1126/J XXII. GP

Eingelangt am 24.11.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

der Abgeordneten Lichtenberger, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres

betreffend völlig ungerechtfertigte Zurückweisung slowakischer StaatsbürgerInnen
am Grenzübergang Marchegg am 20.11.2003

Am 20.11.2003 erfolgte in Marchegg ein Spatenstich durch den NÖ Landeshauptmann Pröll,
im Beisein anderer Prominenter wie Nationalratspräsident a.D. Fasslabend und zahlreicher
hochrangiger Vertreter des Amtes der N
Ö Landesregierung.

Der Spatenstich stand im Zusammenhang mit einem im Detail völlig undurchsichtigen
Straßenbauprojekt quer durch die nach den allerhöchsten internationalen, europäischen und
innerstaatlichen Naturschutzrechtskategorien geschützten bzw. zum Schutz nominierten
Marchauen: Selbst im Rahmen der erwähnten Veranstaltung am 20.11. war von
Anwesenden wie LH Pröll und Straßenbaudirektor Stipek in grob widersprüchlicher Weise
einmal von der Errichtung einer „einspurigen, provisorischen Straßenbrücke samt ebenso
provisorischer, zunächst einspuriger Straßenanbindung" (Stipek), einmal vom „Auftakt zur
Marchfeldschnellstraße" (Pröll), einmal von der „Sanierung von Brückenpfeilern" die Rede.
An anderer Stelle haben sowohl Stipek als auch Pröll den Bau einer autobahnartigen
Schnellstraße nach Marchegg bereits bestätigt, zugleich wird jenseits der Staatsgrenze an
einem Autobahnzubringer zur Grenze samt Autobahnbrücke geplant. Die Behauptung,
zwischen den beiden Autobahnen sei eine einspurige Brücke vorgesehen, ist folglich völlig
unglaubwürdig und widerspricht zudem genau gegenteiligen Aussagen von Vertretern
verschiedener Abteilungen des Amtes der N
Ö Landesregierung aus den letzten Wochen.

Verständlicherweise gibt es daher diesseits und jenseits der Staatsgrenze große Sorge um
Lebensqualität und Umwelt; die besorgten Bürger und Umweltorganisationen waren auch
zur erwähnten Veranstaltung zahlreich erschienen. Slowakische Umweltschützer, die nach
Marchegg kommen wollten, wurde jedoch die Möglichkeit dazu verwehrt. Bei der
Zollkontrolle am Bahnhof fragten sie die Grenzbeamten nach dem Weg. Wie der
Grenzbeamte (Angehöriger der Zollwache) gegenüber einer Vertreterin des
Naturschutzbund N
Ö (die zurückgewiesenen Slowaken hatten diese um Intervention
gebeten) in einem Telefongespräch bestätigte, war von der BH Gänserndorf die Weisung
erlassen worden, an diesem Tag keine slowakischen Naturschützer über die Grenze zu
lassen. Einer der Betroffenen, einer der bekanntesten Umweltschützer der Slowakei und
führendes Mitglied von BROZ (Bratislava Regionaler Naturschutzbund) hatte dem
österreichischen Grenzbeamten erklärt, dass die Gruppe sich an keiner ungesetzlichen
Aktivität beteiligen und auch nicht demonstrieren wolle, sondern nur als Beobachter
gekommen seien. Die Slowaken erhielten dennoch einen Stempel mit dem Vermerk
"Zurückgewiesen" in ihren Reisepaß; sie dürfen ein Jahr lang nicht mehr frei nach Österreich
einreisen.

Dieser Vorgang ist entlarvend für die tatsächliche Haltung der hohen Landes- und
Bundesvertreter der Regierungsparteien zur Erweiterung, zudem eine gewaltige Peinlichkeit
angesichts der kommende Woche in Wien angesetzten Podiumsdiskussion des
Umweltministers und Neffen des N
Ö Landeshauptmanns Pröll mit seinem slowakischen
Amtskollegen Miklos zum Thema "Erweiterte Umwelt und grenzüberschreitende Aktivitäten


im Bereich Umwelt". Angesichts der bevorstehenden EU-Erweiterung und der
allgegenwärtigen Betonung der gutnachbarschaftlichen Beziehungen und des
Integrationswillens ist dieser Vorgang auch ganz grundsätzlich ein skandalöser Affront. Es
handelt sich im Lichte von Artikel 9 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
(„Niemand darf willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen
werden.") um ein zutiefst bedenkliches und aufklärungsbedürftiges Vorgehen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.   Ist es zutreffend, dass eine entsprechende Weisung an die zuständigen
Grenzbeamten vorlag?

2.   Wenn ja, welchen genauen Wortlaut hatte die Weisung?

3.   Wenn ja, von wem genau ist die Weisung ergangen?

4.   Wenn ja, warum ist diese Weisung ergangen?

5.   Wurden auch noch weitere Personen zurückgewiesen?

6.   Warum wurde den ohne akzeptable sachliche Grundlage Zurückgewiesenen
zusätzlich ein Jahr Einreiseverbot auferlegt?

7.   Wie verträgt sich der gesamte Vorgang und insbesondere die in Frage 6
angesprochene Vorgangsweise mit der offiziellen Haltung der
Bundesregierung zur Erweiterung?

8.   Welche Schritte zur Bereinigung dieses zwischenstaatlichen Affronts werden
Sie bis wann im einzelnen setzen?

9.   Welche Vorgangsweise zur Bereinigung dieses zwischenstaatlichen Affronts
würden Sie darüberhinaus - beispielsweise für die Podiumsdiskussion des
österreichischen und des slowakischen Umweltministers in Wien zum Thema
"Erweiterte Umwelt und grenzüberschreitende Aktivitäten im Bereich Umwelt"
oder ähnliche Gelegenheiten - empfehlen?