1566/J XXII. GP

Eingelangt am 16.03.2004
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Dringliche Anfrage

gem. § 93 Abs. 2 GOG

 

 

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer

und GenossInnen

an den Bundesminister für Landesverteidigung

betreffend „Das Eurofighter-Debakel der Bundesregierung – ein Blindflug auf Kosten der österreichischen Steuerzahler“

 

Die militärische Notwendigkeit von Kampfflugzeugen ist umstritten, die Entscheidung für den Eurofighter als die teuerste Variante, die nur als Prototyp existierte, zusätzlich fragwürdig, die budgetäre Situation erlaubt keine derartigen Ausgaben und die österreichische Bevölkerung ist mit großer Mehrheit gegen den Ankauf von Kampfflugzeugen. Trotzdem wird diese Anschaffung mit all den damit verbundenen Konsequenzen von dieser Regierung „durchgezogen“. Wobei die jüngste Konsequenz darin besteht, dass zusätzlich zumindest 75 Millionen Euro (mehr als eine Milliarde Schilling) an Mietkosten für Uralt-Flugzeuge ausgegeben werden, um die Zeit zwischen der Ausmusterung des Draken und der (Vielleicht)Indienststellung des Eurofighter zu überbrücken.

 

Der Beschluss, zusätzlich 75 Millionen Euro auszugeben, fällt in eine Zeit, in der es massive Pensionseinbußen für Neupensionisten gibt und in der Mindestpensionen gekürzt wurden. Trotz massiver Proteste der Opposition und der Bevölkerung war die Regierung nicht bereit für eine (unzureichende) Reparatur dieser Kürzungen mehr als 30 Millionen Euro auszugeben – nicht einmal die Hälfte jenes Betrages, der für die F-5 ausgegeben wird. Es verfestigt sich daher immer mehr der Eindruck, dass massiven sozialpolitischen Einschnitten – vor allem im Bereich der Pensionen – unverantwortliche Verschwendung durch den Ankauf der Eurofighter gegenübersteht.

 

Der vergangene Woche vom Rechnungshof präsentierte Prüfbericht zu den Eurofightern bestätigt die bisherige von der SPÖ geübte Kritik an diesem teuersten Beschaffungsvorgang der 2. Republik. Die finanziellen Auswirkungen dieser Anschaffung (Stichwort Betriebskosten) wurden nicht berücksichtigt. Es ist unklar, ob und wann dieses Flugzeug jemals geliefert werden kann. Ebensolche Unklarheit besteht bezüglich der Einsatzfähigkeit dieses Prototyps, der niemals von österreichischen Piloten probegeflogen wurde. Der Eurofighter entpuppt sich bezüglich seiner Kosten als ein Fass ohne Boden, die Entscheidung der Regierung für dieses Flugzeug als ein Blindflug auf Kosten der österreichischen Steuerzahler.

 

Begonnen hat die völlig unverantwortliche Vorgangsweise der VP/FP-Bundesregierung im März und April 2002, als wesentliche Ausschreibungskriterien während des laufenden Verfahrens verändert wurden. Sogenannte „Mussforderungen" wurden in sogenannte „Sollkriterien" umgewandelt, damit deren Nichterfüllung nicht zu einer zwingenden Ausscheidung des Anbieters aus dem Verfahren führen.

Wesentliche Kriterien, die von „Muss" auf „Soll" verändert wurden, waren der Liefertermin und die Länge des Lieferzeitraums für die neuen „Kampfjets".

In der Ausschreibung war zunächst vorgesehen, dass die neuen Kampfflugzeuge schon 2005 verfügbar sein müssen. Die Änderung dieser Kriterien hatte nicht nur zur Folge, dass der Eurofighter bevorzugt wurde, sondern auch, dass die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nun für eine Übergangslösung mit Uralt-Fliegern zusätzlich 75 Millionen Euro zahlen müssen.

Die zwingende Voraussetzung, „dass ein Bieter seine Bereitschaft erklären muss, vor Vertragsabschluss eine Flugerprobung zur Überprüfung der Einsatztauglichkeit in Österreich vorzunehmen", wurde bei der Typenentscheidung und auch beim Ministerratsvortrag vom
1. Juli 2003 gänzlich außer Acht gelassen. Dies wieder zum Vorteil des Eurofighters, da dieses Kampfflugzeug der einzige angebotene Flugzeugtyp war, der keiner Flugerprobung durch österreichische Bundesheerpiloten unterzogen wurde, obwohl dies - wie bereits erwähnt – als Musskriterium bei der Ausschreibung definiert wurde.


