich gehörte durch Jahrzehnte zu
den sichersten Staaten der Welt. Eine
hervorragend ausgebildete und motivierte Sicherheitsexekutive sorgte dafür,
dass die Bürger
in der Nacht ruhig schlafen konnten und ausländische Besucher darüber staunten,
wie
unbesorgt man sich hier fühlen konnte. Dieses Sicherheitsgefühl, das einen
wesentlichen Teil
der Lebensqualität in diesem Land und auch der Attraktivität Österreichs als
Wirtschaftsstandort ausmachte, bestand nicht nur subjektiv bei allen Menschen,
die hier
leben, sondern war auch objektiv nachweisbar: In allen Statistiken und
internationalen
Vergleichen lag Österreich stets an der Spitze. Diese Spitze konnte nur durch
ständige
Bemühungen
und Reformen gehalten werden, die natürlich auch etwas kosteten. Auf diese
Weise konnten auch die neuen Herausforderungen in der Bekämpfung der
Kriminalität
bewältigt werden, die sich nach dem Fall des Eisernen Vorhanges in den 90er
Jahren ergaben.
Trotz
geöffneter Grenzen konnte die Kriminalität durch vereinte Anstrengungen der
Politik
und der Sicherheitskräfte rasch wieder auf unter 500.000 Straftaten pro Jahr
gedrückt werden.
Seit dem Jahr 2000,
dem Amtsantritt der schwarz-blauen Bundesregierung, hat sich dies
drastisch
geändert. Der Sicherheitsbericht für das Jahr 2002 weist wie für das
vorangegangene
Jahr eine stark gestiegene Kriminalität in Österreich aus. Es wurden fast
600.000 Straftaten
registriert,
eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 13,6 %. Im Vergleich dazu wurden
1999, dem letzten Jahr mit einem sozialdemokratischen Innenminister, weniger
als 500.000
Straftaten
registriert. Seit dem Amtsantritt von Ernst Strasser ist also die Kriminalität
in
Österreich
um fast 20% gestiegen. Besonders betroffen von dieser Negativentwicklung sind
die Wienerinnen und Wiener: Seit 1999 hat es in der Bundeshauptstadt einen
dramatischen
Anstieg
der Delikte gegen fremdes Vermögen gegeben.
Die innere Sicherheit
und die Bekämpfung der Kriminalität zählen aber zu den
zentralen Aufgaben des Staates und den Hauptaufgaben eines Innenministers.
Ernst Strasser
hätte dafür zu sorgen, dass die Menschen in diesem Land in Sicherheit leben und
sich auch
sicher fühlen können. Der Sicherheitsapparat, den
Strasser übernommen hat, hat
jahrzehntelang dafür gesorgt, dass Österreich das sicherste Land der Welt war.
Die Politik
Strassers hat leider dazu geführt, dass sich das drastisch geändert hat. Im
internationalen
Vergleich gibt die sogenannte „Häufigkeitszahl" Aufschluss über die
Kriminalitätsbelastung
in den einzelnen Staaten. Hier liegt Österreich mit 7.274 Straftaten pro
100.000 Einwohner
deutlich hinter Ländern wie der Schweiz (5.865), Portugal (3.781), aber auch
EU-
Erweiterungsstaaten wie Polen (3.634) und Ungarn (4.144). Lediglich in
Deutschland ist die
Häufigkeitszahl und damit die Kriminalität etwas höher (7.893), hier wurde aber
bereits
einiges
getan, um diesen Trend umzukehren (So werden beispielsweise in Bayern l .400
neue
Sicherheitsbeamte
eingestellt).
Nun steht der oben erwähnten
Steigerung der Kriminalität um 20% bei der Gesamtzahl
der
strafbaren Delikte seit 1999 laut den Sicherheitsberichten für 1999 und 2002
auch eine um
20% gesunkene Aufklärungsquote gegenüber. Das heißt, es steigt nicht nur die
Zahl der
Delikte, sondern auch die Zahl der ungeklärten Fälle. Insofern sind Strassers
Zahlenspiele
(wie
zuletzt in der Pressestunde am 9. November) mit einer angeblich steigenden
Aufklärung
eine Verdrehung der Wahrheit. Die unaufgeklärten Fälle z.B. in Wien im Bereich
der
strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen sind von 72.486 Fällen im Jahr 1999
auf
139.052 Fälle im Jahr 2002 gestiegen, haben sich also fast verdoppelt. In
Prozenten
ausgedrückt: Die Aufklärungsquote hat sich in Wien von 34,9% 1999 auf 17,14%
halbiert.
