1642/J XXII. GP
Eingelangt am 01.04.2004
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ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Maier
und GenossInnen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend „Diversion in Österreich– Das
Diversionsangebot an Bankmanager (Lombardklub) – Wahrung des
Gleichheitsgrundsatzes?“
Anfang September 2003
wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Wien den in den Lombardverfahren
beteiligten Bankmanager ein Angebot zur Diversion unterbreitet hat. Diese haben
das Angebot angenommen und Geldbußen bezahlt. Auch der VOEST-Alpine-Chef
Strutzl wurde wegen Insiderhandel nicht verurteilt, nachdem er den Weg der Diversion
gewählt und 50.000 Euro Geldbuße gezahlt hatte. Darüber hinaus wurde von ihm
auch der „Gewinn“ in der Höhe von 250.000 € der Caritas gespendet und damit
eine Verurteilung abgewandt.
In der Öffentlichkeit
entstand in beiden Fällen der Eindruck, dass diejenigen, die es sich leisten
können, von einem Strafverfahren und einer Verurteilung freikaufen können. Für
die Staatsanwaltschaften bedeutete dies hingegen eine rasche –
ressourcensparende – Erledigung.
Generalpräventive Überlegungen spielten für
die Staatsanwaltschaft in beiden Fällen scheinbar keine Rolle.
Der Hintergrund:
Das Landesgericht für
Strafsachen für Wien führt gegen führende österreichische Bankmanager ein
Vorverfahren wegen des von der EU-Kommission festgestellten Lombard-Kartells.
Am 11.Juni 2002 wurden sechs österreichische Geldinstitute von der
EU-Kommission wegen angeblicher Absprachen von Konditionen im so genannten
Lombard Club zur sechsthöchsten Kartellstrafe in der Geschichte der EU
verdonnert: 124,3 Millionen Euro. Die Banken beriefen gegen das Urteil.
Die sechs Spitzenmanager
der betroffenen Banken sollen auf Basis dieses Diversionsangebots je 50.000 und
Rober Mädl (Volksbanken) 10.000 Euro Buße zahlen.
Der Verein für
Konsumenteninformation (VKI) hat im Interesse von sich dadurch geschädigt
fühlenden Kreditnehmern in diesem Verfahren eine Sachverhaltsdarstellung
eingebracht und um Akteneinsicht ersucht. Konkret geht es darum, Anhaltspunkte
dafür zu prüfen, dass die Zinsgestaltung bei variabel verzinsten Krediten in
der Zeit vor 1997 abgesprochen und zum Nachteil der Bankkunden erfolgt ist. In
dieser Sache hat der VKI weiters die EU-Kommission auf Gewährung einer
Akteneinsicht in deren Kartell-Akt geklagt.
Nun wurde im September
2003 bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Wien den genannten Bankmanagern ein
Angebot zur Diversion unterbreitet hat. Danach konnten sich die Manager bzw.
Banken durch Zahlung von Geldbeträgen freikaufen, wobei für einige die Zahlung
des Bußgeldes durch deren Bank erfolgte. Von einer Verantwortungsübernahme der
Verdächtigen bzw. der Banken wurde öffentlich nichts bekannt. Diese Geldbeträge
gingen an den Bund, die geschädigten BankkundInnen gingen dabei jedoch leer
aus.
Dabei hätte die Strafprozessordnung
durchaus auch die Möglichkeit offengelassen, die Diversion von einer
„Schadenswiedergutmachung“ abhängig zu machen.
Der VKI hielt dazu u.a.
fest:
·
Das Angebot der Diversion setzt voraus, dass die Staatsanwaltschaft von
einer strafbaren Handlung ausgeht. (Freilich gilt bis zu einer Verurteilung die
Unschuldvermutung.) Damit sieht sich der VKI bestätigt, dass die von der
EU-Kommission aufgedeckten Absprachen gesetzwidrig waren.
