1776/J XXII. GP

Eingelangt am 25.05.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Lackner

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen

betreffend „Anspruch und Wirklichkeit“ der ÖVP/FPÖ Gesundheitspolitik

Seit Februar 2000 versucht die ÖVP/FPÖ Regierung das „Österreichische Gesundheitswesen“
nachhaltig zu verändern und schädigt es dabei in einzigartiger Weise. Wir wollen die Reformziele der
rechtkonservativen Regierung auf Anspruch und Wirklichkeit prüfen.

Februar 2000:

Die Regierung Schüssel I wird angelobt. Die finanzielle Situation der Krankenkassen ist bekannt.
Hauptverbandspräsident Hans Sallmutter wird abgelöst und die - später vom Verfassungsgerichtshof
aufgehobene   und   von   der   Regierung   wieder   gestrichene   -   Ambulanzgebühr   eingeführt.
„Strukturreformen werden noch kommen" hieß es.

Jänner 2003:

Die Regierung Schüssel II wird angelobt. Das Defizit der Kassen explodiert (im Jahr 2006 wird ein
Abgang von 678 Mio. € [ca. 9,3 Milliarden Schilling] erwartet).

Beitragserhöhungen sind plötzlich kein Problem mehr. Die Beiträge von Angestellten und
Pensionisten werden erhöht, die Freizeitversicherungssteuer für alle eingeführt. Die Menschen werden
bis 2006 mit rund 400 Millionen Euro, die Österreichische Krankenversicherung mit mehr als 370
Mio. Euro belastet.

21. Mai 2004: Kassieren statt Reformieren

Die Regierung erhöht die Beiträge bei Angestellten und bei Pensionisten, belastet die Österreichische

Krankenversicherung und Strukturreformen gibt es noch immer nicht.

Erstes FAZIT: Bundesministerin Rauch Kallat agiert im Gesundheitswesen nach dem Prinzip
Chaos, Abkassieren und Köpferollen.

März 2003 (Regierungsprogramm) und 22. Juli 2003 (Nationalrat):

Die Gesundheitsministerin argumentiert, dass Österreich mit 16.000 Akutbetten über dem EU-Schnitt
liege. Die Regierung hat daher das Ziel 16.000 Akutbetten bis 2006 umzuwidmen bzw. abzubauen.
21. Mai 2004: Es gibt bis dato keinerlei Umsetzungsvorschläge.


Zweites FAZIT: Bundesministerin Rauch Kallat lieferte bisher keine erkennbaren
Strukturreformen.

28. Oktober 2003: „Reformdialog" zum Thema Gesundheit.

Das war kein Reformdialog, sondern bestenfalls ein einmaliger Marketing-Event. Zentrale Fragen der

Strukturreformen und der Finanzierung sowie die Hauptverbandsreform sind nicht einmal berührt

worden.

21. Mai 2004: Seit beinahe sieben Monaten hat es kein weiters Gespräch mit der SPÖ gegeben,

obwohl Bundesministerin Rauch-Kallat wissen müsste, dass die SPÖ in 7 Bundesländern für das

Gesundheitswesen verantwortlich ist.


Drittes FAZIT: Bundesministerin Rauch Kallat hat kein Interesse an konstruktiven Gesprächen
zur Weiterentwicklung des Österreichischen Gesundheitswesens.

März 2003 Regierungsprogramm: „große Fortschritte bei der e - Card"

21. Mai 2004: Es gibt die e - Card noch nicht einmal im Probebetrieb. Die endlose Geschichte der
Gesundheits-Chip-Karte ist ein einziges Chaos. Wir blicken auf ein jahrelanges Hin und Her mit
bereits erfolgter Ausschreibung, Auftragsvergabe und Entzug des Auftrages zurück - und die
Versicherten warten noch immer auf ihre e - Card. Einzig die fragwürdige e- Cardgebühr wurde von
ÖVP und FPÖ bereits im November 2001 beschlossen.