Auf Bundesebene, wo seit 1999 eine Steigerung um 28% in dieser Deliktsgruppe zu
beobachten ist, ist die Aufklärungsquote in diesem Bereich im selben Zeitraum
um 29%
gesunken.
Die mittlerweile für
2003 bekannt gewordenen Zahlen zeigen, dass eine Verbesserung
der
Situation nicht in Sicht ist. Schon jetzt ist klar, dass im Bereich der
Eigentumskriminalität
eine
weitere Steigerung der Deliktszahl gegenüber 2002 von mindestens 13% zu
erwarten ist.
Bei Diebstahl, Einbruchsdiebstahl und bei der Straßenraubkriminalität werden
die Zuwächse
noch
beträchtlicher sein. Wieder hat Wien dank Strasser den unrühmlichen ersten
Platz:
Allein
in den ersten neun Monaten dieses Jahres gab es in Wien um 30% mehr Diebstähle
als
im
Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auf diese Zahlen angesprochen - so wie in der
Pressestunde am Sonntag - nennt der Minister Phantasiezahlen von gestiegener
Aufklärung
und bedient sich dabei eines Zahlentricks. Es ist aber klar, dass in absoluten
Zahlen bei
gestiegener Deliktshäufigkeit auch die ausgeforschten Tatverdächtigen steigen.
Mit anderen
Worten: In einem vollen Teich ist leicht Fischen. Aussagekräftig ist aber in
dem
Zusammenhang
lediglich die Aufklärungsquote und die wird auch im Jahr 2003 weiter
sinken.
Für die Wienerinnen und Wiener ebenfalls spürbar: Mehr als 24.000 zusätzliche
Fälle,
die
nicht aufgeklärt wurden.
Diese Zahlen machen
deutlich, dass Minister Strasser der Aufrechterhaltung der inneren
Sicherheit
keine prioritäre Bedeutung in seinem Handeln eingeräumt haben kann. Das einst
sicherste
Land der Welt mit der höchsten Aufklärungsquote von strafbaren Delikten ist auf
dem
besten Weg, in die Mittelmäßigkeit abzusinken bzw. innerhalb der EU auch hier
vom
Spitzenvertreter zum Schlusslicht zu werden.
In Anbetracht der
Änderungen im Melde- und Fundwesen und der Auslagerung des
verkehrsrechtlichen
Zulassungswesens an die Versicherungen, erhebt sich die Frage, wie
Strasser die dadurch frei werdenden Kapazitäten genutzt hat. Durch den Wegfall
dieser
Aufgaben hätte eine Konzentration auf die Kernbereiche der inneren Sicherheit
erfolgen
können. Minister Strasser hat aber seine bisherige Amtszeit hauptsächlich damit
verbracht,
politisch
motivierte Versetzungen und Besetzungen im Innenministerium durchzuführen, um
seine
Parteigänger in hohe Positionen zu bringen. Dazu hat er unzählige
hochqualifizierte
Beamte
versetzt oder in den Ruhestand geschickt, ohne auf die Aufrechterhaltung der
hohen
Qualität der Arbeit der Beamten des Ministeriums zu achten. Wertvolles Know-How
wurde
von
Strasser nicht genützt oder vertrieben. Diese Vorgangsweise hat der Effizienz
und der
Produktivität des Innenministeriums geschadet und ist eine der Hauptursachen
für die
abnehmende
Leistung des Staates im Bereich der inneren Sicherheit. Noch dazu zeigt sich
jetzt,
dass ein Großteil der von den Betroffenen angefochtenen Versetzungen
rechtswidrig
gewesen sein dürfte. Damit hat Strassers „Personalpolitik" nicht nur keine
Verbesserungen
gebracht,
sondern dürfte auch noch eine Menge Geld kosten, weil seine fragwürdigen
Entscheidungen nun korrigiert und den Betroffenen adäquate Arbeitsplätze
angeboten werden
müssen. Im Gegensatz zu seinen Behauptungen in der Pressestunde am 9.11. wurden
nämlich
die
von ihm angeordneten Versetzungen als rechtswidrig, weil unsachlich und
willkürlich,
erkannt.
