1264/J XXII. GP

Eingelangt am 19.12.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Lichtenberger, Moser, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend zielführende und verursachergerechte Maßnahmen zur Reduktion der
Staubbelastung im oberösterreichischen Zentralraum

Im Raum Linz sind deutliche Überschreitungen der Grenzwerte bei der Luftbelastung
durch Staub (Schwebstaub und Partikel) mittlerweile an der Tagesordnung. An
einzelnen Messstandorten werden regelmäßig mehr als doppelt so viele Tage mit
Grenzwertüberschreitungen registriert wie laut Immissionsschutzgesetz Luft (IG-L)
zulässig. Bezogen auf den Zielwert des IG-L zum vorsorglichen Gesundheitsschutz
gibt es teilweise über zehnmal mehr Grenzwertüberschreitungen als zulässig. Die
Feinstaubbelastung übertrifft bereits diejenige der transitgeplagten Tiroler
Landeshauptstadt Innsbruck. Der im Herbst dieses Jahres präsentierte Linzer
Umweltbericht identifiziert die Staubbelastung (Schwebstaub, PM10) zusammen mit
der Stickoxidbelastung als größtes Linzer Umweltproblem. Daneben handelt es sich
auch um ein enormes Gesundheitsproblem: So hält der offizielle Linzer
Gesundheitsbericht fest, dass Kinder sich in Linz doppelt so oft stationärer
Behandlung wegen chronischer Lungen- und Atemwegserkrankungen unterziehen
müssen wie gleichaltrige Kinder im restlichen Bundesland.

Als Hauptverursacher der Staubbelastung werden in Untersuchungen die Industrie
und der Verkehr genannt. Laut einem in den O
Ö Nachrichten vom 13.10.2003
erwähnten Bericht des Landes verursache die Industrie 59% der Feinstäube. An
zweiter Stelle folge der Verkehr. Der letzte Immissionsschutzbericht des
Bundesministers, der nach §23 Abs.1 IG-L alle drei Jahre dem Nationalrat
vorzulegen ist, wurde Anfang 2001 im Parlament besprochen. Darin wurden in der
Statuserhebung nach IG-L für 1999 als Hauptemittenten bei Schwebstaub „die
VOEST-Alpine AG und der Straßenverkehr" ermittelt. Der Folgebericht, der noch
2003 vorzulegen wäre, ist leider noch nicht zugänglich; dem letzten Jahresbericht
des UBA zu den Luftgütemessungen 2002 ist aber bereits zu entnehmen, dass die
Tendenz bei Grenzwertüberschreitungen und Belastung steigend ist und dass u.a.
die Messstelle mit dem höchsten Jahresmittelwert 2002 bei Schwebstaub in Linz
situiert ist. Der Statuserhebung nach IG-L zu den gravierenden
Grenzwertüberschreitungen von 2002 zufolge tragen Industrie und Verkehr (und hier
insbesondere der Straßenverkehr) jeweils etwa zur Hälfte zur Staubimmission bei.
 Leider sind die Statuserhebungen nicht veröffentlicht, obwohl eine aktive Verbreitung
 dieser Informationen wünschenswert und auch im Sinne von Art.5 der Aarhus-
 Konvention wäre und nicht zuletzt einen Teil dieser Anfrage erübrigt hätte.

 Plausibilitätsüberlegungen deuten für den Raum Linz ebenfalls eher auf den Verkehr
 als Hauptverursacher hin: So ist die Zahl der Tage mit Grenzwertüberschreitungen
 bei den nahe verkehrsreichen Straßenzügen gelegenen Messstellen wesentlich


höher als in der Abgasfahne der Linzer Industrie. Auch gehen in Zeiten signifikant
reduzierten Verkehrsaufkommens (zB Schulferien) die Grenzwertüberschreitungen
stark zurück, auch wenn Hochdruck- und Inversionswetterlagen eigentlich das
Gegenteil erwarten ließen. Zudem wird sich der Beitrag des Verkehrs zu den
Luftqualitätsproblemen im Raum Linz absehbar verschärfen: Das IG-L erlaubt ab
kommendem Jahr um 15% weniger Tage mit Grenzwertüberschreitungen als bisher.
Zugleich wird weiteres Wachstum im motorisierten Straßenverkehr auch in allen
relevanten Untersuchungen und Konzepten des BMLFUW vorausgesetzt. Weitere
Ausbauprojekte im hochrangigen Straßennetz, wie sie mit S10 und A26 nicht zuletzt
im hoch belasteten Raum Linz selbst betrieben werden, die weitgehende
Liberalisierung des Transitverkehrs nach dem Ökopunkte-Debakel auf EU-Ebene
und das steuerlich geförderte Wachstum bei den für den krebserregenden Feinstaub
(Partikel, PM10 und kleiner) hauptverantwortlichen Dieselfahrzeuge werden
Verkehrswachstum und Staubbelastung absehbar weiter anheizen.