Viertes FAZIT: Bundesministerin Rauch Kallat kann nur kranke Menschen belasten, der Rest ist
Chaos.

10.Oktober 2003 Hauptverbandsreform:

Die Hauptverbandsreform wird vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) praktisch komplett aufgehoben

der    Verwaltungsrat,    die    Geschäftsführung    und    der    Ausschluss    von    Funktionären    sind

verfassungswidrig.

Die von der Regierung im Jahr 2001 beschlossene Reform des Hauptverbands der
Sozialversicherungsträger ist fast zur Gänze verfassungswidrig. Demnach entspricht weder die
Konstruktion der Spitzengremien noch der Ausschluss von Spitzenfunktionären (Hans Sallmutter und
Wilhelm Haberzettl) bei Kammern und Gewerkschaften aus dem sogenannten Verwaltungsrat, de r
österreichischen Verfassung. Die Regierung hat bis 31. Dezember 2004 Zeit, eine
verfassungskonforme Lösung zu finden.

Auch die Neukonstruktion der Organe, wonach die Macht derzeit komplett einem Privatmanagement
(die Geschäftsführung) zufällt ist nicht verfassungskonform.

21. Mai 2004: Es gibt noch immer keine Lösungsvorschläge für eine verfassungskonforme Reform
des Hauptverbandes.

Fünftes FAZIT: Bundesministerin Rauch Kallat setzt keine Schritte um dem Parlament ein
verfassungskonformes Modell für einen „Hauptverband neu" vorzulegen.

13. März 2004 Krankenkassenfinanzierung:

Der Verfassungsgerichtshof hat das im Jahr 2002 von der Koalition beschlossene Modell zur
Sanierung der Krankenkassen aufgehoben. Alle wesentlichen Elemente - die Neuregelung des
Ausgleichsfonds, die Zielvereinbarungen, die Erhöhung der Beiträge, die "Zwangsdarlehen", die
Einbeziehung vier weiterer Krankenkassen - wurden als verfassungswidrig erkannt. Eine Frist zur
Sanierung der Bestimmungen wurde nicht gesetzt.

Die Regelung über die Zielvereinbarungen wurde aufgehoben, weil sie zu wenig bestimmt ist und dem
Hauptverband einseitig aufgetragen wird, eine Vereinbarung zu treffen.

Hinsichtlich der "Zwangsdarlehen", mit denen noch einigermaßen liquide Kassen verpflichtet wurden,
finanziell angeschlagenen Trägern Darlehen zu gewähren, hielt der VfGH fest, dass keine sachlichen
Gründe erkennbar seien, die ein solches Sonderopfer rechtfertigen würden.

21. Mai 2004: Es gibt noch immer keine Lösungsvorschläge für eine verfassungskonforme Lösung
des Liquiditätsproblems der Krankenversicherung.


Sechstes FAZIT: Bundesministerin Rauch Kallat setzt keine Schritte um dem Parlament ein
verfassungskonformes Modell für einen „Kassenfinanzausgleich neu" vorzulegen.

12. März 2004 Medikamentensparpaket:

Verfassungsrechtler Heinz Mayer legt die Verfassungswidrigkeiten der 61. ASVG Novelle offen:

  EU-Durchschnittspreis ist nicht etwas Vorgegebenes: Je nach der verwendeten Methode kann es

zu Preisdifferenzen von 30 bis 70 Prozent kommen. Die Methode bestimmt das Ergebnis.

  Eben diese Methode hätte bis zum 1.1.2004 (Inkrafttreten des Gesetzes) festgelegt werden

müssen. Sie ist aber erst am 10.3.04 im Internet veröffentlicht worden.

  Die Preiskommission als beratendes Organ der Gesundheitsministerin ist für die Festsetzung

eines EU-Durchschnittspreises zur Behörde aufgewertet worden, da in der Kommission auch
der Gesundheitsminister sitze, könne sie überstimmt werden.