Die parteipolitisch
motivierte Personalpolitik ist aber bei weitem nicht die einzige
Facette der verfehlten Politik Strassers, die zu einer Gefährdung der inneren
Sicherheit
geführt
hat. Ohne Plan und ohne Sinn wurden an allen Ecken und Enden Kürzungen
durchgezogen,
die dazu führten, dass es nun deutlich weniger Planstellen gibt (die
systemisierten Planstellen wurden nach uns vorliegenden Informationen seit l
.7.1999 bis
l .7.2002 von Minister Strasser um l .357 reduziert, bis Mitte 2004 ist von
einer weiteren
Reduktion um ca. 700 Stellen auszugehen, von den verbliebenen sind noch dazu
derzeit allein
im
Bereich der Sicherheitswache und den Kriminalbeamten 328 unbesetzt). Die
Überstunden
wurden drastisch reduziert und die Fahrzeuge der Exekutive (von denen es zum
Stand
l. l .2003 um 225 weniger gab als zum Stand l. l .2000) sind zum Teil in einem
erbärmlichen
Zustand. Salzburger Gendarmen klagten kürzlich, sie
müssten Verkehrsteilnehmer wegen
technischer
Mängel ihrer Fahrzeuge bestrafen und säßen selber in weitaus desolateren Autos.
Auf die
Personalkürzungen und die nicht besetzten Planstellen angesprochen, weicht
Strasser regelmäßig aus und behauptet, dass durch Einsparungen in der
Verwaltung nunmehr
mehr Beamte auf der Straße ihren Dienst versähen. Diesen Behauptungen wird von
den
zuständigen Personalvertretern und den Experten massivst widersprochen. Diese
Anfrage hat
daher auch die Aufgabe, Bundesminister Strasser zur Beantwortung dieser Fragen
nach den
genauen
Zahlen anhand besetzter Planstellen das erste mal unter Wahrheitspflicht vor
dem
Nationalrat zu zwingen. Weicht er dem aus, ist klar, was das zu bedeuten hat.
Der österreichischen
Bevölkerung fallt nämlich im Gegensatz zu Strassers
Behauptungen auf, dass Wachzimmer und Gendarmerieposten geschlossen wurden,
gewisse
Posten
gerade in der Nacht nicht mehr besetzt sind und die Präsenz der Exekutivorgane
auf
der
Straße oder bei Verkehrskontrollen dramatisch gesunken ist.
Verstärkt wird
dieser Trend auch durch die Frühpensionierungsregelung der
Bundesregierung, die dazu führt, dass trotz massiver Pensionsabschläge hunderte
Exekutivbeamte in die Frühpension flüchten. Diese Zahlen machen auch das Klima
deutlich,
welches
bei den Bediensteten des Innenministeriums herrscht: Angst vor willkürlichen
Versetzungen,
Frustration über permanente Organisationsänderungen, die hauptsächlich
parteipolitisch
motivierte Zielsetzungen verfolgen, aber nicht die Stärkung der inneren
Sicherheit Österreichs im Auge haben und ein generell schlechtes Arbeitsklima,
weil die
Arbeitsbedingungen
so verschlechtert wurden.
Für eine rasche
Besetzung der freistehenden Planstellen, um die Sicherheitssituation in
Österreich zu verbessern, ist es unabdingbar notwendig, dass gut ausgebildete
Polizeischülerinnen ehebaldigst zur Verfugung stehen. Es wird daher auch zu
hinterfragen
sein, wie viele dieser Polizeischülerinnen wann mit ihrer Ausbildung
abschließen, um als
Exekutivorgan
tätig zu werden. Denn nur ausreichend gut ausgebildetes und hoch motiviertes
Personal kann einen Erfolg bei der Verbrechensprävention, der Verhinderung und
Aufklärung
von Verbrechen garantieren.