Sowohl Nachsorge- als auch Vorsorgeüberlegungen würden daher neben den
erforderlichen weiteren Maßnahmen der Schwerindustrie - die ihren Beitrag zur
Luftschadstoffbelastung bereits beträchtlich reduziert hat - vor allem auch
Maßnahmen im Verkehrsbereich verlangen. Nicht zuletzt schreibt auch das IG-L
selbst (§11) vor, dass bei der Erlassung des Maßnahmenkatalogs und der
Anordnung von Maßnahmen

+ „im Sinne des Verursacherprinzips vorzubeugen" ist,
+ Luftschadstoffe „nach Möglichkeit an ihrem Ursprung zu bekämpfen" sind,
+ „alle Emittenten oder Emittentengruppen, die im Beurteilungszeitraum einen
    erheblichen Einfluß auf die Immissionsbelastung gehabt haben und einen
    erheblichen Beitrag zur Immissionsbelastung, insbesondere im Zeitraum der
    Überschreitung des Immissionsgrenzwerts, geleistet haben, zu berücksichtigen"
    sind,

+ vorrangig solche Maßnahmen anzuordnen sind, bei denen den Kosten der
Maßnahme eine möglichst große Verringerung der Immissionsbelastung
gegenübersteht.

Alle Punkte würden für ein Ansetzen bei Industrie und Verkehr sprechen. Der vom
bis zur jüngsten Landtagswahl zuständigen Landesregierungsmitglied der FPÖ mit
Verordnung erlassene Maßnahmenkatalog entspricht dem jedoch nicht. Die von LR
a.D. Steinkellner gezeichnete Verordnung „des Landeshauptmanns von
Oberösterreich, mit der emissionsmindernde Maßnahmen für die Stadtgebiete Linz
und Steyregg erlassen werden" sieht ausschließlich Maßnahmen eines
Verursachers, nämlich des Leitbetriebs VÖEST, vor, obwohl die Statuserhebung bei
Emissionen wie Immissionen wie erwähnt unmissverständlich zwei
Hauptverursacher, nämlich Industrie und Straßenverkehr, benannt hat. Aus Grüner
Sicht wird damit ausschließlich die Industrie und besonders ein industrieller
Leitbetrieb quasi in Ersatzvornahme in die Pflicht genommen, um politisch noch
konfliktträchtigere Maßnahmen im Verkehrsbereich zu umgehen. Dies widerspricht
angesichts der klaren gemeinsamen Verantwortung von Industrie und Verkehr für die
Staubbelastung den gesetzlichen Vorgaben, stellt eine wirtschaftsfeindliche
Vorgangsweise dar und ist außerdem aus dem Blickwinkel des
Gleichbehandlungsprinzips fragwürdig. Zudem kann so das Problem der
gesundheitsgefährdenden Luftbelastung bestenfalls teilweise gelöst werden,
weshalb Mensch und Umwelt im Sanierungsgebiet Linz/Steyregg die Leidtragenden
dieser Vorgangsweise sind.


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1. Was ist der genaue Inhalt der in Umsetzung von §8 IG-L für den Raum Linz
 erstellten „Statuserhebung für das Jahr 1999 über Grenzwertüberschreitungen
 der Luftschadstoffe Schwebestaub und PM10" - insbesondere auch
 hinsichtlich der einzelnen Verursacher und ihrer jeweiligen Beiträge zu den
 Grenzwertüberschreitungen?

2. Haben Sie bzw. Ihr Amtsvorgänger dazu die nach §8 Abs 5 IG-L mögliche
 Stellungnahme abgegeben, wenn ja mit welchem Inhalt, wenn nein warum
 nicht?

3. Was ist der genaue Inhalt der in Umsetzung von §8 IG-L für den Raum Linz
 erstellten „Statuserhebung für das Jahr 2002 über Grenzwertüberschreitungen
 der Luftschadstoffe Schwebestaub und PM10" - insbesondere auch
 hinsichtlich der einzelnen Verursacher und ihrer jeweiligen Beiträge zu den
 Grenzwertüberschreitungen?

4. Haben Sie bzw. Ihr Amtsvorgänger dazu die nach §8 Abs 5 IG-L mögliche
 Stellungnahme abgegeben, wenn ja mit welchem Inhalt, wenn nein warum
 nicht?

