1619/J XXII. GP

Eingelangt am 25.03.2004
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Lichtenberger, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend den Einsatz der Bundesregierung für wichtige österreichische Schienenprojekte (Graz-Maribor, Linz-Ljubljana) in Brüssel und bei den Nachbarstaaten

 

 

Derzeit befindet sich auf EU-Ebene die bereits überfällige Revision der Leitlinien zu den Transeuropäischen Netzen (Verkehr) in der Endphase. Die Vorstellungen von Rat und Europaparlament liegen dabei weit auseinander, unter anderem hinsichtlich der in Anhang III des vorgesehenen Beschlusses von Rat und EP enthaltenen Liste prioritärer Verkehrs-Infrastrukturprojekte. Das Europaparlament hat eine Reihe von Abänderungsanträgen beschlossen, die vor allem zusätzliche konkrete Projekte beim umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene zum Inhalt haben, im Gegensatz zum mehrheitlich auf Straßen fixierten Rat. Zugleich besteht seitens des Rates und der Kommission größtes Interesse an einem schnellen Kompromiß, notfalls auch unter Beugung des Mitentscheidungsrechts des EP, um der alten Kommission noch ein Erfolgserlebnis zu bescheren.

 

Um zu einer Annäherung der divergierenden Standpunkte zu gelangen, fanden zuletzt unter Einbezug der Kommission intensive informelle Auseinandersetzungen zur Frage statt, welche der Abänderungsanträge des Europaparlaments der Rat akzeptieren könnte und welche aus welchen Gründen nicht. Aus österreichischer Sicht ist diese Auseinandersetzung insofern außerordentlich bedeutend, als es um die Frage geht, ob für weitere der zahlreichen dringend erforderlichen Ausbauprojekte im Schienennetz eine Kofinanzierung aus EU-Mitteln erreicht wird.

 

Insbesondere angesichts der Beteuerungen der derzeitigen Bundesregierung zur Priorität des Schienenausbaus Richtung Beitrittsstaaten wäre für derartige Projekte das volle Engagement der Regierung und ihrer VertreterInnen in Brüssel und bei den Nachbarstaaten zu erwarten gewesen. Unter anderem geht es um den Ausbau der Strecken Graz-Maribor und der Pyhrnbahn Linz-Ljubljana, deren Berücksichtigung das Europaparlament verlangt hat. Ein Papier der EU-Kommission vom 15.3.2004 zu diesem Thema, das den befassten Europaparlamentariern übermittelt wurde, hält jedoch zu den entsprechenden vom EP beschlossenen Abänderungsanträgen (amendments) folgende Positionierungen der einzelnen Staaten im Wortlaut fest:

 

„Amendment No. 19

Maribor-Graz: Slovenia and Austria are not supporting the adding of Maribor-Graz. Hungary is against as it will divert traffic from the main route Ljubljana-Budapest (as defined in pan-European Corridor V). The adding can therefore not be taken up by the Council since the concerned country does not agree (Article 156).

(…)

Amendment No. 26

Rail line Linz-Ljubljana: The amendment does not define it goes through Villach (West) or Graz and Maribor (East). In the first case, it would go through difficult mountainous areas and could be highly costly. In the second case, it is like the amendment No.19 and therefore unacceptable for Slovenia and Hungary. In both cases. In both cases, neither Austria nor Slovenia are interested. It therefore can not be accepted since the concerned countries does not agree with it (Article 156).”

 

Demzufolge habe die österreichische Regierung die Aufnahme von „Maribor-Graz“ in die TEN-Prioritätenliste also „nicht unterstützt“ und offenbar auch Slowenien nicht von der Wichtigkeit dieser Strecke überzeugt. Zur Pyhrnbahn sei Österreichs Regierung (wie auch Slowenien) unabhängig von der offenbar nicht ausreichend präzisen Definition der Trassenführung jedenfalls „nicht interessiert“ gewesen.

 

Verkehrsminister Gorbach hat nach Konfrontation mit diesen Aussagen zunächst die Überbringer der Botschaft der „Falschinformation“ und des „Weges der Desinformation“ geziehen. Später hieß es aus dem Verkehrsministerium, es müsse sich um „Protokollfehler“ der Kommission handeln (die dann zufällig bei zwei verschiedenen Projekten in sinngemäß gleicher Richtung passiert sein müssten). Es wurden jedoch seitens des Verkehrsministers keine Belege für diese Behauptung vorgelegt; vielmehr ist die Wortwahl der entsprechenden Aussendungen und Aussagen nicht geeignet, das vom Kommissionspapier vermittelte Bild der mangelnden Unterstützung, des Desinteresses sowie des unzureichenden Lobbyings bei den Nachbarstaaten zu zerstreuen. Darüberhinaus hat die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung ihr Desinteresse an diesen Projekten bereits durch deren nachgereihte Berücksichtigung im GVP nachdrücklich dokumentiert.