·
Die Staatsanwaltschaft geht aber – entgegen den Feststellungen der
EU-Kommission – davon aus, dass kein Schaden eingetreten sei. Gerade die
Zinsabsprachen bei variabel verzinsten Krediten und das künstliche Hochhalten
der Zinsen bei fallenden Indikatoren für Geld- und Kapitalmarkt in den
Neunzigerjahren hat aber bei Kreditnehmern – nach Ansicht des VKI – sehr wohl
zu Schäden geführt. Die Staatsanwaltschaft hat es verabsäumt, die Diversion
auch von einer Schadensgutmachung in diesem Bereich abhängig zu machen. Diese
Fragen werden also durch die zuständigen Zivilgerichte zu klären sein.
·
Die Staatsanwaltschaft hat – entgegen der Intention des Gesetzgebers –
mit dem VKI (als Vertreter von Geschädigten) keine Rücksprache gehalten, bevor
das Diversionsangebot an die Bankmanager gemacht wurde.
·
Wird das Strafverfahren wegen Diversion eingestellt, dann geht für den
VKI eine Chance verloren, Kenntnis von den Lombard-Kartell-Akten zu bekommen.
Die Kenntnis dieser Akten ist aber unabdingbare Voraussetzung dafür,
erfolgreich auf dem Zivilrechtsweg Schadensersatzansprüche gegenüber den
beteiligten Banken geltend zu machen.
·
Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft erinnert an die Haftung des OGH im
Zinsenstreit: Die Unrechtshandlung wird – vom OGH klar, hier impliziert –
festgestellt, einer Schadenswiedergutmachung an die BankkundInnen wird aber
eine Absage erteilt.
Die Banken haben daher
nun Grund, das Vertrauen ihrer KundInnen wiederzugewinnen und mit den
Verbraucherschützern in konkrete Verhandlungen zur Schadenswiedergutmachung
einzutreten. Widrigenfalls wurden durch den VKI-Sammelklagen angedroht.
Die Staatsanwaltschaften verfahren
allerdings bei anderen Delikten und Personen anders – die nachfolgenden
Beispiele zeigen dies sehr deutlich auf:
·
Strafantrag gegen einen Mann, der zweimal die Lebensgefährtin am Hals
würgt. Diese wird leicht verletzt, er ist unbescholten und geständig. Die
Geschädigte will kein Strafverfahren, der Richter weist ATA zu. Die Geschädigte
stimmt zu. Allerdings glauben beide, dass diversionelle Bewährungshilfe das
Beste wäre. Diese Erklärung gibt der Täter auch schriftlich ab. Die Geschädigte
verzichtet auf Schmerzensgeld.
Richterbeschluß auf Einstellung nach § 90f Strafprozessordnung: 2 Jahre
Probezeit und Schadenswiedergutmachung. Die Staatsanwaltschaft erhebt dagegen
Beschwerde wegen Generalprävention und Schwere der Schuld.
·
Die Angezeigte (unbescholten, Ausländerin) versucht in einem Supermarkt
Waren im Wert von € 70,-- zu entwenden.
Die Schadenswiedergutmachung erfolgt durch Abgabe der entwendeten Waren und
Bezahlung der Aufwandskosten von € 75,--. Polizei weist bei der Vernehmung
explizit auf Möglichkeit der Diversion hin.
Strafantrag durch Bezirksanwalt, ohne die Nichtanwendung der Diversion zu
begründen.
·
Tätliche Auseinandersetzung zwischen Ehepaar einerseits und Schwägerin
andererseits, da die Schwägerin mit dem Mann ein Verhältnis haben soll, dies
aber bestreitet. Die Schwägerin holt ihren Mann und ihren Bruder zu Hilfe.
Schlussendlich werden bei der Auseinandersetzung die beiden Frauen unerheblich
bzw. leicht verletzt.
Zitat aus der Anzeige: „Der Ablauf des Geschehens bei dieser rein familiären
Auseinandersetzung wurde von Beteiligten sehr unterschiedlich geschildert und
Vorwürfe im Hinblick auf gerichtlich strafbare Handlungen in Abrede gestellt.“
Strafantrag durch die Staatsanwaltschaft.
