1484/J XXII. GP

Eingelangt am 25.02.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

der Abgeordneten Van der Bellen, Pilz, Kogler, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Rücktrittsgründe

 

In immer kürzeren Abständen tauchen neue Hinweise auf Verstrickungen des
Bundesministers für Finanzen in dubiose und zum Teil strafrechtlich bedenkliche
Vorgänge auf. Sowohl der Bundeskanzler als auch der Landeshauptmann von
Kärnten nützen ihre Positionen, um den längst rücktrittsreifen Minister zu stützen und
zu decken.

Um weiteren Schaden durch den Missbrauch der Funktion, die Begünstigung
nahestehender Personen und Firmen und die ständige Falschinformation der
Öffentlichkeit abzuwenden, stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgende

ANFRAGE:

„Sozialfonds"

An allen Handlungen im Zusammenhang mit dem Karl Heinz Grasser-Sozialfonds
(Aquirierung der „Spenden", Intervention in der Finanzprokuratur, Überweisung von
New-Economy-Geldern) waren mit Mathias Winkler, Fritz Simhandl und Josef Christl
Mitglieder des Kabinetts des Finanzministers wesentlich beteiligt. Alle drei sind
gegenüber den „spendenden" Instituten nicht als Privatpersonen, sondern als
Mitarbeiter des Kabinetts und damit im Namen des Ministers aufgetreten. Damit
handelt es sich beim folgenden Fragenkomplex eindeutig um einen Gegenstand der
Vollziehung.

1.             Auf wessen Veranlassung hat Dr. Josef Christl aus dem Kabinett des
Bundesministers für Finanzen der verantwortlichen Mitarbeiterin der Bank
Austria mitgeteilt, dass der Finanzminister seinen Vortrag bei der Bank Austria
CAS Investorenkonferenz in Kitzbühel am 23. Jänner 2003 nur dann halten
werde, wenn dafür eine „Spende" auf sein Konto überwiesen würde?

2.             An welchen bedürftigen Empfänger wurde die „Spende" der Bank Austria
direkt weitergeleitet?


3.             Hat der Bundesminister für Finanzen oder der Privatmann Karl Heinz Grasser
von Dr. Georg Weissmann zur Sammlung von „Spenden" wie dieser ein
Treuhandkonto bei der Notartreuhandbank einrichten lassen?

4.             Hat ein Mitglied des Kabinetts der Bundesministers für Finanzen die
Überweisung von 10 000 Euro vom Verein zur Förderung der New Economy
auf das Weissmann/Grasser-Treuhandkonto in seiner Dienstzeit veranlasst?
Wenn ja welches?

5.             Sektionschef Dr. Nolz ist Rechnungsprüfer des Vereins zur Förderung der
New Economy. Als Rechnungsprüfer muss Dr. Nolz als sachkundigem
Beamten klar gewesen sein, dass es sich um eine rechtlich zweifelhafte
Überweisung handelte. Ist ein Beamter des Finanzministeriums verpflichtet,
bei Verdacht auf derartige widmungswidrige Verwendung (Verdacht der
Untreue) von Vereinsgeldern verpflichtet, die zuständigen
(Finanz)Strafbehörden zu verständigen?

6.             Hat SC Dr. Nolz die (Finanz)Strafbehörden in dieser Causa verständigt ?

7.             Ist Ihrer Rechtsauffassung nach durch die Überweisung der 10 000 Euro eine
Steuerpflicht entstanden?

8.   Wer war der Treugeber und damit der Eigentümer der Einlage?
„karlheinzgrasser.at"

9.   Am 28. Jänner 2004 hat Staatsekretär Finz im Plenum des Nationalrats klar
gestellt: „Das Finanzamt hat eindeutig festgestellt, dass die Homepage nicht
der Person Karl Heinz Grasser als Privatperson dient, sondern sie dient dem
Finanzminister in seiner Funktion als Politiker. Daher jetzt ein Vergleich: Wenn
ein Dienstgeber seinem Bediensteten ein Kraftfahrzeug gibt und sagt, dass er
es nur für dienstliche Zwecke benützen darf, dann ist keine Steuer zu zahlen,
weil er es eben nur für die dienstlichen Zwecke benützt. Wenn er es jedoch
zusätzlich auch für private Zwecke benützen kann, dann ist eine Steuer zu
bezahlen." Sind Sie in dieser Frage derselben Auffassung wie Ihr
Staatsekretär?

