1554/J XXII. GP

Eingelangt am 09.03.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

ANFRAGE

der Abgeordneten Petra Bayr und GenossInnen

an den Bundesminister für Justiz betreffend die Justizanstalt Schwarzau.

Seitens einiger Insassinnen der Justizanstalt Schwarzau und deren Angehörigen wurde
uns folgender Sachverhalt zugetragen:

Am Mittwoch, 4.2.2004 wurde von einer Spezialeinheit der Justizwache eine
Alarmübung in der Justizanstalt Schwarzau durchgeführt. Die Einheit bestand aus ca.
140 Beamten in Kampfanzügen und mit Schlagstöcken und Schilden ausgerüstet. Nach
unseren Informationen hat sich die Einheit in der Früh in Gerasdorf gesammelt, um dann
unangekündigt ihre Alarmübung in der einzigen Justizanstalt für Frauen in ganz
Österreich zu begehen. Gegen 11.30 Uhr fiel die Einheit in der Justizwacheanstalt
Schwarzau ein. Ab dem Zeitpunkt war es BesucheIinnen unmöglich die Justizanstalt zu
betreten. Die meisten Insassinnen wurden von ihren üblichen Tätigkeiten zuerst in ihre
Zellen gebracht und eingesperrt. Daraufhin erfolgt die Durchsuchung der Zellen,
während der die Frauen zumeist mit dem Gesicht und den Händen zur Wand, in den
Gängen, Küchen und auch in der Anstaltskapelle stehen mussten. Der „Zellenfilz"
dauerte ungefähr eineinhalb Stunden. In dieser Zeit wurden die spärlichen persönlichen
Habseeligkeiten der Frauen ohne Rücksicht durchsucht. Folgende aufklärungswürdige
Vorfälle gibt es aufgrund dieses Einsatzes:

   Die Frauen dürfen nur einmal pro Woche Wäsche waschen. Trotzdem wurden die
 Wäsche in großen Gesten auf den Zellenböden verteilt und die Männer
 trampelten mit den Schuhen darauf herum.

     Selbiges  gilt  auch  für  die  Betten,   auf  denen   ebenfalls  mit  den   Stiefeln
      herumgetrampelt wurde, obwohl sich die Frauen nachts wieder in das selbe Bett
.     legen mussten.

    Lebensmittel, wie Zucker, Mehl, etc., wurde in den Küchen ausgeschüttet, andere
 haben gefehlt.

  Handarbeiten, mit denen sich einige Frauen einen Nebenverdienst machen,
 wurden zerrissen, aufgetrennt, zerstört.

   Die Jugendlichen mussten ihren Englischkurs abbrechen, waren über 11 Stunden
 ohne Mahlzeit und über 5 Stunden ohne Trinken.

   Während den Leibesvisitationen und der Durchsuchung der Zellen in der Dauer
 von mindestens drei Stunden durften die Frauen die Toiletten nicht benützen,

     Wäsche und Kleidung wurde zerrissen.

  Die Leibesvisitationen wurden zwar von einigen Beamtinnen der Justizanstalt
 durchgeführt, fanden aber unter anderem auf engstem Raum in den Vorräumen
 der WC-Anlagen statt (jeweils 2 Insassinnen und 2 Beamtinnen) sowie in der
 Anstaltskapelle und den Dienstzimmern.


    Während der Aktion wurde ein neuartiges, angeblich nicht zugelassenes Gerät
zur Körperabtastung im Hinblick auf Drogendepots verwendet. .

    Persönliche Gegenstände wurden zerstört (z.B. Porzellan zerbrochen).

    Schläge wurden angedroht.

Die Verwüstungen waren im Erstvollzug und in der Jugendabteilung am schlimmsten.
Nur die Mutter-Kind-Abteilung blieb unbehelligt.

Die Aktion war angeblich durch Herren des Bundesministeriums begleitet. Einsatzleiter
soll ein Herr Dr. Drechsler - Sicherheitsinspizient - gewesen sein. Auch der
Anstaltsleiter der Justizanstalt Hirtenberg soll anwesend gewesen sein. In den während
der Übung durch interne Truppenbe
obachter geführten Protokollen sollen sich keine
Einträge über die Verwüstungen und Übergriffe befinden.

