1545/J XXII. GP

Eingelangt am 26.02.2004
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Rest-Hinterseer, Lichtenberger, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend Neubau der Tauernbahnstrecke im Gasteinertal als Hochleistungsstrecke

 

 

Das Ergebnis der mit großem Aufwand abgeführten Mediation über den Neubau der Tauernbahnstrecke im inneren Gasteinertal als zweigleisige HL-Strecke wurde zwar als privatrechtlicher Vertrag festgehalten, bisher aber nicht umgesetzt. Vom bislang vorletzten FPÖ-Verkehrsminister wurde das Ergebnis auch bereits politisch zurückgewiesen, vom derzeitigen Minister erfolgte im Jänner 2004 an engagierte BürgerInnen aus der Region eine Absage hinsichtlich der in Paket 2 enthaltenen Teile des Projekts. Hingegen wird aus der Salzburger Landesregierung der Eindruck vermittelt, es würde alles vertragskonform vorangehen. Die Entlastung der Gemeinden und Betroffenen vom bereits derzeit und umsomehr bei Eintreffen der für den HL-Ausbau prognostizierten Verkehrszunahmen schwer beeinträchtigenden Bahnlärm ist jedoch eine unausweichliche Notwendigkeit.

 

Nun soll offenbar der Ausbau der Strecke in einer gestückelten und veränderten Form in Angriff genommen werden. Am 15.12.2003 wurde offenbar ein Antrag auf eisenbahnrechtliche Genehmigung eingebracht. Der Bau der Eisenbahn-Hochleistungsstrecke durch das Gasteinertal soll unter Umgehung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und ohne die dringend erforderliche und auch vereinbarte Anpassung der Ausbaumaßnahmen an die Interessen des Umweltschutzes, des Tourismus und der Bevölkerung erfolgen. Damit ist unter anderem der Kurortestatus der Anrainergemeinden und somit ein wesentliches touristisches Standbein gefährdet.

 

Die Frage der UVP-Pflichtigkeit des Ausbauvorhabens wurde bereits in den Neunzigerjahren intensiv und rechtlich kontrovers diskutiert, was letztlich auch Auslöser des damals durchgeführten, umfangreichen Mediationsverfahrens war. Österreich hat sich im EU-Beitrittsvertrag von 1994 hinsichtlich der Tauernachse zum „Bau einer europäischen Eisenbahn-Fernverkehrsstrecke“ verpflichtet, wobei diese Verpflichtung bereits mit der Erklärung der Tauernachse zur HL-Strecke per Verordnung im Jahr 1989 vorweg genommen wurde. Die seitens des Verkehrsressorts und der ÖBB in den Neunzigerjahren dennoch vertretene Rechtsmeinung, eine UVP-Pflicht bestehe nicht, da ein „präzises konkretes Projekt“ damals nicht vorgelegen habe, kann in jedem Fall nicht mehr aktuell sein, da die Projektkonkretisierung offenbar weit fortgeschritten ist und zB betreffend den Neubau der Angertalbrücke bereits Verfahren im Gang sind.

 

Die offenkundig beabsichtigte Stückelung des Gesamtprojekts ändert hingegen nichts an der UVP-Pflichtigkeit: Der erweiterte Neubau der Angertalbrücke an anderem Ort ist integrierender Bestandteil des Neubaus der Strecke als HL-Strecke, der Bau solcher Eisenbahn-Fernverkehrsstrecken ist generell von der UVP-Richtlinie der EU erfasst, die innerstaatlichen UVP-Schwellenwerte sind vom Gesamtprojekt zusätzlich nachweislich überschritten. Unabhängig davon wird durch die aktuelle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Einklang mit der Europäischen Judikatur klar bestätigt (vgl. Erkenntnis vom 25.6.2002, GZ. 2000/13/0136), dass in jedem Fall bei Inangriffnahme eine Umweltverträglichkeitsprüfung des Gesamtprojekts durchzuführen wäre, da die Strecke bis heute nicht als Eisenbahn-Fernverkehrsstrecke im Sinne der UVP-Richtlinie „genehmigt“ ist. Diese Genehmigung kann nicht durch Erwähnungen der Strecke in europäischen oder nationalen Beschlüssen oder Regelungen ersetzt werden. Ein anhand der innerstaatlichen Rechtsvorschriften (UVP-G) getroffenes Ergebnis erweist sich dem VWGH zufolge aber nur als rechtmäßig, wenn es im Einklang mit der Richtlinie des Rates vom 27.6.1985 über die UVP (UVP-Richtlinie) steht.