Minister Platter bestätigte in der Sitzung des Bundesrates am 24. Juli 2003 im Rahmen einer Dringlichen Anfrage der SPÖ, dass es keine solche Flugerprobung gab. Seine Erklärung dafür wörtlich: „Weil eine Dokumentation von Betreibernationen vorhanden ist, in der jede Situation millimetergenau dargestellt wird".

 

 

Diese Aussage Platters steht im völligen Widerspruch zu den Erkenntnissen des Deutschen Bundesrechnungshofes, der die Flugfähigkeit der Eurofighter mit Stand 30.06.2003 bewertet hat.


Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Eurofighter und seine Komponenten, laut den Prüfungsergebnissen des Deutschen Rechnungshofes, über ein Jahr nach der Typenentscheidung durch die österreichische Bundesregierung nur zu 6% akzeptiert, zu 60% probegeflogen und die Betriebskosten, die für die deutsche Luftwaffe erst 2004 abschätzbar sein werden, daher auch für die österreichische Bundesregierung noch gänzlich unbekannt waren.

 

Alles Umstände, die vor der interessierten Öffentlichkeit, aber auch im Nationalrat und Bundesrat von der Bundesregierung verschleiert wurden, bzw. Umstände, über welche die Bundesregierung die Bevölkerung und die Abgeordneten falsch informierte.

 

Bundeskanzler Schüssel hat seine „Wahlkampfgaukelei“ - Österreich bekomme diese Kampfflugzeuge eigentlich ohnehin von freundlichen Unternehmern geschenkt - in der Pressestunde am 4.Mai 2003 schon selbst aufgedeckt, indem er diese nur als Wahlkampf-Idee bezeichnete, um die Emotionen herauszunehmen.

 

In der Deutschen Zeitung „Handelsblatt“ wurde am 27. Feber 2004 folgendes berichtet:

 

 BAE Systems glaubt nicht an schnelle Eurofighter-Einigung. Britischer Rüstungskonzern richtet sich stärker auf den US-Markt aus

 

Der größte Rüstungskonzern in Europa, die britische BAE Systems plc, rechnet mit weiteren Verzögerungen beim Eurofighter. Eine Entscheidung über die zweite Tranche dürfte erst Ende des Jahres fallen, sagte Chief Operating Officer Steve Mogford gestern in London. "Und auch dafür gibt es keine Garantie." Die vier an dem Großprojekt beteiligten Länder Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien wollen sich eigentlich bis Sommer auf den Bau von weiteren 236 Kampfflugzeugen einigen. "Wir sind da weniger optimistisch", hieß es bei BAE Systems skeptisch.“

 

Nun ist es klar, dass die Österreichische Bundesregierung, die schon im Jahr 2002 die Typen-entscheidung und im Jahr 2003 die Kaufentscheidung für den Eurofighter der Tranche 2 getroffen hat, nur über ein Phantom entscheiden konnte, weil es bis zum heutigen Tag keinen einzigen Eurofighter der Tranche 2 gibt.

 

Der Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes, III-72 d.B. vom 9. März 2004, betreffend

Luftraumüberwachungsflugzeuge: Typenentscheidung, Gegengeschäfte, bestätigt die SPÖ-Kritik voll inhaltlich.

 

Rechnungshofpräsident Fiedler kritisierte in diesem Zusammenhang öffentlich die Mängel im Procedere der Entscheidung. Er bezog sich konkret darauf, dass die im Ministerrat genannten Zahlen für den Anschaffungspreis nicht ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen sind. Er verwies darauf, dass weitere Defizite oder Mängel im Rechnungshof-Bericht enthalten sind.

 

Der Rechnungshof merkte in seinem Bericht sowohl Zweifel als auch Bedenken an

o        den nicht nachvollziehbaren Bewertungskriterien,

o        dem Entscheidungsprozess,

o        dem angegebenen Gesamtpreis im Ministerrat,

o        der Leistungsfähigkeit sowie

o        der Beurteilung der Gegengeschäfte

an.