Die Übernahme der
Zollwachebeamten als Personalaufstockung im Innenministerium
zu
verkaufen, ist eine krasse Fehlinformation, wenn nicht bewusste Täuschung
Strassers.
Diese
Beamten nehmen nämlich ihre Aufgaben der Grenzkontrolle und damit
zusammenhängender Tätigkeiten zum Großteil mit, so dass es sich in Wahrheit um
einen
schlichten Aufgabentransfer vom Finanzministerium ins Innenministerium handelt.
Die
wenigsten Zollwachebeamten werden daher zusätzlich für
polizeiliche Aufgaben zur
Verfügung stehen, solange Österreich Schengen-Außengrenzen hat. Das zeigen auch
die uns
vorliegenden Informationen zur geplanten Zuteilungen der etwa 1.050
Zollwachebeamten.
Gerade einmal etwa 40 von ihnen sollen der BPD Wien zugeteilt werden, einer
Behörde, der
mindestens
l .000 Beamte fehlen.
Das
„Kaputtsparen" dieser Regierung macht also offenbar auch vor dem
Innenministerium
nicht Halt. Es gibt aber keine Sicherheit zum Nulltarif. Sicherheit kostet
eben
etwas. Mit weniger Geld, weniger Beamten und weniger Überstunden den selben
hohen
Standard
aufrechtzuerhalten, für den Österreich berühmt war, bevor Strasser Innenminister
wurde,
kann nicht funktionieren. Vor allem dann nicht, wenn - wie sich Strasser immer
wieder herauszureden versucht - die gestiegene Kriminalität einer angeblich
weltweiten
Entwicklung
entspricht.
Ebenso fragwürdig ist Strassers
Asylpolitik. Die jüngst von ihm durchgesetzte
Asylgesetz-Änderung bringt Österreich an den politisch rechten Rand Europas und
ist in
mehrfacher Hinsicht verfassungs- und menschenrechtswidrig. Darauf wurde
Strasser in aller
Deutlichkeit mehrfach hingewiesen. Vertreter des UNHCR, Verfassungsexperten,
das Rote
Kreuz und auch seiner Partei nahestehende Hilfsorganisationen haben den
Minister
eindringlich
ersucht, das Menschenrecht auf Asyl in Österreich nicht durch dieses nun
beschlossene
Gesetz leer laufen zu lassen. Durch die Einführung des Neuerungsverbotes vor
dem
UBAS, die Zurückweisung an der Grenze und
einige andere haarsträubende Regelungen
wird
die Verpflichtung Österreichs gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention ignoriert
und
außerdem gegen österreichisches Verfassungsrecht verstoßen. Sogar der von
Strasser
wiederholt zitierte Prof. Matscher hat Bedenken gegen den Entfall der
aufschiebenden
Wirkung geäußert, was Strasser in bewährter Manier verschweigt.
Am 4. Februar 2000,
bei seinem Amtsantritt, verkündete Minister Strasser vor den
Spitzenbeamten seines Ressorts zum Thema „Polizeireform" folgendes: „Mich interessiert
nicht das Ergebnis sondern der Prozess." Was von dieser
Aussage zu halten war, wussten
damals vermutlich noch die Wenigsten. Mittlerweile ist bekannt, dass Strasser
die Sicherheit
in
Österreich - also das Ergebnis der Tätigkeit von Polizei und Gendarmerie -
offenbar
weniger
am Herzen liegt als die Ausübung seiner Macht durch parteipolitische
Postenbesetzungen und Versetzungen und seine darin gefundene Selbstbestätigung
- der von
ihm so bezeichnete „Prozess" der Polizeireform.
Strasser hat in diesem Rahmen ein an
sich ambitioniertes Reformprojekt begonnen,
nämlich die Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei zu einem einheitlichen
Wachkörper. Der diesbezügliche Erstvorschlag des von
Strasser ins Leben gerufenen
„Team04"
ist landauf, landab bereits hinlänglich bekannt, vor wenigen Tagen ist der
Minister
damit auch offiziell an die Öffentlichkeit gegangen. So ehrgeizig das Ziel
dieses Projektteams
war, so enttäuschend ist aber der nun präsentierte Reformvorschlag. Es ist zu
erwarten, dass
dieses Vorhaben lediglich der Förderung parteipolitischer Interessen Strassers
dienen wird.