·
Bekannt wurde in Österreich auch der Fall des 14jährigen rumänischen
Ladendiebs. Dieser kam unter der (überzogenen) Annahme gewerbsmäßigen Handelns
in U-Haft und wurde dort vergewaltigt. Letztlich wurde der 14jährige ohne
Anspruch einer Strafe als Dieb schuldig erkannt. Gerade dieser Fall führte auch
zur Frage wie „stimmig“ die staatliche Reaktionen auf strafbares Verhalten noch
sind.
Während nach dem
Inkrafttreten der Diversionsregelungen eine „Verantwortungsübernahme“ nach dem Ausgleichgespräch in der
Konfliktregelung als Voraussetzung einer Verfahrenseinstellung nach § 90g StPO
definiert wurde, wird nunmehr ein „Geständnis“ als Voraussetzung einer
Zuweisung betrachtet. Da vor allem bei Delikten, die in einem Konfliktkontext
stehen („Konfliktregelung“), die Sichtweisen der Beteiligten höchst
unterschiedlich sind, liegt diese Voraussetzung in vielen Fällen nicht vor. Die
Erfahrung früherer Jahre hat jedoch gezeigt, dass im Hinblick auf positive
Abschlüsse zwischen Fällen, in denen ein Geständnis bei der Polizei vorliegt
und solchen, in denen dies wie beschrieben nicht der Fall ist, kein
nennenswerter Unterschied besteht.
Mit diesem Argument und
mit einem im Vergleich zu früher wesentlich restriktiveren Umgang mit dem
Begriff „schwere Schuld“ wurde 2003 der ATA-Rückgang hauptsächlich
argumentiert.
Die diversionsrechtlichen Bestimmungen:
Mit der (großteils) am
01.01.2000 in Kraft getretenen Strafprozessnovelle 1999, BGBl. I Nr. 55, wurde eine
allgemeine gesetzliche Grundlage für Diversionsmaßnahmen (Formen staatlicher
Reaktion auf strafbares Verhalten, welche den Verzicht auf die Durchführung
eines Strafverfahrens oder die Beendigung eines solchen ohne Schuldspruch und
ohne förmliche Sanktionierung des Verdächtigungen ermöglichen) geschaffen.
Der wesentliche Inhalt dieser Novelle lässt
sich wie folgt zusammenfassen:
Das neu eingefügte
Hauptstück IXa ermöglicht den
Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages, nach Erbringung
gemeinnütziger Leistungen, nach einer Probezeit (allenfalls in Verbindung mit
Bewährungshilfe und der Erfüllung von Pflichten) oder nach außergerichtlichem
Tatausgleich.
Die Interessen der Opfer
werden insbesondere dadurch gefördert, dass mit allen Diversionsformen
Schadensgutmachung oder ein sonstiger Tatfolgenausgleich in weitestgehendem Umfang
verbunden werden soll (Sicherheitsbericht 2002).“
„Ein ausführlicher Einführungserlass des Bundesministeriums
für Justiz zur Strafprozessnovelle 1999 wurde im November 1999 herausgegeben.
Allen Diversionsmaßnahmen ist gemeinsam, dass sie einen hinreichend geklärten
Sachverhalt voraussetzen, somit einen Grad des Tatverdachts, der an und für
sich zur Erhebung des Anklage ausreichen würde. Ihr Anwendungsgebiet ist auf
die Bezirks- und Einzelrichterzuständigkeit beschränkt. Eine diversionelle
Erledigung ist ferner in den Fällen ausgeschlossen, in denen die Schuld des
Verdächtigen als schwer anzusehen wäre oder die Tat den Tod eines Menschen zur
Folge gehabt hat. ......“
Als Diversionsmaßnahmen sind im Gesetz
Geldbuße, gemeinnützige Leistungen, Rücktritt von der Verfolgung nach Probezeit
sowie außergerichtlicher Tatausgleich vorgesehen.