Nach der „Übung" zog sich die Truppe zum abschließenden Mahl in den Speisesaal
zurück.

Die Einsatztruppe wirkte paramilitärisch, straff organisiert und salutierte beim An- und
Abtreten. Die Beamten wirkten auf die Frauen bedrohlich. Die Insassinnen berichten
über
wochenlange Angstzustände. Der Anstaltspsychiater hat seit dem 4.2. ein erhöhtes
Arbeitspensum.

Die Aktion wurde von den Frauen sehr entwürdigend empfunden und mit Nazimethoden
gleichgesetzt. Es wurde von niemandem erklärt was passiert und warum, weder den
Beamtinnen noch den Insassinnen. Einige sprechen davon sich wie Tiere gefühlt zu
haben.

Es gibt bisher Briefe der verschiedensten Gruppen innerhalb und außerhalb der
Justizanstalt an das Bundesministerium für Justiz und Beschwerden, besonders auch
der beiden Pfarrer, ob der durchgeführten Leibesvisitationen in der Kapelle.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Justiz
folgende

Anfrage:

1.  Entspricht es der Wahrheit, dass innerhalb der österreichischen Justizwache eine
militärisch organisierte Kampftruppe besteht?

2.  Wenn ja, wie wird diese genannt?

3.  Wenn   nein,   wer  sonst  hat  den  Vorfall   am  4.2.2004   ausgeführt   und   zu
verantworten?

4.      Wenn ja, wem untersteht sie?

5. Seit wann besteht sie?

6. Aufgrund welcher Entscheidung wurde sie eingesetzt?


7.    Wie viele Bedienstete umfasst sie?

8.    Welche Befehle hat sie?

9.    Was ist das Ziel der Einheit?

10.  Was war das Ziel der „Alarmübung" in der Justizanstalt Schwarzau am 4.2.2004?
11 . Wer wurde über den Einsatz im Voraus informiert?

12.  Wo und wann fanden bisher ähnliche Einsätze statt?

13.  Welche Ergebnisse oder Erkenntnisse brachten diese Einsätze?

14.  Welche Ausbildung haben die am Einsatz teilnehmenden Bedienstete?

15. Aus welchem Grund werden Übungen von Kampftruppen in einer Frauenanstalt
 durchgeführt?

16. Warum wurden bei einer angeblichen Übung Leibesvisitationen an Unbeteiligten
 (nämlich den zivilen Insassinnen) überhaupt durchgeführt?

17.Stimmen Sie zu, dass die Übergriffe der Einheit grobe Verstöße gegen die
Würde des Menschen sind?

18. Stimmen Sie der Aussage zu, dass Durchsuchungen gerechtfertigt sein müssen
 und nicht als Willkürakt gesetzt werden dürfen?

19.     Sind Sie persönlich der Meinung, dass inhaftierte Frauen geeignete
Übungsobjekte für eine Kamptruppe sind?

20.Warum wurden die persönlichen Gegenstände, Wäsche und Lebensmittel, die
bekannterweise von Häftlingen von hohem Wert sind, zerstört?

21.Wie soll die Entschädigung der Frauen von Statten gehen? Wie sieht eine
offizielle Entschädigung für einen inoffiziellen Einsatz aus?

22. Werden die Insassinnen psychologisch nachbetreut?

23. Sind weitere „Übungs"-Einfälle in dieser Art geplant?

24. Wer trägt die politische Verantwortung für diese Truppe?

25.     Ist damit zu rechnen, dass dieser Vorfall im jährlich erscheinenden
Menschrechtsbericht der Organisation Amnesty International Erwähnung finden
wird?

26.     Mit welchen Konsequenzen müssen die einsatzführenden Bediensteten für ihre
menschenrechtsunwürdige Vorgangsweise bei diesem Einsatz rechnen?

27. Wie ist der Einsatz am 4.2.2004 politisch zu rechtfertigen?

28.     Welche Konsequenzen bezüglich Befehle und Ziel dieser Einheit werden Sie auf
Grund dieses menschrechtsunwürdigen Einsatzes ziehen?

29. Wann ist mit einer Auflösung dieser Einheit zu rechnen?