1373/J XXII. GP

Eingelangt am 28.01.2004
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Werner Amon MBA

und Kollegen

an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur

betreffend Eskalation der Gewalt und der Sprache im Zuge von Studentenprotesten der Linken

 

Das Universitätsgesetz 2002 wurde am 23. Jänner 2004 vom Verfassungsgerichtshof bestätigt. Dazu wurden sowohl das Organisations- und Studienrecht als auch die Personalregelungen vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform anerkannt. Insbesondere der Bestellmodus des Universitätsrates - weniger als die Hälfte der Mitglieder werden durch die Bundesregierung bestellt - wurde bestätigt.

 

Die SPÖ hat in ihrem Antrag insgesamt 57 Bestimmungen beanstandet. Lediglich drei davon wurden als verfassungswidrig eingestuft. Nicht die Leistungsvereinbarung als solche wurde vom Verfassungsgerichtshof als verfas­sungswidrig beurteilt, sondern die Regelung der Leistungs­vereinbarungen wurde wegen einer fehlenden Rechtsschutz­bestimmung zurückgewiesen.

 

Somit hat das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes keine Auswirkungen auf die Grundpfeiler des Universitätsgesetzes 2002, auf die Autonomie und die weitere Umsetzung und Entwicklung der Universitäten.

 

Im Vorfeld der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes kam es zu demokratiepolitisch bedenklichen Protestaktionen: Am 15. Jänner 2004 wurde der Senatssaal der Universität Wien erstürmt, bei welchen erhebliche Sachschäden angerichtet wurden. Bei einer Veranstaltung der Zukunftswerkstätte der SPÖ ist es zu gewalttätigen Aktionen gekommen. Rektor Winckler und Sektionschef Höllinger wurden mit Torten beworfen, Sektionschef Höllinger bekam sogar eine Ohrfeige.

 

Die grünen Studenten (GRAS) haben sich vom Tortenwurf bis heute nicht distanziert („kreative und gewaltfreie Form des Protests“ – APA Nr. 0454 vom 22.1.2004). Wie auf der Homepage der Hochschülerschaft der Universität Wien ersichtlich, hat die Hörerversammlung den Aktivisten zu der Aktion sogar gratuliert und jede Distanzierung abgelehnt.

 

Möglich, dass es sich bei den Protestgruppen um eine inhomogene Gruppe handelt, es ist aber zumindest eine aktive Beteiligung der Österreichischen Hochschülerschaft sowie der Gruppe „Linkswende“ zu beobachten. Die Zahl der beobachteten Protestierer sind insgesamt 0,02 bis 0,05% der Studierenden.

 

Der Protest gegen den Organisationsplan der Universität Wien ist nur ein vermeintlicher, denn in den Aussendungen und Broschüren der Organisatoren werden der „Stopp des Bologna-Prozesses“, die „Verhinderung des Ausverkaufs der Universitäten“, der „Abbau jeglicher Zugangsbeschränkungen und Ausbau der studentischen Mitbestimmung“, „mehr Geld für Bildung aus der öffentlichen Hand“ und die „Streichung des Universitätsgesetzes 2002“ gefordert.

 

Sehr bedenklich ist auch, dass rund 40 Personen den Zugang zum neuen Gebäude der Wirtschaftsuniversität aufgebrochen und die Inaugurationsfeier gestört haben. Dem Vernehmen nach waren die meisten keine Studenten, sondern Donnerstagsdemonstranten und Globalisierungsgegner. Außer in Graz – ebenfalls im Rahmen einer Inaugurationsfeier - gab es an den anderen Universitäten keine Proteste.

 

Dem Vernehmen nach trägt im Kern die Gruppe „Linkswende“ („von Antikapitalismus zur Revolution“, „Stop war, fight capitalism“) zur Radikalisierung der Proteste bei. Es handelt sich dabei um eine marxistische Gruppierung, die gegen Kapitalismus, für die Befreiung der (internationalen) Arbeiterklasse, für die Einführung einer Rätedemokratie, gegen jegliche Form von Diskriminierung und für den Aufbau eines sozialistischen Pols zum Erreichen einer sozialistischen Gesellschaft eintritt.

 

Laut den Fotos ihrer Homepage (www.linkswende.org) hat diese Gruppierung an der „Tortung“, der  Menschenkette sowie der Hörer/innenversammlung an der Universität Wien, an der Demonstration gegen Bildungsabbau, European Social Forum 2003 in Paris, „Marxismus Kongress 2003 der Linkswende“, European Social Forum 2002 in Florenz, Demonstration „Stoppt den Krieg gegen den Irak“ sowie an „Marxism 2003“ in London teilgenommen.

 

Deren aktuelle Vorhaben sind Proteste gegen den Organisationsplan an der Universität, weitere Gegenmaßnahmen der Studierenden, um Rektor Winckler zur Zurücknahme des Organisationsplanes zu bewegen, Anfang März eine weitere Hörer/innenversammlung, wo weitere Schritte geplant werden, und Diskussionsveranstaltung, um mit Vertreter/innen unterschiedlicher Gruppen (Eisenbahner/innen, Lehrer/innen, Schüler/innen,...) Perspektiven und Strategien für gemeinsamen Widerstand gegen die neoliberale Umwälzung der Gesellschaft zu diskutieren.