Diese Regelungen sind
grundsätzlich als eine positive Weiterentwicklung des Strafrechts anzusehen.
Wenn der Verdächtige Verantwortung für seine Tat übernimmt und hinreichende
Wiedergutmachungsleistungen erbringt, kann auf Durchführung eines
Strafverfahrens, Schuldspruch und Strafe verzichtet werden.
Diversion – Enquetekommission – Weitere
Entwicklung in Österreich?
Am 27.April 2000 wurde
vom Hauptausschuss des Nationalrates – nachdem der Bundespräsident eine
grundsätzliche Anregung in diese Richtung öffentlich gegeben hatte – eine
Enquete-Kommission zum Thema „Die Reaktionen auf strafbares Verhalten in
Österreich, ihre Angemessenheit, ihre Effizienz, ihre Ausgewogenheit“ eingesetzt.
Die Enquete-Kommission
hat sich am 21.Juni 2000 unter Vorsitz des damaligen FPÖ-Justizsprechers Abg.
Dr. Harald Ofner konstituiert. Es wurden 13 Arbeitssitzungen zwischen Oktober
2000 und Juli 2002 abgehalten. Einen abschließenden Endbericht der
Enquete-Kommission hat es nicht gegeben, da die Gesetzgebungsperiode vorzeitig
(nach den „Knittelfelder Ereignissen“) aufgelöst wurde und somit nach dem
Prinzip der Diskontinuität der Gesetzgebungsperiode auch diese
Enquete-Kommission mit Beendigung der Gesetzgebungsperiode ein Ende gefunden
hat.
Als Ergebnis zum
Themenkomplex Verhältnismäßigkeit der Strafdrohungen im gerichtlichen
Strafrecht gab es ein 17 Punkte umfassendes Thesenpapier des Bundesministeriums
für Justiz als quasi inhaltliche Zusammenfassung.
Zum Themenkomplex
Diversion wurde aber kein Thesenpapier des BMJ verfasst. Die ganz überwiegende
Mehrheit der Stellungsnahmen haben das Instrument der Diversion sehr positiv
eingeschätzt, Stellungnahmen auf Einschränkung der Diversion hat es in dieser
Enquete kaum gegeben.
Nun wurde jedoch Ende
2003 durch Justizminister Böhmdorfer eine Kommission mit rund zehn Personen
(Juristen, Professoren und Journalisten) unter Vorsitz der Vizepräsidentin des
Verfassungsgerichtshofes Dr. Brigitte Bierlein ins Leben gerufen habe, welche
sich insbesondere mit der Diversion, aber auch mit dem Verhältnis von
Strafdrohungen bei Delikten gegen Leib und Leben einerseits und
Eigentumsdelikten anderseits beschäftigen soll. Begründet wurde die Einsetzung
der Kommission vom Justizminister unter anderem damit, dass diversionelle
Maßnahmen in jüngster Zeit „Verwirrung ausgelöst“ hätten, (siehe dazu: Der
Standard, 18.Sept. 2003, Seite 11).
BM Dr. Böhmdorfer hat
sie einer AB vom 20.11.2003 wie folgt begründet:
„In der letzten Zeit
haben einzelne justizielle Entscheidungen zugunsten einer diversionellen
Erledigung im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts im Zusammenhang mit der
herkömmlichen Durchführung von Strafverfahren (Strafantrag, Verurteilung) in
anderen, wenig gravierenden Fällen Diskussionen in der Öffentlichkeit über die
Plausibilität, Angemessenheit und Vergleichbarkeit der Verfolgung und Ahndung
unterschiedlichen straffälligen Verhaltens geführt, insbesondere über die
Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes bei Diversionsanboten der
staatsanwaltschaftlichen Behörden. Diese Diskussion ist, wie bekannt, sowohl in
den Medien, von Strafrechtsexperten und Politikern, als auch in einer breiteren
Öffentlichkeit geführt worden, wobei zum Teil ein gewisses Unbehagen an einzelnen
Aspekten der justiziellen Entscheidungspraxis artikuliert worden ist. Der
Landeshauptmann von Kärnten war einer der vielen Teilnehmer an dieser
Diskussion.