  Ab dem 1. Jänner 2004 haben die Unternehmen zu einem Preis geliefert, den sie bestimmt

haben. Was passiert, wenn mit der (EU - Durchschnittspreisbestimmungs-) Methode
herauskommt, dass ihr Preis zu hoch war. Dann wären die Unternehmen zu Rückzahlungen
verpflichtet. Die Unternehmen konnten aber zum Zeitpunkt der Lieferung nicht wissen, wie der
EU-Durchschnittspreis aussieht.

21. Mai 2004: Es gibt noch immer keine Lösungsvorschläge für eine verfassungskonforme Lösung
des Medikamenteneinsparungspaketes.

Siebtes FAZIT: Bundesministerin Rauch Kallat setzt keine Schritte um dem Parlament ein
verfassungskonformes Modell für ein „Medikamentensparpaket neu" vorzulegen.

März 2003 Regierungsprogramm: „Festlegung auf eine „Gesundheitsreform und eine neue
Krankenanstaltenfinanzierung"

24. Februar 2004: Salzburger Nachrichten die Reform wurde klammheimlich verschoben:
„Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) wird die große Gesundheitsreform später
vorlegen, als bisher angekündigt: nicht vor dem Sommer, sondern erst im Herbst. Grund für die
Verzögerung seien die Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund und Ländern, die im Herbst
abgeschlossen werden dürften und vor allem im Zusammenhang mit der Spitalsfinanzierung
wesentlich den Gesundheitsbereich berühren. "

Die Bundesländer haben im Mai 2004 in einem Memorandum einen zusätzlichen Finanzbedarf von
1.036 Mio. Euro angemeldet, während Bundesministerin Rauch Kallat laut Regierungsprogramm 250
Mio. Euro einsparen will. Dies entspricht einer Differenz von rund 1,3 Milliarden Euro.

21. Mai 2004: Es gibt noch immer keine Vorschläge für eine Lösung der auslaufenden
Krankenanstaltenfinanzierung.

Achtes FAZIT: Bundesministerin Rauch Kallat hat keine Lösungsansätze für die Schließung
dieses riesigen Finanzbedarfs bei der Krankenanstaltenfinanzierung und setzt keine Schritte um
dem Parlament ein verfassungskonformes Modell für eine „Gesundheitsreform" vorzulegen.


6. März 2003 Anspruch Zitat aus dem Regierungsprogramm:

Zur Unterstützung eines effizienten Diskussionsprozesses soll die bestehende Österreichische
Gesundheitskonferenz mit allen Verantwortlichen, Betroffenen und Leistungserbringern der besseren
Koordination dienen.

13.Mai 2004 Wirklichkeit:

Offener Brief des Ärztepräsidenten an die Gesundheitsministerin

..... ,,Es ist für die Österreichische Ärztekammer völlig unverständlich, dass ein derartiger Ansatz

überhaupt in eine öffentliche Veranstaltung und von der Leiterin eines dem Ministerium zugehörigen
Instituts in Diskussion gebracht wird. Wenn die Österreichische Ärztekammer als gesetzliche
Interessenvertretung der Arzte erstmals über dieses Vorhaben aus den Medien erfährt, so ist das
höchst befremdlich ".

Neuntes FAZIT: Bundesministerin Rauch Kallat hat kein Interesse einen parteiübergreifenden
Lösungsansatz mit den Menschen und den Leistungsträgern des Gesundheitswesens zu erzielen.

21. Mai 2004 Resümee: Die Menschen wurden mit höheren Rezeptgebühren, Ambulanzgebühren,
dem Wegfall der beitragsfreien Mitversicherung, Beitragserhöhungen für PensionistInnen, der
Einführung einer Freizeitunfallstrafsteuer, der Einführung von generellen Selbstbehalten in der Höhe
von 20 Prozent usw. extrem unsozial belastet. Es wurde keine einzige positive Strukturmaßnahme
gesetzt, die Österreichische Krankenversicherung wurde zusätzlich belastet, es herrscht Irritation.
Bundesministerin Rauch Kallat hat das Vertrauen der Bevölkerung und der Verantwortlichen im
Gesundheitswesen völlig verspielt.

