1643/J XXII. GP
Eingelangt am 01.04.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Ruth Becher
und GenossInnen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend den „revolutionären" Mietrechtsentwurf
von Dr. Garai
Im Februar dieses Jahres sorgte ein in
der „Presse" (12.2.2004) lancierter Entwurf für ein
neues
Mietrecht des Senatsvorsitzenden des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien,
Dr.
Peter
Garai, nicht nur auf Seiten der Opposition, der Mietervereinigung sowie der
Arbeiterkammer
für heftige Kritik, auch der Verband der Immobilientreuhänder und der
ÖVP-Bautensprecher
Wolfgang Großruck bemühten sich, sich von den Ideen des Wiener
Rechtsexperten zu distanzieren. Ziel des von Ihnen in Auftrag gegebenen und von
obiger
Tageszeitung
so apostrophierten „revolutionären" Entwurfes ist es, dem
Regierungsprogramm
entsprechend das Mietrecht zu vereinfachen. Ein Vorhaben, das soweit
grundsätzlich zu begrüßen wäre. Die Ideen, mit denen Dr. Garai hierfür in
seinem Entwurf
aufwartet, gereichen den Mietern jedoch nicht zum Vorteil - im Gegenteil. So
würde etwa die
im Reformentwurf des Wiener Senatsvorsitzenden für Zivilrechtssachen
vorgeschlagene
Abschaffung
der Richtwertmietzinse und ihr Ersatz durch ortsübliche, für vergleichbare
Objekte
bezahlte, so genannte „angemessene Mieten“ nicht nur zu einer massiven
Verteuerung
derselben, sondern infolge der Möglichkeit, die Mietverträge alle fünf Jahre
nachverhandeln
zu können, zur Verunsicherung der Mieterinnen und Mieter aufgrund der
Unkalkulierbarkeit
zukünftiger Mietkosten führen. Die Einführung „angemessener“, d.h.
ortsüblicher
Mieten hätte insbesondere für Wien katastrophale Folgen, zumal hier letztere um
ein vielfaches höher liegen als der derzeit erlaubte Richtwertmietzins.
Leistbares Wohnen als
sozialstaatliches Grundprinzip würde hiermit zur Disposition gestellt werden.
Dem nicht genug, sollen nach den Vorstellungen
von Dr. Garai die Betriebskosten nicht mehr
gesondert angeführt, sondern in einer Bruttomiete inkludiert werden. Dies hätte
wiederum zur
Folge, dass zukünftig nicht mehr überprüfbar wäre, welche Leistungen als
Betriebskosten
katalogisiert
werden, was Vermieter dazu verleiten könnte, Leistungen wie etwa
Schneeräumungen
dem Mieter zusätzlich zu verrechnen. Darüber hinaus sehen die Pläne vor, das
Eintrittsrecht in den Mietvertrag auf Ehegatten und Lebensgefährdeten
einzuschränken.
Des weiteren soll der Kündigungsschutz
entsprechend den Vorstellungen des
Senatsvorsitzenden
dahingehend verschlechtert werden, indem anstelle einer gerichtlichen ein
formloses
Aufhebungsbegehren des Vermieters zu einer Auflösung des Mietverhältnisses
führen
kann. Unklar bleibt bei der vorgeschlagenen Formulierung wie diese Auflösung
vom
Mieter
bekämpft werden kann.
Alles im allen wird
der Entwurf Dr. Garais dem Ziel, ein einfacheres Mietrecht zu schaffen,
nicht
gerecht, vielmehr würden die Vorschläge desselben nach der Einführung der
unsozialen
Kostenersatzpflicht
im wohnrechtlichen Außerstreitgesetz einen weiteren Abbau der
Mieterrechte
bedeuten.
Angesichts der breiten
Ablehnungsfront, die sich aufgrund des so unausgegorenen wie
mieterfeindlichen Entwurfs formierte, reagierten Sie, wie das „Format"
treffend schrieb, mit
„Kindesweglegung" (8/2004, S. 88). Die Pläne Garais seien rein
privater Natur und würden
alleine dessen Expertenmeinung widerspiegeln, nicht einmal Sie als ressortverantwortlicher
Minister,
so Ihre zweifelhafte Beteuerung, wüssten über den Inhalt der
“Diskussionsgrundlage" (OTS106, 12.2.2004) für ein neues
Mietrecht Bescheid. Außerdem,
versuchten Sie im „Standard“ zu kalmieren (13.2.2004, S. 18), sei man „meilenweit
entfernt
von einer Reform des Mietrechts", es gebe „politisch
nichts zu befürchten".