10.                Sie selbst haben am 12. Juni 2003 im Plenum erklärt: „Natürlich ist diese
Homepage privat." Besteht damit (nach Finz) eine Steuerpflicht?

11.                Staatsekretär Finz stützt seine Rechtsmeinung auf „Gutachten". Sind Sie
bereit, diese Gutachten dem Nationalrat zur Verfügung zu stellen?

12.                Wann haben Sie die Organe des Vereins zur Förderung der New Economy
ermächtigt, Sie als Vereinszweck zu führen?

13.                Wann haben Sie die Organe des Vereins zur Förderung der New Economy
ermächtigt, die Homepage des Vereins unter Ihrem Namen zu führen?


Ihr Staatssekretär haben am 28.1.04 im Nationalrat folgende Erklärung abgegeben:
„Der Finanzminister hat mir zur gleichen Zeit den Fall total abgetreten, und zwar
schriftlich, mit einem Aktenvermerk. Dieser Aktenvermerk wurde der Steuersektion
bekannt gegeben. Es war ab diesem Zeitpunkt der Steuersektion klar, dass nur ich in
dieser Sache weisungsberechtigt bin. „

14.                Was ist die Rechtgrundlage dieser „totalen" Abtretung eines „Falles"?

15.                Ersetzt die „totale" Abtretung eines Falles das für
Weisungsfreistellungen gern Art 20 B-VG erforderliche Verfassungsgesetzt?

16.                Teilen Sie die Auffassung, dass es Ihnen als oberstes Organ der Vollziehung
jederzeit rechtlich möglich ist, trotz „totaler" Abtretung eines Falles, weiterhin
Ihrem Staatssekretär und jedem/r MitarbeiterIn Ihres Ressorts jederzeit
Weisungen erteilen zu können?

Homepage Bundesministerium für Finanzen

17.                War Ihnen bekannt, dass Ihr Vater Karl Grasser ein Aktienpaket von Firstlnex
besaß?

18.                Wie kommt ein Experte für Klagenfurter Kraftfahrzeuge auf die Idee, Anteile
an einem New Economy-Unternehmen, das gerade einen Auftrag des
Finanzministeriums erhalten hat, zu erwerben?

19.                Haben Sie Ihrem Vater den Kauf von Firstlnex empfohlen?

20.                Warum haben Sie die Öffentlichkeit falsch informiert, indem Sie erklärten,
dass die Vergabe der Neugestaltung der BMF Homepage an FirstlnEx im
Ständigen Unterausschuss der Rechnungshofausschusses behandelt wurde?

21.                Auf welcher Rechtgrundlage wurde entschieden, ein zweistufiges
Vergabeverfahren zu wählen?

22.                Hat es Verhandlungen mit den Bewerbern im Sinne eines
Verhandlungsverfahrens gegeben?

23.                Welche Auftragsbestandteile wurden im August 2000 ausgeschrieben?

24.                Wie lauten die Namen der Mitglieder der zuständigen Vergabekommission?

25.                Wer war Leiter der Vergabekommission?

26.                Aus welchen fachlichen Gründen erfolgte der Zuschlag an FirstlnEx?

27.       Waren Qualitätskriterien wie Referenzprojekte oder Erfahrung der Mitarbeiter
des Bewerbers Teil des Bewertungsschemas?


28.       Wieso wurde FirstlnEx in die short list aufgenommen, obwohl die Firma zum
Zeitpunkt der Ausschreibung gerade erst vier Monate existierte und keinerlei
vergleichbare Projekte abgewickelt hatte?

29.                 Wie viele Punkte erzielte FirstlnEx, wie viele die nächstgereihten Bieter?

30.       Welche Teilleistungen wurden letztlich FirstlnEx zugeschlagen?

31.                 Ist der Klagenfurter Treuhänder Stephan Medwed im Fall „YLine-
Aktien/Grasser" gegenüber den Finanzbehörden seiner Verpflichtung zur
Offenlegung des Treugebers nachgekommen?

32.       Wenn nein, was wird die zuständige Behörde Ihres Ressorts in diesem Fall
der Unterlassung der Offenlegung unternehmen?

YLine

Die Sachverhaltsdarstellung, die die Finanzmarktsaufsicht bezüglich „Missbrauch
von Insiderinformationen gemäß § 48a BörseG in Aktien der YLine Internet Business
AG" am 28. November 2003 bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht hat, fällt
durch den Anzeiger eindeutig in den sachlichen Zuständigkeitsbereich des
Finanzministers und ist damit Gegenstand der Vollziehung.