Zahlreiche
Führungspositionen werden nach den Organisationsänderungen neu zu besetzen
sein, was sich Strasser zu Nutze machen will.
Das Konzept ist auf
eine massive Macht- und Personalkonzentration beim vom
Innenministerium aus gesteuerten neuen Wachkörper „Polizei" ausgerichtet
und bedeutet
nichts
anderes als die Strukturierung der Sicherheitsexekutive nach einem militärisch-
hierarchischen System unter zentralistischer Leitung. Durchgängig soll in ganz
Österreich das
Gendarmeriemodell
zur Anwendung kommen. Schon bei der missglückten Wiener
Polizeireform,
wo das Rayonsprinzip der Kriminalpolizei durch das Fachgruppenprinzip
ersetzt
wurde, hat die Exekutive auf ihrer bürgernächsten Ebene ihre „in die
Bevölkerung
hinein" organisierte Struktur verloren und die Bürgerinnen verloren im
Gegenzug ihre
Ansprechpartner
bei der Polizei. Gerade auf Bezirks- bzw. Gemeindeebene wären aber
gleichbleibende Ansprechpartner eine wichtige Service- und
Akzeptanzvoraussetzung. Der
Sicherheitsapparat droht durch diese Abkoppelung zu „erblinden".
Die Zusammenlegung
bringt weiters - so wie sie geplant ist - im Ergebnis die
Auflösung
von Bundespolizeidirektionen außerhalb Wiens und deren Zusammenlegung mit
einem jeweils benachbarten Bezirksgendarmeriekommando. Daneben sollen zahlreiche
Bezirksgendarmeriekommandos
durch Zusammenlegungen de facto aufgelöst werden. Dass
diese
Vorgänge von Strasser dazu genutzt werden, weitere unliebsame Mitarbeiter zu
entfernen
bzw. zu versetzen, steht nach den Erfahrungen mit ihm als Innenminister völlig
außer
Zweifel.
Derzeit sind den
„Bundespolizeidirektionen" als zuständigen Sicherheitsbehörden
jeweils als uniformierte Wachkörper die Bundessicherheitswache (die
„Polizei") und ein
Kriminalbeamtenkorps
beigegeben. Behörden- und Wachkörperleitung fallen zusammen, sie
unterstehen
beide dem Polizeidirektor, der für die gesamte Tätigkeit verantwortlich ist.
Das
entspricht der österreichischen Rechtsordnung insofern, als diese vorsieht,
dass sich die
Rechtsmacht
der Exekutivorgane als Hilfsorgane von der Rechtsmacht der Behörde, der sie
beigegeben
sind, ableitet. Eine Verselbständigung der Wachkörper im innerdienstlichen
Bereich besteht zwar historisch bedingt für die Gendarmerie, jedoch ist auch
diese der
jeweiligen Bezirkshauptmannschaft unterstellt und folgt deshalb im Aufbau der
Bezirksorganisation.
Die Verantwortung für die staatliche Aufgabenerfüllung hat immer bei
der Behörde zu liegen. Dazu ist den Behörden
notwendigerweise eine wirksame und
gesamthafte
Führungsfunktion über ihnen als Organe beigegebene Wachkörper einzuräumen.
Eine vollkommene Verselbständigung
der Wachkörper, wie sie nun geplant ist, steht
dieser rechtsstaatlichen Tradition diametral gegenüber und entspricht weder den
Vorstellungen des einfachen noch denen des Verfassungsgesetzgebers. Durch die
geplante
Herauslösung der Wachkörper aus den jeweiligen Sicherheitsbehörden werden
letztere
hinkünftig
in die Rolle von Bittstellern versetzt, die zwar Aufträge an den Wachkörper
erteilen
können, aber wann und wie diese umgesetzt werden und in welcher Priorität,
entscheidet
der Wachkörper autonom. Abgesehen von damit einhergehenden
Doppelgleisigkeiten
und Reibungsverlusten eines solchen Systems, sind die Behörden zwar
weiter
für die Tätigkeit der Wachkörper verantwortlich, sie können diese aber in
keiner Weise
beeinflussen.