 

Nachdem dem Rechnungshof keine Erprobungsergebnisse über den Eurofighter vorlagen, äußerte der Rechnungshof grundsätzliche Zweifel und Bedenken, ob die Eurofighter-Kampfflugzeuge überhaupt den vertraglichen Bestimmungen entsprechen. Insbesondere zweifelt der Rechnungshof

o        den Liefertermin (wäre nochmals vertraglich abzusichern)

o        die Zuverlässigkeit der technischen Komponenten (auch der Bewaffnung !!!)

o        die volle Einsatzfähigkeit (Probeflüge sind unbedingt notwendig !!!)

o        die Zukunftsfähigkeit u.a. als „Luftaufklärer“ (fehlende Ausrüstung !!!) sowie

o        die angeblichen Betriebskosten

an.

 

Mit jedem neuen Detail zum Eurofighter-Beschaffungsvorgang wird das Ausmaß des Debakels deutlicher.

 

 

Zuerst wurde mit aller Kraft die Entscheidung für das teuerste Kampfflugzeug durchgedrückt, obwohl bekannt war, dass das Flugzeug zum vereinbarten Zeitraum nicht lieferbar ist.

 

Dann ist der Bevölkerung mehr als ein Jahr vorgegaukelt worden, dass der Wartungsvertrag für die Saab-Draken, zumindest bis 2005, demnächst unter Dach und Fach ist.

Zu guter Letzt wurde der Bevölkerung mit der Variante, neue Eurofighter von anderen Luftwaffen ab 2005 "auszuborgen", Sand in die Augen gestreut.

 

Es erscheint beinahe wie ein Faschingsscherz, dass nun Minister Platter jene Northrop F-5 / Tiger- Flugzeuge, die 1985 auf Grund der schwächeren Leistung gegenüber dem Draken ausgeschieden wurden, 20 Jahre später um 75 Mio. Euro in den Dienst des Österreichischen Bundesheeres stellt.

 

Durch die augezählten Argumente wird mehr denn je bestätigt, dass der Eurofighter-Ankauf die teuerste Fehlentscheidung der Zweiten Republik ist.

 

Die SPÖ unternimmt mit dieser Dringlichen Anfrage einen weiteren Versuch, Licht in das Desaster rund um die teuerste Fehlentscheidung der Geschichte der Zweiten Republik, die Beschaffung der Eurofighter-Kampfflugzeuge, zu bringen.

 

 

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Landesverteidigung folgende

 

Anfrage:

1.       Ist bei den Herstellernationen bereits die Entscheidung gefallen, Eurofighter-Typhoon-Kampfflugzeuge der Tranche 2 – also jenes Flugzeugtyps, den die Republik Österreich am 1. Juli 2003 schon bestellt hat - anzuschaffen?
a)       Wenn ja, wann ist diese Entscheidung gefallen?
b)        Wenn ja, mit welcher Ausstattung werden diese Kampff
lugzeuge der Tranche 2

                    produziert werden?

c) Wenn ja, wie hoch ist der Anschaffungspreis für diese Kampfflugzeuge der Tranche    2 pro Stück?

d)      Wenn nein, wann wird bei den Herstellernationen die Entscheidung fallen, ob, mit welcher Ausstattung und zu welchem Preis Eurofighter-Typhoon-Kampfflugzeuge der Tranche 2 angeschafft werden?

 

2.       Nach Medienberichten sind die Betreibernationen an drastischen Preisreduktionen beim Eurofighter-Programm interessiert. Wie hoch sind die zu erwartenden Preisreduktionen pro Stück für die Betreibernationen?

 

3.       Gibt es noch eine Möglichkeit für Österreich, die Preise für die bestellten „Eurofighter" zu senken?
a)        Wenn ja, wie hoch sind diese Preisnachlässe?
b)        Wenn nein, warum nicht?

4.       Waren dem Bundesministerium für Landesverteidigung in der Phase der Typenentscheidung die Minder- und Fehlleistungen des Eurofighters bekannt?

Welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?