33.                 Die Finanzmarktaufsicht führt bezüglich eines Verdachts auf
Insiderinformation aus: „Die Spinola Stiftung besitzt ein Depot bei der Capital
Bank... Die Stiftung wurde am 13.8.1998 von der Firma Jura Trust AG, Vaduz,
errichtet. Nähere Informationen zur Stiftung sind der FMA nicht bekannt." Sind
Ihnen nähere Informationen zur Jura Trust und zu ihrer Rolle in der Causa
Yline bekannt?

34.                 Über die Stiftung der Firma Jura Trust wurden im März 2000 10000 YLine-
Aktien aus einem Depot der „Capital-Bank" verkauft. Der Rest von mehr als
5000 Aktien wurde auf ein Konto der IPM-Bank in Liechtenstein verbracht.
Dabei wurden zu einem Zeitpunkt, an dem nur Insidern bereits die
Zahlungsunfähigkeit von YLine bekannt war, ein Gewinn von mehr als 250
Prozent realisiert. Handelt es sich beim Errichter der Stiftung und Eigentümer
von Jura Trust um Ihren persönlichen Freund und Jachtgefährten Michael
Feichtinger?

35.                 Wozu musste zur Führung eines österreichischen Aktiendepots eine Stiftung
in Liechtenstein zwischengeschaltet werden?

36.                 Das Vorhaben wurde durch die Einbringung einer Porno-Website namens
Webline, die von Ernst & Young trotz nicht vorhandenem Vermögen und
einem Jahresverlust von mehr als sieben Millionen Schilling mit 31 bis 41
Millionen Schilling bewertet wurde, ermöglicht. Webline wurde dann gegen
15000 YLine-Aktien in die Firma YLine eingebracht. Nach diesem Muster
wurden Firmen überbewertet, der Kurs der Aktie hoch getrieben und der
Gewinn von Insidern dann kurzfristig realisiert. Ohne die bewusste


Fehlbewertung durch Ernst & Young wäre diese Täuschung nicht möglich
gewesen. Wie viele Aufträge in welcher Höhe hat Ernst & Young ab Jänner
2000 vom Finanzministerium, nachgeordneten Dienstellen und Ämtern oder in
dessen Eigentum befindlichen Unternehmen erhalten?

37.       Hat Ernst & Young ein Gutachten erstellt, das in die Beurteilung Ihrer
Steuerpflicht durch Staatssekretär Finz eingeflossen ist?

38.       Welche geschäftlichen Beziehungen zu Ernst & Young, Jura Trust, Spinola
Stiftung, YLine oder First Inex hatte das Bundesministerium für Finanzen?

39.                 Welche geschäftlichen Beziehungen zu Ernst & Young, Jura Trust, Spinola
Stiftung, YLine oder First Inex hatten Sie persönlich?

40.       Wie viele weitere Firmen wurden von der Finanzmarktaufsicht wegen
desselben Verdachts wie im Falle der Spinola-Stiftung der Staatsanwaltschaft
zur Anzeige gebracht?

41.       Haben die Untersuchungen der FMA Hinweise auf YLine-Aktien im Besitz von
Regierungsmitgliedern ergeben ? Wenn ja, von welchen?

42.                 Von wem haben Sie Ihre YLine-Aktien erworben?

43.                 An wen haben Sie Ihre YLine-Aktien verkauft?

44.                 Warum haben Sie Ihren Besitz an YLine-Aktien dem
Unvereinbarkeitsausschuss verschwiegen?

Kabinettsmitarbeiter und Gesellschaften

45.                 In der Globalaudionet.Radioinformationsservice AG fanden sich bis zum
Konkurs derselben Mario Fagitsch als Geschäftsführer, Michael Lielacher als
Gesellschafter und Fritz Simhandl gemeinsam mit Gerald Mikscha als
Aufsichtsräte. Welche weiteren Funktionen in Kapital- und
Personengesellschaften haben bzw. hatten Mitarbeiter Ihres Kabinetts?

46.                 Welche Nebenbeschäftigungen haben MitarbeiterInnen Ihres Kabinetts
gemeldet?

47.                 Welche Funktion hatte Mario Fagitsch im Finanzministerium, als er mit
Firstlnex die erste Präsentation für Ihre Website vorbereitete?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage gemäß
§ 93 Abs. 1 GOG verlangt.