5. Welche Informationen liegen Ihnen bereits im Zusammenhang mit den
 Grenzwertüberschreitungen im Jahr 2003 im Raum Linz, den dafür
 verantwortlichen Verursachern und dem jeweiligen Beitrag dieser vor?

6.  Entspricht die im OÖ LGBl 115/2003 am 30.9.2003 veröffentlichte

 Verordnung, mit der emissionsmindernde Maßnahmen für Linz und Steyregg
 erlassen werden, der Vorgabe von §11 Abs 1 IG-L, wonach
 Beeinträchtigungen „im Sinne des Verursacherprinzips vorzubeugen" ist und
 wenn ja, inwiefern?

7. Welcher Anteil der Verursacher wird davon erfasst?

8.   Entspricht die erwähnte Verordnung der Vorgabe von §11 Abs 1 IG-L, wonach
 Luftschadstoffe „nach Möglichkeit an ihrem Ursprung zu bekämpfen" sind und
 wenn ja, inwiefern?

9.  Entspricht die erwähnte Verordnung angesichts der Ergebnisse der

  zugehörigen Statuserhebung der Vorgabe von §11 Abs 2 IG-L, wonach „alle
  Emittenten oder Emittentengruppen, die im Beurteilungszeitraum einen
  erheblichen Einfluß auf die Immissionsbelastung gehabt haben und einen
  erheblichen Beitrag zur Immissionsbelastung, insbesondere im Zeitraum der
  Überschreitung des Immissionsgrenzwerts, geleistet haben, zu
  berücksichtigen" sind, und wenn ja, inwiefern?

10. Entspricht die erwähnte Verordnung der Vorgabe von §11 Abs 3 IG-L,
  wonach vorrangig solche Maßnahmen anzuordnen sind, bei denen den
  Kosten der Maßnahme eine möglichst große Verringerung der
  Immissionsbelastung gegenübersteht?

11.Wie hoch sind nach Ihrer Information die Kosten für die der VÖEST in der
  erwähnten Verordnung auferlegten Maßnahmen?

12.  Wie hoch wären die Kosten für Maßnahmen im Verkehrsbereich, etwa
         Fahrbeschränkungen für LKW nach dem Muster Tirols?

13. Teilen Sie die Rechtsmeinung, daß im Lichte der Formulierung von §10 Abs
         1 IG-L für ein Sanierungsgebiet nach IG-L alle Maßnahmen, beispielsweise


   für unterschiedliche Verursachergruppen, in einem Maßnahmenkatalog (und
   nicht in mehreren) zu erlassen wären?

14. Welche Möglichkeiten bestehen, um die Verordnung gesetzeskonform zu
   ändern bzw. zu ergänzen?

15. Welche Maßnahmen kann der Bund setzen, um zusätzlich zur

   nachsorgenden Sanierung des schlechten Luftqualitätszustandes im Raum
   Linz auch vorsorgend zu dessen Verbesserung beizutragen?

16. Welche diesbezüglichen Maßnahmen sind konkret seitens Ihres Ressorts bis
   zu welchem Zeitpunkt geplant?

17. Welche diesbezüglich geplanten Maßnahmen sind Ihnen seitens anderer
   Ressorts bekannt, und wann sollen diese konkret erfolgen?

18. Halten Sie angesichts der in der Nacht in Tal- und Beckenlagen und anderen
   inversionsgefährdeten Regionen generell wesentlich höheren Schadwirkung
   von Abgasen ein generelles Lkw-Nachtfahrverbot in Österreich für einen
   vorsorgenden Lösungsbeitrag zu den Luftqualitätsproblemen wie sie nicht nur
   im Raum Linz auftreten, und wenn nein warum nicht?

19. Wie ist es mit der nicht nur im Raum Linz, sondern auch in anderen

   hochbelasteten Regionen Österreichs steigenden Tendenz der Luftbelastung
   mit Staub und insbesondere lungengängigen, krebserregenden Partikeln zu
   vereinbaren, dass Ihre Partei die NR-Wahlkampfankündigung einer
   Partikelfilter-Ausrüstungspflicht für Dieselfahrzeuge nicht weiterverfolgt?

20. Halten Sie in Sanierungsgebieten eine zwingende Ausrüstung von
   Fahrzeugen (z.B. Lkw) mit Partikelfiltern für eine auf Basis des IG-L
   verordenbare Maßnahme, wenn nein, warum nicht?

21. Wie stehen Sie zu der Tatsache, dass in Österreich Käufer von PKW mit
   Partikelfilter nicht wie in anderen Staaten steuerlich unterstützt, sondern im
   Gegenteil durch höhere NOVA-Sätze im Vergleich zum Kauf derselben
   Modelle ohne Partikelfilter bestraft werden?