Dem auf mehreren Ebenen
zutage getretenen gesellschaftlichen Bedürfnis nach Information und Diskurs
über die Strafen- und Diversionspraxis der Justizbehörden wollte ich rasch
Rechnung tragen. Ich habe daher die Vizepräsidentin des
Verfassungsgerichtshofes, Dr. Brigitte BIERLEIN, die aufgrund ihrer
langjährigen Strafrechtspraxis über reiche Erfahrungen verfügt, gebeten, eine
kleine Expertenkommission einzuberufen, um die staatlichen Reaktionen auf
strafbares Verhalten und insbesondere deren Transparenz und Nachvollziehbarkeit
in der Bevölkerung zu überprüfen.
Ich sehe in der
Einsetzung dieser Expertenkommission einen in der Demokratie normalen Vorgang
und keine „Konkurrenz“ zur oder gar „Korrektur“ gegenüber der parlamentarischen
Enquete-Kommission der XXI. Gesetzgebungsperiode, zumal die jetzige
Expertenkommission nicht nur eine andere Arbeitsweise (zB Einholung
schriftlicher Äußerungen zahlreicher Strafrechtswissenschafter, Praktiker und
Journalisten), sondern auch einige andere Schwerpunkte hat (Entwicklung vom
Strafrecht zum Kriminalrecht, strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer
Personen, Informationspolitik der Strafjustiz). Die Arbeiten der
Expertenkommission sollen auch möglichst rasch zum Abschluss gebracht werden.“
Kritisiert wurde seit
Herbst 2003 (nach den Strutzl- und Lombardfall) von Praktikern und Experten die
ungleiche Anwendung (Diversionspraxis), mangelnde Transparenz (keine
schriftliche Begründung), der Einsatz der Diversion als Instrument zur
Aufwands- und Arbeitsersparnis in
der Justiz (insbes. bei Wirtschaftsdelikten), die fehlende bzw. zu geringe
Einbindung der Opfer und das Überwiegen der Geldbuße gegenüber
sozialkonstruktiven Anwendungsbereichen (Tatausgleich, Gemeinnützige
Leistungen, Probezeit in Verbindung mit Auflagen). Die Anwendung selbst sollte
grundsätzlich die volle Schadenswiedergutmachung gegenüber dem Opfer
voraussetzen.
Obwohl die Diversion
gesetzlich voraussetzt, dass der Sachverhalt hinreichend geklärt ist, bieten
die Staatsanwälte vielfach diese auch an, ohne dass die entsprechenden
Unterlagen vorhanden sind. Der Vorteil für die Ankläger: Mit der Diversion ist
der Fall rasch und unkompliziert erledigt, vor allem dann, wenn die
ressourcensparenden Versionen Geldbuße und Probezeit ohne Auflage gewählt
werden (Dr. Elisabeth Rech, ÖRAK).
Die Diversion sollte
sich aber auch durch einen „sozialkonstruktiven“ Akzent auszeichnen.
„Grundvoraussetzung für eine breite Akzeptanz diversioneller Erledigungen ist“,
formuliert Strafrechts-Professor Manfred Burgstaller, „dass sie von der
Bevölkerung als sinnvolle und ausreichende strafrechtliche Reaktion auf die
erfassten Straftaten empfunden werden.“ Am besten eignet sich dafür der
Tatausgleich, die von Sozialarbeitern begleitete Einigung zwischen Täter und
Opfer. Aber auch gemeinnützige Leistungen (wie Hilfsdienste im Spital) oder die
Probezeit mit Auflagen (z.B. Anti-Gewalt-Training, Fahrkurs) stellen
konstruktivere Lösungen dar, als das Überweisen einer Geldbuße (Presse
15.12.2003).