Der Wachkörper gehorcht nur mehr Einem, dem Innenminister, der aber
rechtlich
für deren Tätigkeit nicht verantwortlich ist. Außerdem hat der Innenminister in
Zukunft
nicht nur die Auftragserteilung und die Auftragserfüllung, sondern auch die
gesamte
Steuerung des Informationsflusses in allen sicherheits-, kriminal- und
staatspolizeilichen
Bereichen
und damit die Überwachung der Bürger fest in der Hand, wiederum ohne rechtlich
verantwortlich zu sein, mit Ausnahme der Anklageerhebung vor dem
Verfassungsgerichtshof,
für die die Zustimmung seiner eigenen Regierungsmehrheit erforderlich ist und
zu der es
deswegen
nie kommen wird.
Nicht eben
Projektmanagement-Qualitäten hat Strasser auch bei dem Projekt ADONIS
(bundesweites
Behördenfunknetz) bewiesen. Dieses für die Exekutive und die Rettungskräfte
wichtige Vorhaben ist komplett gescheitert. Bereits die Ausschreibung und
Auftragsvergabe
erfolgte in bislang ungeklärten dubiosen Umständen und auch die Tatsache, dass
das
Finanzministerium nicht involviert war, obwohl das Budget des Innenministeriums
über
mehrere Jahre und in der Größenordnung von mehreren hundert Millionen Euro
belastet
worden
wäre, erscheint fragwürdig. Der Betreiber mastertalk erklärte im Juni dieses
Jahres
überraschend
die Beendigung des Vertrages gegenüber dem BMI. Offenbar war die
Aufrechterhaltung
des Vertrages für mastertalk aus verschiedenen, vom Innenminister zu
vertretenen
Gründen nicht zumutbar. Von mastertalk wurde dem BMI gegenüber ein Schaden
in
der Größenordnung von zumindest hundert Millionen Euro geltend gemacht. Über
diesen
Anspruch
ist derzeit ein Schlichtungsverfahren anhängig und es ist zu befürchten, dass
dem
Steuerzahler
durch das Scheitern des Projektes hohe Kosten erwachsen. Eine
Rechnungshofsonderprüfung ist mittlerweile auf Verlangen der SPÖ anhängig.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Inneres folgende
Anfrage:
1. Wie erklären Sie sich die dramatische Steigerung der
Gesamtzahl der Delikte im Jahr
2002 um 20% auf fast 600.000 im Vergleich zum Jahr 1999? Warum ist gleichzeitig
die
Aufklärungsquote um 20% gesunken?
2. Was ist der Grund für das enorme Ansteigen der
Vermögensdelikte von 1999 bis 2002 um
28%?
3. Warum hat die Aufklärungsquote aller gerichtlich
strafbaren Handlungen im Jahr 2002
mit 40,79% einen Rekord-Tiefststand erreicht?
4. Ist für das Jahr 2003 ein weiterer Anstieg der Gesamtzahl
der Delikte zu erwarten? Wenn
ja, in welchem Ausmaß und wie erklären Sie sich das?
5.
Ist aus den Ihnen zugrunde liegenden Informationen ein signifikantes
Ansteigen der
Delikte in einzelnen Deliktgruppen zu ersehen? Wenn ja, in welchen Deliktgruppen
ist
dies der Fall und wie erklären Sie sich dies?
6. Warum haben Sie nicht Vorsorge gegen den Anstieg der
Kriminalität, der aufgrund der
Öffnung der Grenzen zu erwarten war, getroffen?
7.
Nach Ihren Aussagen über eine notwendige Aufstockung des Sicherheitspersonals:
Wo
fehlen wie viele Exekutivbeamte aufgegliedert nach Bundesländern bzw. Behörden
und
Wachkörpern? Wieviele Planstellen sind insgesamt derzeit systemisiert, wie
viele davon
unbesetzt? Wieviele waren es zum Stichtag 12. November 2002?