Da Ihre Distanzierung von den
Mietrechtsreformvorschlägen des Wiener Senatsvorsitzenden
für
Zivilrechtssachen in Anbetracht der Tatsache, dass Sie dieselben an diverse Mieter-
und
Vermieter-
sowie Immobilieninteressensvertretungen mit der Bitte um rechtliche Bewertung
und
Stellungnahme versandten, unglaubwürdig erscheint und daher angenommen werden
muss,
dass Sie die Ideen Dr. Garais, wenn nicht goutierten, so doch zumindest darüber
unterrichtet
waren, richten die unterzeichnenden Abgeordneten an den Bundesminister für
Justiz
nachstehende
Anfrage:
1. Haben Sie
dem Senatsvorsitzenden des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien,
Dr.
Peter Garai, den Auftrag erteilt, einen Entwurf für ein neues Mietrecht
auszuarbeiten?
2.
Wenn ja, gab es Ihrerseits für Dr. Garai irgendwelche
inhaltliche Vorgaben bezüglich
der Reform des Mietrechts?
3.
Wenn ja, wie lauteten diese?
4.
Wurde
dem Verfasser des Mietrechtsentwurfs oder,
wie Sie es nennen,
der
„Diskussionsgrundlage“
für ein neues Mietrecht,
dem
Senatsvorsitzenden
des
Landesgericht
für Zivilrechtssachen Wien, Dr. Peter Garai, für seine diesbezügliche
Arbeit
ein Honorar ausgestellt? Wenn ja, wie hoch war dieses?
5.
Wie lösen Sie die widersprüchlichen Aussagen von Ihnen und
Ihres Ressorts auf,
einerseits in Bezug auf die Mietrechtspläne Garais von einem „privaten
Entwurf"
(OTS106,
12.2.2004) zu sprechen, andererseits diesen aber namens des
Justizministeriums
zur Stellungnahme an die Sozialpartner zu versenden?
6.
An Frage 5 anknüpfend: Wie begründen Sie Ihre Aussage in
der „Presse“ vom 13.
Februar
2004, den so genannten „Diskussionsvorschlag“ zur Reform des Mietrechts
nicht zu kennen
bzw. nicht gelesen zu haben, wenn Sie diesen doch zuvor
verschiedenen
Interessensorganisationen zur Begutachtung zukommen ließen?
7.
Wann werden Sie Ihrer im Regierungsprogramm bekundeten
Absicht, das Mietrecht
zu
vereinfachen, näher treten und einen Entwurf für ein neues Mietrecht vorlegen?
8.
Welche Vorschläge des Senatsvorsitzenden für Zivilsachen
Wien, Dr. Peter Garai,
werden
in Ihrer Mietrechtsnovelle Niederschlag finden?
9.
Werden Sie
den Plänen Dr. Garais Folge leisten und das Richtwertmietsystem
abschaffen,
um sodann ortsübliche, d.h. „angemessene“ Mietzinse einzuführen?
10.
Wenn ja, würden „angemessene“ Mietzinse für alle
Mietverträge gelten, d.h. etwa
auch
für Mietverhältnisse, die derzeit im Bereich des WGG geregelt werden, und gibt
es
hierfür Berechnungen bzw. Studien, wie sich diese Maßnahme auf die Mietpreise
auswirken
wird?
11.
Wie soll sich die Ermittlung des „angemessenen“ Mietzinses
gestalten?
12.
Teilen Sie die diesbezügliche Befürchtung, wonach es im
Falle der Koppelung der
Mietzinsentwicklung an ortsübliche Marktpreise zu unabsehbaren Mieterhöhungen
kommen
werde?
13.
Wird von Ihnen im Rahmen der Novellierung des Mietrechts
daran gedacht, das
System
der Richtwertmieten einer Evaluierung zu unterziehen?
14.
Wie beurteilen Sie den Vorschlag Dr. Garais, wonach in
Hinkunft alle Mietverträge
zentral
gespeichert werden und ein daraus abgeleiteter Mietenspiegel im Internet
abrufbar
sein sollte?