Die unterzeichneten
Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Justiz folgende
Anfrage
1. Wie hoch war im Jahr
2003 der Prozentuelle Anteil von Diversionsangeboten bzw. -maßnahmen im Verhältnis zur
Gesamtanzahl von Strafverfahren bei den einzelnen LG- bzw. den BG-Sprengeln
(Ersuche um Aufschlüsselung nach Bezirksanwaltschaft, Bezirksgerichte,
Staatsanwaltschaft und Landesgericht)?
2. In wie vielen Fällen
wurde eine „Geldbuße“ angeboten und angenommen (Ersuche um Aufschlüsselung nach
Bezirksanwaltschaft, Bezirksgerichte, Staatsanwaltschaft und Landesgericht)? In
wie vielen Fällen wurde das Angebot nicht angenommen?
3. In wie vielen Fällen
wurden „gemeinnützige Leistungen“ angeboten (Ersuche um Aufschlüsselung nach
Bezirksanwaltschaft, Bezirksgerichte, Staatsanwaltschaft und Landesgericht)? In
wie vielen Fällen wurde das Angebot nicht angenommen?
4. In wie vielen Fällen
wurde eine „Probezeit ohne Zusatz“ angeboten und angenommen (Ersuche um
Aufschlüsselung nach Bezirksanwaltschaft, Bezirksgerichte, Staatsanwaltschaft
und Landesgericht)? In wie vielen Fällen wurde das Angebot nicht angenommen?
5. In wie vielen Fällen
wurde eine „Probezeit mit Bewährungshilfe“ oder Übernahme von Pflichten
angeboten und angenommen (Ersuche um Aufschlüsselung nach Bezirksanwaltschaft,
Bezirksgerichte, Staatsanwaltschaft und Landesgericht)?
In wie vielen Fällen wurde das Angebot nicht angenommen?
6. In wie vielen Fällen
wurde ein „Außergerichtlicher Tatausgleich“ angeboten und angenommen (Ersuche
um Aufschlüsselung nach Bezirksanwaltschaft, Bezirksgerichte,
Staatsanwaltschaft und Landesgericht)? In wie vielen Fällen wurde das Angebot
nicht angenommen?
7. In wie vielen Fällen
blieb die Diversion im Jahr 2003 ohne Erfolg?
8. Wie beurteilen Sie diese
neuen Zahlen – gerade im Vergleich zu 2001 und 2002?
9. Inwieweit sind für die
Diversion generalpräventive Überlegungen – insbesondere bei Wirtschaftsdelikten
- zu berücksichtigen?
10. Wie beurteilen Sie insgesamt die
österreichische Diversionspraxis – gerade in Hinblick auf den Fall Strutzl und
den Lombardfall?
11. Warum wurde eine
Schadenswiedergutmachung gegenüber den geschädigten Bankkunden, bei der
Lombard-Diversion ausgeschlossen bzw. nicht zur Bedingung gemacht?
12. Ist es richtig, dass sich damit die
rechtliche – insbesondere verfahrensrechtliche Situation der geschädigten
Bankkunden verschlechtert hat (z.B. keine Einsicht in die Lombard-Kartell
Akten)?
13. Ist es zulässig, dass die Geldbußen
von den Unternehmen und nicht von den verantwortlichen Managern bezahlt werden?
14. Wie beurteilen Sie insgesamt die
Stellungnahme des VKI?
15. Zu wie vielen und welchen
diversionellen Erledigungen im Bereich Wirtschaftsstrafrecht in den Jahren
2001, 2002 und 2003 kam es?
16. Welche Maßnahmen werden Sie
ergreifen, dass bei der Diversion sozialkonstruktive Maßnahmen in Zukunft
verstärkt angeboten werden?
17. Wann werden die Ergebnisse der
jetzigen Expertenkommission vorliegen?
In welcher Form werden Sie diese veröffentlichen?