 

Im Gegensatz dazu hat die Bundesregierung beim Hineinreklamieren der entbehrlichen neuen Transitautobahn A5 Wien-Brünn in die TEN-Prioritäten größtes Engagement an den Tag gelegt. Umsomehr ist es unverständlich, dass sich die schwarzblaue Bundesregierung nicht entsprechend für die prioritäre Berücksichtigung von wichtigen Schienenprojekten einsetzt. Es handelt sich schließlich um Projekte, für die im GVP teilweise die Finanzierung fehlt, sodaß die Regierung speziell für diese Projekte zusätzliche seriöse Finanzierungsquellen unbedingt mit Nachdruck ansprechen müßte.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

  1. Was wurde seitens der Bundesregierung konkret über die Routineaktivitäten in den Brüsseler Gremien hinaus unternommen, um die am 11.3. im Europaparlament gefassten Beschlüsse über zusätzliche vorrangige TEN-Projekte mit Österreichrelevanz zu unterstützen?
  2. Falls zwischen 11.3. und 15.3. nichts bzw. nichts Zusätzliches unternommen wurde - warum?
  3. Aufgrund welcher schriftlichen Eingaben und Positionierungen Ihrerseits bzw. Ihrer VertreterInnen auf Ratsebene bzw. gegenüber der Kommission kommen Sie zur Einschätzung, dass es sich bei den in der Anfragebegründung zitierten Aussagen der Kommission im „Non-Paper“ vom 15.3.2004 über Desinteresse Österreichs „in both cases“ um (gleich zwei inhaltlich übereinstimmende) „Protokollfehler“ handeln soll?
  4. Ist es zutreffend, dass Österreich auf Ratsebene die Aufnahme des Ausbaus der Bahnstrecke „Maribor-Graz“ in die TEN-Prioritätenliste „nicht unterstützt“ hat? Wenn nein, bitte um entsprechende schriftliche Belege, etwa aus dem COREPER oder anderen Gesprächsebenen im Rat und mit der Kommission.
  5. Mit welcher Begründung lehnt Slowenien die Berücksichtigung des Abschnitts Graz-Maribor ab, nachdem einen solche Ablehnung bisher nicht bekannt war und auch in der Van-Miert-Gruppe nicht deponiert worden war?
  6. Welche Aktivitäten haben Sie bzw. Ihre VertreterInnen im einzelnen gesetzt, um Slowenien von der Wichtigkeit der Strecke Graz-Maribor und ihrer Aufnahme in die TEN-Prioritätenliste zu überzeugen?
  7. Welche Aktivitäten haben Sie darüber hinaus im einzelnen gesetzt, um Ungarn von seiner Ablehnung der Wichtigkeit der Strecke Graz-Maribor und ihrer Aufnahme in die TEN-Prioritätenliste zu überzeugen?
  8. Ist es zutreffend, dass Graz-Maribor – wie Ihrer APA-OTS 071 vom 26.2.2004 zu entnehmen - bei Ihrer großen Besprechung mit Ungarns Verkehrsminister Csillag in Budapest Ende Februar kein Thema war, obwohl bei diesem Treffen auch TEN-Prioritäten sowie „gemeinsames Vorgehen“ und „Allianzen“ in Brüssel bis hin zum verkehrspolitischen „Schulterschluß“ besprochen wurden?
  9. Ist es zutreffend, dass Österreich auf Ratsebene hinsichtlich des Ausbaus der Bahnstrecke Linz-Ljubljana „nicht interessiert“ war bzw. ist? Wenn nein, bitte um die entsprechenden schriftlichen Belege, etwa aus dem COREPER oder sonstigen Gesprächsebenen im Rat und mit der Kommission.
  10. Welche Aktivitäten haben Sie bzw. Ihre VertreterInnen im einzelnen gesetzt, um Slowenien von der Wichtigkeit der Strecke Linz-Ljubljana und ihrer Aufnahme in die TEN-Prioritätenliste zu überzeugen?
  11. Was haben Sie im einzelnen unternommen, um den angeblichen „Protokollfehler“ der Kommission zu korrigieren? Gibt es insbesondere eine geänderte Version des Kommissionspapiers bzw. eine sonstige schriftliche Information der Kommission über diese Korrektur zuhanden der AdressatInnen des ursprünglichen Kommissionstextes?
  12. Was haben Sie seit dem 15.3. im einzelnen unternommen, um auf Ratsebene und gegenüber der Kommission den durch das Kommissionspapier dokumentierten Eindruck der Nichtunterstützung und des Desinteresses Österreichs für die Strecken Graz-Maribor und Linz-Ljubljana zu korrigieren und doch noch eine Aufnahme dieser Strecken in die Liste der TEN-Prioritäten entsprechend den EP-Beschlüssen zu bewerkstelligen?
  13. Bekennen Sie sich ausdrücklich zur Ausweisung der Bahnstrecke Linz-Ljubljana als TEN-Priorität vor dem Hintergrund, dass nach geltendem Verhandlungsstand bei der Wegekostenrichtlinie nur dann die Einhebung erhöhter LKW-Mautsätze auf parallelen Straßenachsen zulässig sein könnte?
  14. Ist es zutreffend, dass die Umsetzung des GVP um etwa 50% höhere Investitionen pro Jahr erfordern würde, als auf gesetzlicher Grundlage für Schieneninvestitionen jährlich verfügbar sind?
  15. Ist es zutreffend, dass die Kostenschätzungen für die einzelnen Schienenprojekte des GVP deutlich zu niedrig sind?
  16. Wie hoch sind – soweit sie nicht mehr den Angaben im GVP entsprechen - die aktuellen Kostenschätzungen für die in den Paketen 0, 1a, 1b und 2 des GVP enthaltenen Schienenprojekte im einzelnen?