Zehntes FAZIT: Bundesministerin Rauch Kallat hat in der Gesundheitspolitik völlig versagt

Für die SPÖ ist die gesundheitliche Versorgung ein öffentliches Anliegen und nicht Privatsache, daher
ist es eines unserer wesentlichen gesundheitspolitischen Ziele, dass wir den solidarischen Zugang zum
Gesundheitswesen für alle beibehalten wollen.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen
nachstehende

Anfrage

1.  Wie hoch war der Abgang der Sozialen Krankenversicherung 2003?

2.              Wie hoch wird der Abgang der Sozialen Krankenversicherung in den Jahren 2004 - 2006 sein?

3.              Wie hoch ist die gesamte finanzielle Belastung der Angestellten durch die Erhöhung der
Krankenversicherungsbeiträge pro Jahr?

4.              Wie hoch ist die Belastung der Versicherten durch die Einführung des
Freizeitunfall Versicherungsbeitrages pro Jahr?

5.              Wie viele PflegegeldbezieherInnen, in welchen Pflegegeldstufen zahlen diesen
Freizeitunfallversicherungsbeitrag?

6.              Wie hoch ist die gesamte finanzielle Belastung der PensionistInnen durch die Erhöhung der
Krankenversicherungsbeiträge pro Jahr?


7.              Wie ist die weitere Vorgangsweise bei der Einführung von generellen Selbstbehalten in der
Höhe von 20 Prozent?

8.              Wann werden Sie den im Regierungsprogramm angekündigten Abbau bzw. die Umwidmung
von Akutbetten vornehmen?

9.              Wann werden die Strukturreformen im Gesundheitswesen, die Sie im Regierungsprogramm
und beim Reformdialog" zum Thema Gesundheit angekündigt haben, umgesetzt?

10.       Wann werden Sie dem Nationalrat konkrete Modelle zur Strukturreform, wie zum Beispiel die
Gesundheitsagenturen, vorlegen?

11.       Wann kommen die im Regierungsprogramm angekündigten großen Fortschritte bei der e -
Card?

12.       Wann beginnt der Probebetrieb der e - Card?

13.       Halten Sie weiter an der fragwürdigen „e - Cardgebühr" fest, die bereits im November 2001
beschlossen wurde?

14.       Wie wird dieses Modell für den „Hauptverband neu" konkret ausgestaltet sein?

15.       Wann werden Sie dem Nationalrat das konkrete Modell „Hauptverband neu" vorlegen?

16.       Wie wird das Modell für eine verfassungskonforme Lösung des Liquiditätsproblems der
Krankenversicherung ausgestaltet sein?

A) Wann werden Sie dem Nationalrat das konkrete Modell vorlegen?

17.  Wie wird das Modell für eine verfassungskonforme Lösung des Liquiditätsproblems der
Krankenversicherung der Bauern ausgestaltet sein?

A) Wann werden Sie dem Nationalrat das konkrete Modell vorlegen?

18.  Wie wird das Modell für eine verfassungskonforme Lösung des
Medikamenteneinsparungspaketes ausgestaltet sein?

A) Wann werden Sie dem Nationalrat das konkrete Modell vorlegen?

19.  Wie lösen Sie den Konflikt im Bereich der Krankenanstaltenfinanzierung

- Mehrforderungen in der Höhe von 1.036 Mio. Euro versus 250 Mio. Euro Einsparungen im
Regierungsprogramm - mit den Bundesländern?

A)      Wie wird das Modell der „Krankenanstaltenfinanzierung neu" konkret ausgestaltet sein?

B)       Wann werden Sie dem Nationalrat das konkrete Modell vorlegen?

20. Wie lösen Sie die Konflikte, die sie mit allen Verantwortlichen, Betroffenen und
Leistungserbringern im Gesundheitswesen vom Zaun gebrochen haben?