 

Einen Einblick in die Gedankenwelt dieser radikalen Gruppe gibt deren Homepage (www.linkswende.org):

 

„Was wir wollen:

Kapitalismus beruht auf der Teilung der Gesellschaft in eine große Mehrheit, die durch ihre Arbeit Reichtum produziert, ohne über ihn zu verfügen, und eine winzige Minderheit, die diesen Reichtum besitzt und ihn verwaltet. Diese Minderheit entscheidet über die Produktion und Verwendung des gesellschaftlichen Reichtums, folgt dabei aber nicht den Bedürfnissen der Menschen, sondern dem Streben nach Profit. Die Marktwirtschaft hat sich deshalb als unfähig erwiesen, die ungeheuren Reichtümer der Welt so zu verteilen, daß Not und Elend verschwinden.

·        Überwindung
Die Konkurrenz zwischen Firmen ist nicht in der Lage, Wirtschaftskrisen abzustellen. Diese treiben immer wieder Millionen von Menschen in Arbeitslosigkeit und Not. Konkurrenz zwischen Firmen führt darüberhinaus zu wirtschaftlicher und militärischer Konkurrenz zwischen Staaten. Die Konsequenz sind Kriege mit zahllosen Opfern. Als Sozialisten und Sozialistinnen kämpfen wir deshalb für eine vollständige Überwindung des Kapitalismus und stellen dem Marktchaos eine demokratische Planung der Wirtschaft gemäß den Bedürfnissen der Menschen entgegen.

·        Arbeitermacht
Wie die Erfahrungen in Osteuropa und der westlichen Sozialdemokratie gezeigt haben, kann Sozialismus nicht durch eine kleine Elite über staatliche Maßnahmen eingeführt werden. Sozialismus ist nicht das Ergebnis von Parlamentsabstimmungen oder dem Einmarsch von Armeen. Sozialismus kann nur durch die selbständige und selbstbewußte Aktion der Arbeiterklasse erreicht werden. Die Befreiung der Arbeiter kann nur das Werk der Arbeiter selbst sein.

·        Internationalismus
Das Scheitern der russischen Revolution durch die Machtübernahme Stalins hat gezeigt, daß eine sozialistische Revolution isoliert in einem Land nicht erfolgreich sein kann. Der Kapitalismus ist ein internationales System und muß daher auch international bekämpft werden. Solidarität mit den eigenen Bossen und Standortnationalismus werfen die ArbeiterInnenbewegung insgesamt zurück. Der Kampf findet nicht entlang Ländergrenzen, sondern entlang Klassengrenzen statt. In allen Auseinandersetzungen treten wir daher für die gemeinsamen Interessen der internationalen Arbeiterklasse ein und unterstützen Bewegungen zur nationalen Befreiung unterdrückter Völker.

·        Befreiung
Als Sozialisten und Sozialistinnen bekämpfen wir jede Form von Unterdrückung. Wir treten für wirkliche Gleichheit der Frauen in wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Hinsicht ein. Wir kämpfen aktiv gegen Diskriminierung von Schwulen, Lesben, von Menschen aufgrund von Hautfarbe oder nationaler Herkunft. Die Abschaffung des Kapitalismus und die Einführung einer Rätedemokratie sind die Voraussetzungen zur endgültigen Beseitigung jeglicher Unterdrückung. Kein Sozialismus ohne Demokratie – keine Demokratie ohne Sozialismus!

·        Organisation
Wir sind davon überzeugt, daß der Aufbau eines sozialistischen Pols in der Gesellschaft eine Vorbedingung zur Überwindung des Kapitalismus und zum Erreichen einer sozialistischen Gesellschaft ist. Wir fordern daher alle Menschen, die diesen Grundsätzen zustimmen auf, sich mit Gedanke und Tat am Aufbau eines sozialistischen Pols zu beteiligen und sich Linkswende anzuschließen. Gemeinsam können wir die Welt verändern!“

 

 

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur nachstehende

 

Anfrage:

 

1.      Wie ist die studentische Mitsprache im Universitätsgesetz 2002 geregelt?

2.      Wie stellen sich diese Regelungen im internationalen Vergleich dar?

3.      Welche Rechte normiert das UG 2002 für jeden einzelnen Studierenden?

4.      Welche Beteiligung der ÖH im Rahmen der offenen Planung bei der Entstehung des UG 2002gab es?

5.      Wie setzt sich nach den letzten ÖH-Wahlen die Exekutive der ÖH auf Bundesebene und an der Universität Wien zusammen?

6.      Welche Regelung sieht das Hochschülerschaftsgesetz für Hörerversammlungen vor?

7.      Wie wurden diese bei den aktuellen Protesten gehandhabt?

8.      Wie beziffert sich der Sachschaden nach der Senatsstürmung in Wien?

9.      Wer deckt die Kosten dieser Schäden ab?

10.  Wie schätzen Sie die beschriebenen Vorkommnisse und die Wortwahl der Beteiligten ein?