1511/J XXII. GP
Eingelangt am 25.02.2004
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ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Elisabeth Grossmann,
Oberhaidinger
und GenossInnen
an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
betreffend die Erhaltung der
Energieversorgungssicherheit im Süden Österreichs anlässlich der
Stilllegungspläne des Kraftwerksstandortes Voitsberg
Angesicht der insbesondere in der Steiermark
stark steigenden Stromnachfrage und der begrenzten Leitungskapazitäten in die
Steiermark ist die Erhaltung von Kraftwerkskapazitäten im Süden Österreichs ein
Gebot der Stunde. In diesem Zusammenhang sind Ankündigungen des Verbunds, das
Kraftwerk Voitsberg im Jahr 2006 vom Netz zu nehmen, völlig unverständlich.
Damit wird die energiewirtschaftliche Situation in der Steiermark im Strombereich weiter angespannt werden
und ist mit noch höheren Leitungsverlusten auf den ohnehin ständig überlasteten
Nord/Süd-Leitungen zu rechnen.
Versorgungssicherheit ist im liberalisierten
Markt keine zentrale Vorgabe mehr. Ausfallszeiten werden zum kalkulierten
Risiko des gerade noch Zumutbaren, Instandhaltung wird „anlassbezogen“
definiert und auf ein gerade noch tolerables Maß heruntergeschraubt. Deshalb
liegt der Schwerpunkt ausschließlich beim Ausbau der Hoch- und
Höchstspannungsnetze, die für internationale Stormtransite bezüglich ihrer
Kapazitäten optimiert werden. Die verlustarme, weil möglichst verbrauchernahe
Erzeugung elektrischer Energie, die hochwertige Arbeitsplätze im Inland
sicherte, fällt einer rein grenzkostenorientierten Sicht eines
grenzüberschreitenden Stromhandels(trading) zum Opfer.
In Folge dieser ausschließlich betriebswirtschaftlichen
Überlegungen der Unternehmen steht die Steiermark vor der Schließung der 3.
kalorischen Kraftwerkesanlage, dem Dampfkraftwerk Voitsberg III, welches Mitte
2006 konserviert und damit praktisch stillgelegt werden soll. Damit werden im
arbeitsplatzsensiblen weststeirischen Raum insgesamt rund 350 Arbeitsplätze
verloren gehen. Ein Schließungsbeschluss des Aufsichtsrates der Austrian
Terminal Power (ATP) vom 20.11.2003 liegt vor.
Dies, obwohl eine Impulsstudie, die im Auftrag
der steirischen Arbeiterkammer erstellt wurde zeigt, dass eine Weiterführung
durch Nachrüstung und eine Umstellung der Brennstofflogistik auch im
liberalisierten Strommarkt durchaus möglich wäre. Da in der Europäischen Union
bis zum Jahr 2020 rund 1000 Kraftwerksblöcke von der Leistung des
Dampfkraftwerkes Voitsberg III fehlen werden und damit dringend zusätzliche
Kapazitäten geschaffen werden müssen, liegt es lediglich am Wollen der
Betreibergesellschaft, an diesem Standort die richtigen Investitionen zu
setzen, um das Kraftwerk Voitsberg –es kann technisch noch mehr als 20 Jahre
betrieben werden – weiterzufahren. Auch Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel hat
im Rahmen seines Steiermark Besuches im Herbst 2003 sein Unverständnis über die
Schließungspläne bekundet.
Namhafte steirische Industriebetriebe stöhnen
bereits unter den, seit der Liberalisierung wieder stark gestiegenen
Industriestrompreisen und bekunden Interesse an einer Übernahme und Fortführung
des Kraftwerkes zu ihrer eigenen Stromversorgung.
Die enormen Stromzuwächse im Süden der
Steiermark zeigen, dass eine leistungsstarke Erzeugung in diesem Teil
Österreichs zur Sicherung des Netzbetriebes und aus Gründen einer reibungslosen
Versorgung der Kunden unverzichtbar ist.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher
an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit nachstehende
Anfrage:
1. Wie
wird das hohe Niveau an Versorgungssicherheit und die für einen reibungslosen
stabilen Netzbetrieb notwendige kalorische Erzeugung im Süden Österreichs in
Zukunft bereitgestellt?
2. Was
gedenken Sie zu tun, um eine verbrauchernahe Produktion von elektrischer
Energie in der Steiermark, die akzeptable Strompreise für die Industrie, aber
auch für die Haushaltskunden sicherstellt, auch für die Zukunft außer Frage zu
stellen?
3. Wie
beurteilen Sie als Wirtschaftsminister die Chancen und Möglichkeiten die
Schließung des Kraftwerke Voitsberg III zu verhindern?
4. Ist
es richtig, dass die Stranded Investment-Regelung keine ausdrückliche Schließungsverpflichtung
nach sich zieht insbesondere bei einer Änderung der Betriebsart?
5. Halten
Sie die Verlustberechnungen der ATP für das Kraftwerk Voitsberg trotz des
gestiegenen Strompreises und der weiter steigenden Nachfrage für
nachvollziehbar? Sind hierbei die im Falle einer Schließung von Voitsberg zu
erwartenden zusätzlichen Leitungsverluste gegengerechnet? Sind dabei Aspekte
der Versorgungssicherheit einkalkuliert?
6. Wer
wird im Falle eines großflächigen Stromausfalles in der Steiermark in Zukunft
haften? Oder anders gefragt, gibt es eine derartige Haftungsverpflichtung für
die APG?
7. Wäre
angesichts des wirtschaftlichen Risikos - immerhin ist im Fall eines Ausfalls
des Verbundnetzes (ohne Tirol und Vorarlberg) österreichweit mit einem
volkswirtschaftlichen Schaden von 40 Mio. € pro Stunde zu rechnen – eine
sinkende Versorgungssicherheit, insbesondere in der Steiermark, überhaupt
vertretbar?
8. In
welcher Form wollen Sie in Zukunft die Elektrizitätswirtschaft zu den
notwendigen Investitionen anregen, um die Versorgungssicherheit zu
gewährleisten?
9. Wie
beurteilen Sie in diesem Zusammenhang das Versorgungssicherheitspaket, das auf
europäischer Ebene diskutiert wird?
10. Welche
Mitsprachemöglichkeiten kommen den Bundesländern zu, um die
Versorgungssicherheit im Bundesgebiet zu gewährleisten? Oder anders gefragt:
Können Bundesländer Qualitätsstandards für die Versorgungssicherheit in ihrem
Bundesgebiet festlegen, welche die Elektrizitätsversorger einhalten müssen?
11. Welche
regionalwirtschaftlichen Alternativen sehen Sie nach einem allfälligen
Schließen des Braunkohlebergbaus und des Kraftwerks Voitsberg? Haben Sie dafür
bereits als Wirtschaftsminister – allenfalls gemeinsam mit der Steiermärkischen
Landesregierung – einen Krisenplan erarbeitet?
12. Gedenken
Sie etwas gegen die unverkennbare Tendenz der Elektrizitätswirtschaft zu tun,
sich zunehmend aus der verbrauchernahen heimischen Produktion zurückzuziehen
zugunsten eines grenzüberschreitenden Stromhandels, wodurch sich die Gefahr
einer ausschließlichen Abhängigkeit von Importstrom ergibt?