 

Dennoch bestehen derzeit begründete Zweifel, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung über dieses für Umwelt und Lebensqualität so zentrale Projekt bzw. Projektbündel beabsichtigt ist.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Welche eisenbahnrechtlichen Verfahren im Zusammenhang mit dem Neubau der Tauernbahn im Gasteinertal als HL-Strecke a) laufen derzeit, b) sind Ihres Wissens für die nächste Zeit in Aussicht genommen?
  2. Wann erfolgten in diesem Zusammenhang im einzelnen welche Einreichungen bei der Behörde?
  3. Erfolgte insbesondere eine gemeinsame Einreichung für Angertalbrücke und anschließende Tunnelstrecken?
  4. Entsprechen die einzelnen Einreichungen inhaltlich den Festlegungen im privatrechtlichen Vertrag der ÖBB mit Land, Gemeinden und Aktionsgemeinschaft über das Ergebnis der Mediation, und wenn nein, worin bestehen die Abweichungen?
  5. Welche sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung des Projekts in den Gemeinden Bad Hofgastein und Badgastein a) laufen derzeit, b) sind für die nächste Zeit in Aussicht genommen?
  6. Werden dabei die Inhalte des erwähnten Vertrags vollinhaltlich umgesetzt, wenn nein, warum nicht?
  7. Wer trägt die politische Verantwortung, falls die ÖBB eingegangene privatrechtliche Verpflichtungen verletzt?
  8. Wird über das Gesamtprojekt die nötige Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt, wenn ja wann, wenn nein, warum im einzelnen nicht?
  9. Ist Ihnen in diesem Zusammenhang ein Antrag auf Feststellung der UVP-Pflicht bekannt?
  10. Sind die Vorgaben der Schienenverkehrslärm-Immissionsschutzverordnung im Raum Bad Hofgastein und Badgastein erfüllt, und wenn nein, was werden Sie in diesem Zusammenhang im einzelnen bis wann unternehmen?
  11. Welche sonstigen Maßnahmen zur Entlastung der Bevölkerung in den Gemeinden des Gasteinertals vom Bahnlärm werden Sie wann im einzelnen setzen, nicht zuletzt in Umsetzung der EU-Umgebungslärm-Richtlinie?
  12. Welchen Einfluß hat die Umstrukturierung und Filetierung der ÖBB gemäß ÖBB-Strukturgesetz 2003 auf die Umsetzung der Inhalte des erwähnten Vertrags?
  13. Wie stehen Sie zur Angabe von BM Gorbach, der Neubau der Strecke gemäß Einigung in der Region würde „fast 300 Mio Euro“ kosten, wo doch die im Mediationsverfahren vorgelegten Original-Aufstellungen der ÖBB – die bei Infrastrukturprojekten erfahrungsgemäß selten zu wenig großzügig schätzen und auch in diesem Fall einen Aufschlag von 15% für „Unvorhergesehenes“ eingerechnet hatten - 174 bis maximal 203 Mio Euro Investitionssumme angeben?
  14. Welche konkrete Grundlage lag der kostenmäßigen Quantifizierung dieses Projektes im GVP im einzelnen zugrunde?
  15. Wie bewerten Sie die Tatsache, dass in der Region Badgastein-Bad Hofgastein jedes Jahr mehr als doppelt so viele Einnahmen erwirtschaftet werden wie das Gesamtprojekt laut ÖBB-Angaben kosten würde und dass diese Einnahmen bei zunehmenden Lärmproblemen infolge unvollständiger Umsetzung des Mediationsergebnisses gefährdet wären?
  16. Ist es entsprechend den klaren Aussagen auf Seite 40 des GVP zutreffend, dass die in Paket 2 des GVP aufgeführten Schienenprojekte nicht finanziert sind, und wie stehen Sie vor dem Hintergrund der Umweltrelevanz von Infrastrukturinvestitionen dazu?
  17. Ist diese Nichtfinanziertheit insbesondere für die Strecke Kralbach-Böckstein der Fall?
  18. Wie stehen Sie dazu, dass Ihr für Verkehr zuständiger Regierungskollege trotzdem nach wie vor und daher offensichtlich fälschlich behauptet (zB im Parlament am 28.1.2004 im Rahmen der von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde zum Thema „Kommt die Umwelt unter die Räder?“), dass 30 der 45 Euro-Milliarden oder zwei Drittel der im GVP aufsummierten Investitionsmittel in den Schienenbereich fließen?
  19. Welchen Beitrag werden Sie für eine Änderung des realen Verteilungsschlüssels bei Verkehrs-Infrastrukturinvestitionen dahingehend leisten, dass der Investitionsschwerpunkt des Bundes und der in seinem Eigentum stehenden Gesellschaften den zahlreichen Ankündigungen von der Priorität der Schiene und der Verlagerung auf ebendiese gerecht wird?
  20. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass zu diesem Zweck die Möglichkeiten der RL 1999/62/EG zur Querfinanzierung sowie die daneben bestehenden Möglichkeiten zur Querfinanzierung genützt werden?