15.
Wer würde im Falle der Verwirklichung dieser Empfehlung
die Werte kontrollieren,
die
in die zentrale Datenbank zur Preisermittlung eingegeben werden?
16.
Wie viel würde die Erstellung einer solchen Datenbank
kosten?
17.
Ist eine Anhebung der Miete im Eintrittsfall geplant?
18.
Wenn ja, warum?
19.
Wie
beurteilen
Sie den Vorschlag des Wiener Senatvorsitzenden für
Zivilrechtssachen,
Bruttomietzinse
einzuführen?
Würde dies nicht die
Kostenintransparenz
verstärken, wenn hierbei keine Definition des Leistungskatalogs
hinsichtlich
der Betriebskosten angeschlossen wird?
20.
Planen Sie Änderungen hinsichtlich der Modalitäten der
Betriebskostenabrechnung?
21.
Wie
bewerten Sie den Vorschlag
Dr. Garais, alle 5
Jahre den Mietzins
nachzuverhandeln?
22.
Können Sie im Rahmen der Mietrechtsreform Eingriffe in
bestehendes Mietrecht
ausschließen?
23.
Wenn nein, warum nicht?
24.
Welche Pläne verfolgen Sie hinsichtlich des
Kündigungsschutzes, insbesondere bei
der
klassischen ländlichen Wohnform, dem Ein- und Zweifamilienhaus?
25.
Entspricht das Vorhaben Dr. Garais auch Ihrer Position,
den Kündigungsschutz
dahingehend
aufzuweichen, sodass auch ein Aufhebungsbegehren des Vermieters zur
Kündigung
des Mieters führen kann?
26.
Welche
Pläne verfolgen Sie hinsichtlich der
Rückzahlung der Ablöse oder
Mietzinsvorauszahlung
bei vorzeitigem Vertragsende bzw. der Teilrückzahlung einer
hohen
Ablöse, Mietzinsvorauszahlung oder Kaution?
27.
Ist es richtig, dass die Einspruchsfrist im geplanten einheitlichen
Gebäudebewirtschaftungsgesetzes
von 3 Jahre (MRG) bzw. 30 Jahren (WEG) auf 6
Monate
verkürzt werden soll?
28.
Wenn ja, warum?
29.
Ist es richtig, dass die
Kosten der
Energiebedarfsberechnung im Rahmen des
geplanten einheitlichen Gebäudebewirtschaftungsgesetzes als Betriebskosten
ausgewiesen werden sollen?
30.
Wenn ja, warum?
31.
Inwieweit finden die Pläne hinsichtlich eines
einheitlichen Gebäudebewirtschaftungs-
und -abrechnungsgesetzes im Zuge
der Erarbeitung eines neuen
Mietrechts
Berücksichtigung?
32.
Im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines neuen Mietrechts
wurde von Ihnen ein
Arbeitskreis
Wohnrecht einberufen. Aus welchen
Interessensvertretern setzt
sich
dieser
zusammen?
33.
Befinden sich im Arbeitskreis Wohnrecht auch
Volkswirtschaftsexperten?
34.
Wenn nein, warum nicht?
35.
Zu welchen Ergebnissen ist der Arbeitskreis Wohnrecht
bislang gekommen, bzw.
welche
Vorschläge wurden Ihnen hinsichtlich der Gestaltung eines neuen Mietrechts
von
dieser Expertengruppe bislang unterbreitet?
36.
Wann soll Ihnen das Endergebnis des Arbeitskreises
Wohnrecht präsentiert werden?
37.
In der „Kronen Zeitung“ vom 19. Februar (S. 26) werden
Sie mit der Aussage zitiert,
im
Zusammenhang mit der Reform des Mietrechts einen Konvent, in dem auch Mieter
vertreten
sein sollen, einrichten zu wollen: Gibt es hierfür schon Pläne?
38.
Wenn ja, wann wird dieser ins Leben gerufen?
39.
Werden diesem Mietrechts-Konvent auch Interessensvertreter
beiwohnen?
40.
Wenn ja, nach welchen Kriterien wird die Beiziehung
derselben erfolgen und welche
Stellung
werden die Interessensvertreter innerhalb des Konvents einnehmen?