8. Wie viele Beamte Ihres Ressorts haben mit Stichtag 11. November 2003 beantragt,
aufgrund der unsozialen Pensionskürzungen der Regierung in
den Vorruhestand zu treten
und wie viele Beamte werden voraussichtlich noch einen solchen Antrag stellen?
Welche
Vorsorge haben Sie für die notwendigen Nachbesetzungen getroffen?
9. Wie viele Polizeischüler stehen
derzeit in Ausbildung (ohne die Hinzurechnung von
Weiterbildungsmaßnahmen)?
Wie viele Beamte wurden im Jahr 2002 aus den
Polizeischulen
ausgemustert? Wieviele werden es 2003 sein, wieviele 2004? Wieviele
Neuaufnahmen wird es 2004 geben und wann werden diese auszubildenden Beamten
für
den Exekutivdienst zur Verfügung stehen?
10. Wie viele Beamte
werden Sie von der Zoll wache übernehmen, welche Aufgaben müssen
von
diesen ehemaligen Zollwachebeamten „mitgenommen" und daher weiter erfüllt
werden und wann werden wieviele Zollwachebeamte tatsächlich für Zwecke der
Sicherheitsexekutive zur Verfügung stehen?
11. Werden Sie in
Anbetracht der festgestellten Rechtswidrigkeit der Versetzungen in Ihrem
Ressort die betroffenen Personen nunmehr auf ihren angestammten Arbeitsplatz
zurückversetzen oder ihnen zumindest gleichwertige Posten anbieten? Welche
Mehrkosten werden durch die nun festgestellte Rechtswidrigkeit Ihrer
Versetzungen
anfallen?
12. Nach dem Vorliegen des Projektentwurfes von Team04: Welche
Bezirksgendarmeriekommanden werden in Kärnten zusammengelegt? Welche
Gendarmerieposten werden zu temporären Dienststellen umgewandelt?
13. Welche Bezirksgendarmeriekommandos sollen in den übrigen Bundesländern
zusammengelegt werden? Wieviele Gendarmeriekommandos
werden dadurch de facto
geschlossen?
Wieviele Planstellen gehen dadurch verloren? (jeweils Aufschlüsselung
nach
Bundesländern)
14. Wieviele
Arbeitsplätze (systemisierte Planstellen) sollen durch die nun vorgestellte
Reform
im Bereich der Sicherheitswache, der Bundesgendarmerie, des Kriminaldienstes
und der Sicherheitsverwaltung eingespart werden?
15. Welche
Einsparungen ergeben sich nach dem neuen Dienstzeitmodell? Mit welchen
Verlusten
müssen E2a-Beamte im neuen Dienstzeitmodell rechnen?
16. Sind Sie der
Auffassung, dass sich die durch die Reduzierung von El- und
E2a-
Planstellen geminderten Karrierechancen jüngerer Beamter motivierend auf diese
auswirken?
17. Welche Einsparungen werden durch die Pauschalierung der Reisegebühren, der
Neudefinition des Dienstortes sowie der Zuteilungs- und
Trennungsgebührenrechnung
erwartet, und mit welchen finanziellen Verlusten haben die betroffenen Beamten
zu
rechnen?
18. Welche
Einsparungen bringt die von Ihnen geplante Zusammenlegung der Wachkörper
bis zum Ende des Jahres 2006 in Summe?
19. Gegen wie viele
Beamte des BMI wird mit Stichtag 10. November 2003 durch das Büro
für
Interne Angelegenheiten ermittelt (Aufschlüsselung auf Zentralstellen,
Wachkörper
und
Bundesländer)?
20. Warum weigern
Sie sich, Ihre bisherigen angeblichen Reformen bzw. das Projekt von
Team04 von einer internationalen Expertengruppe evaluieren zu lassen?
21. Warum versuchen
Sie, allfällige Ergebnisse des Österreich-Konvents, der sich auch mit
der
Frage des Verhältnisses der Wachkörper zu den Sicherheitsbehörden beschäftigt,
durch das Team 04-Projekt zu präjudizieren?