         

5.       Warum wurde auf die Erprobung der Eurofighter Kampfflugzeuge durch österreichische Piloten verzichtet?

6.       Welche Dokumentation von welcher Betreibernation, in der jede Situation des Eurofighter-Typhoon millimetergenau wiedergegeben wurde, wie Sie wörtlich im Bundesrat ausführten, lag dem Bundesministerium für Landesverteidigung in der Phase der Typenentscheidung vor?
Von welcher Tranche des Eurofighter-Typhoon stammt diese Dokumentation?

7.       Welche Dokumentation von welcher Betreibernation, in der jede Situation des Eurofighter-Typhoon millimetergenau wiedergegeben wurde, wie Sie wörtlich im Bundesrat ausführten, lag dem Bundesministerium für Landesverteidigung in der Phase der Kaufentscheidung vor?
Von welcher Tranche des Eurofighter-Typhoon stammt diese Dokumentation?

8.       Der Rechnungshof-Bericht (III-72 d.B.) zeigt deutlich die Mängel und Zweifel am Liefertermin und der Leistungsfähigkeit des Eurofighters auf. Der Rechnungshof empfiehlt sogar eine vertragliche Absicherung gegen diese Risken. Insgesamt wären das klassische Gründe für eine rückwirkende Vertragsauflösung ohne finanziellen Schaden für die SteuerzahlerInnen.
Welche Möglichkeiten bestehen für die Republik Österreich, aus dem Vertrag betreffend die Beschaffung von Eurofightern auszusteigen?

          a) Welche Sachverhalte müssen laut Vertrag vorliegen, um einen Ausstieg möglich zu  machen?

          b) Wurde gemäß den Empfehlungen des Rechnungshofes der Nachweis für die Erfüllbarkeit technischer Komponenten einschließlich der vollen Luftkampffähigkeit durch eine praktische Flugerprobung des Eurofighter in Österreich durch österreichische Piloten nunmehr sichergestellt?

          c) Wurde gemäß den Empfehlungen des Rechnungshofes die Realisierbarkeit des Lieferplans nochmals überprüft und entsprechend vertraglich abgesichert?

 

9.       Für den Zeitraum von 2004 bis 2009 sieht die Bundesregierung offensichtlich kein Problem darin, die österreichische Luftraumüberwachung mit angemieteten ausländischen Flugzeugen vorzunehmen.

          a) Haben Sie ein derartiges Modell auch auf seine Tauglichkeit als Dauerlösung, also als Alternative zur teuren Anschaffung von Kampfflugzeugen, überprüft und zu welchem Ergebnis sind Sie dabei – insbesondere was die Kosten betrifft – gekommen?

          b)          Welche Flugzeugtypen wurden dabei überprüft?

 

10.     Werden Sie die Northrop F-5 / Tiger-Flugzeuge, die 1985 auf Grund der schwächeren Leistung gegenüber dem Draken ausgeschieden wurden, in den Dienst des Österreichischen Bundesheeres stellen?
a)           Wenn ja, wann und wie lange?
b)           Wie hoch sind die Gesamtkosten für die Miete dieser Flugzeuge?

          c) Welche sonstigen Kosten (Flughafenumbauten, Funk etc.) entstehen für die gesamte Mietdauer?

 

11.     Der Rechnungshof stellte unter Punkt 18 fest:

          “In einer Wochenzeitschrift vom 22. März 2003 wurde ein mit 25. Juni 2002 datierter und vom damaligen Bundesminister unterfertigter Ministerratsvortrag abgedruckt, der das Kampfflugzeug „Gripen“ bevorzugte. Der Rechnungshof ersuchte daher das BMLV um Übermittlung der entsprechenden Originalunterlage. Trotz wiederholter Aufforderung konnte das BMLV dem Rechnungshof keine diesbezüglichen Schriftstücke vorlegen.“

          Handelt es sich bei dem unterfertigten Ministerratsvortrag vom 25. Juni 2002 um eine Fälschung?

a)             Wenn ja, welche rechtlichen Schritte wurden gegen die Veröffentlichung eingeleitet?

b)             Wenn nein, wie lautet der Wortlaut dieses unterfertigten Ministerratsvortrags vom 25. Juni 2002?

 

12.     Welche Konsequenzen haben Sie und Ihr Ressort darüber hinaus aus den Berichtsergebnissen des Österreichischen Rechnungshofes und des Deutschen Bundesrechnungshofes im Einzelnen und im Detail gezogen?

 

 

 

 

 

 

 

 


In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln.