1783/J XXII. GP

Eingelangt am 26.05.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Maier, Dr. Einem

und GenossInnen

an den Bundeskanzler

betreffend von Österreich umzusetzende EU-Richtlinien und sonstige EU-Rechtsakte II

In der öffentlichen Diskussion spielt die verschleppte Umsetzung von EU-Richtlinien in das
nationale Recht immer wieder eine wichtige Rolle (z.B. Vertragsverletzungsverfahren). Es ist
daher von immanenten Interesse der Abgeordneten zum Nationalrat, von der
Bundesregierung wieder Kenntnis darüber zu erlangen, welche Richtlinien durch die jeweils
zuständigen Bundesministerien und Bundesländer bisher noch nicht umgesetzt wurden und
welche Richtlinien in den nächsten Jahren fristgerecht umzusetzen wären.

Auf der anderen Seite ist es ebenfalls für die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit von
Bedeutung, Kenntnis darüber zu haben, welche Verordnungsinhalte mit dem geltenden
nationalen Recht im Widerspruch stehen und dieses derogieren. In solchen Fällen sollte der
nationale Gesetzgeber die mit unmittelbar anwendbarem EU-Recht im Widerspruch
stehenden Bestimmungen aufheben bzw. anpassen.

Von der EU-Kommission wird als Ziel ein Umsetzungsdefizit von maximal 1,5 % akzeptiert. Im
Herbst 2003 wies Österreich das höchste Umsetzungsdefizit in der EU auf (4,4 %). Die EU-Staats-
und Regierungschef legten überdies auf der Tagung des Europäischen Rates in Barcelona im
Frühjahr 2002 das Ziel der so genannten Nulltoleranz fest. „Nulltoleranz“ besagt, dass alle
Richtlinien innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf der Umsetzungsfrist umgesetzt sein sollen.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler folgende

Anfrage:

1.             Welche EU-Richtlinien waren mit Stichtag 1 .März 2004 nicht vollständig bzw.
überhaupt nicht umgesetzt?

2.             Wann sind die diesbezüglichen Umsetzungsfristen abgelaufen?


3.            Welche Bundesgesetze oder Verordnungen bzw. Landesgesetze sind von einer
Umsetzung betroffen?

4.            Welche Inhalte dieser Gesetze oder Verordnungen sind davon betroffen?

5.            Wie viele und welche dieser Richtlinien sind ausschließlich durch den Bund umzusetzen?
Welcher Bundesminister ist jeweils dafür zuständig?

6.            Wie viele und welche dieser Richtlinien sind sowohl vom Bund als auch von den Ländern
(Landtage) umzusetzen? Welcher Bundesminister ist jeweils dafür zuständig?

7.            Wie viele und welche dieser Richtlinien sind ausschließlich von den Ländern
(Selbständiger Wirkungsbereich) umzusetzen?

8.            Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung im Einzelfall dem Nationalrat bisher
keine diesbezügliche Regierungsvorlagen übermittelt bzw. allenfalls keine
entsprechende Verordnung erlassen? Welche Gründe gab es, die gegen eine
fristgerechte Umsetzung sprachen? Wer erhob jeweils Einwände?

9.            Bei welchen dieser Richtlinien ist die Umsetzung seit mehr als 2 Jahren überfällig?

10.    Welche EU-Richtlinien waren bzw. sind nach dem 1.März 2004 umzusetzen?

11 .Wann lief bzw. läuft dafür die jeweilige Frist ab (Aufschlüsselung auf Richtlinien und
jeweilige Fristen)?

12.    Wie viele und welche dieser Richtlinien sind ausschließlich durch den Bund umzusetzen?
Welcher Bundesminister ist jeweils dafür zuständig?

13.    Wie viele und welche dieser Richtlinien sind sowohl von Bund als auch den Ländern
umzusetzen? Welcher Bundesminister ist jeweils dafür zuständig?

14.    Wie viele und welche dieser Richtlinien sind ausschließlich von den Ländern
(Selbständiger Wirkungsbereich) umzusetzen?


15.    Was sind die politischen Hauptinhalte dieser Richtlinien und welche Bundesgesetze
oder Verordnungen bzw. Landesgesetze werden voraussichtlich zu ändern sein?

16.    Welche EU-Verordnungen, die bis 1 .März 2004 in Kraft getreten sind, stehen mit
nationalen Rechtsvorschriften im Widerspruch?

17.    Welche Bundesgesetze oder Verordnungen bzw. Landesgesetze sind davon
betroffen?

18.    Welche Inhalte dieser Gesetze bzw. Verordnungen sind davon betroffen?

19.    Warum hat die Bundesregierung bisher dem Nationalrat diesbezüglich noch keine
Regierungsvorlagen übermittelt oder entsprechende Verordnungen erlassen, um
jeweils die Widersprüche zwischen europäischem und nationalem Recht aufzulösen?

20.    Welche Gründe gibt bzw. gab es, die gegen eine derartige Rechtsbereinigung sprachen?

21 .Wie viele Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Österreich wegen
mangelhafter bzw. unterbliebener Umsetzung von EU-Richtlinien waren bzw. sind
beim EuGH anhängig (Art 226 EGV)? Um welche Verfahren handelt es sich konkret?
Wie ist der Stand der einzelnen Verfahren? Wie viele und welche Verfahren betreffen
die Republik Österreich, wie viele und welche die Bundesländer?

22.     Wie viele Vertragsverletzungsverfahren wurden bereits durch Urteil des EuGH
abgeschlossen? Um welche Verfahren handelte es sich konkret? Wie viele und welche
Urteile betrafen die Republik Österreich, wie viele und welche die Bundesländer?

23.     Welche Kosten sind bislang bei Verurteilungen Österreichs durch den EuGH angefallen
(Ersuche um Aufschlüsselung auf Verfahren und Kostenträger)?

24.     Wer trägt die finanzielle Verantwortung (z.B. Kosten), wenn Bundesländer nicht
fristgerecht und/oder unvollständig RL umsetzen und der EuGH die Republik Österreich
deswegen verurteilt?

25.Wie sieht einerseits mit Stichtag 1.März 2004 bzw. andererseits das letztbekannte
Ranking über die Umsetzung von EU-Richtlinien bei den EU-Mitgliedsstaaten aus
(Ersuche um Prozentangabe)?

Worauf sind Ihrer Meinung nach die bestehenden Umsetzungsdefizite in Österreich
zurückzuführen?

26. Wie viele und welche Vorabentscheidungsverfahren wurden durch Österreichs
Gerichte bislang an den EuGH herangetragen?


27. Wie viele und welche Vorabentscheidungsverfahren wurden bereits mit Urteil des
EuGH abgeschlossen? Welche konkreten Entscheidungen traf dabei jeweils der
EuGH?

28.     Zu welchen legislativen Maßnahmen und/oder behördliche Vollzugsmaßnahmen
führten diese Urteile des EuGH? Welche sind noch offen? Welche Bundesminister
sind dabei im Verzug?

29.     In wie vielen und welchen Fällen wurden aufgrund von Urteilen des EuGH
Ersatzansprüche aus dem Titel Staatshaftung (z.B. legislatives Unrecht) gegenüber
dem Bund oder anderen Gebietskörperschaften gestellt? Wenn ja, welche Summen
wurden geltend gemacht?

30.     Welche Maßnahmen werden Sie gegenüber den jeweils zuständigen
Bundesminister bzw. gegenüber Bundesländer (z.B. im Rahmen der mittelbaren
Bundesverwaltung) ergreifen, die nach erfolgter Umsetzung von EU-Richtlinien
oder anderer Rechtsakte jedoch die in den jeweiligen EU-Richtlinien, VOen etc.
vorgeschriebenen Kontrollen nicht vornehmen (z.B. Pflanzenschutzmittel)?

31 .Wann und wie oft tagte die Ende letzten Jahres eingerichtete
„Umsetzungskommission“?
Welche Ergebnisse wurden dabei jeweils erzielt?

Um eine vollständige Liste zu erhalten, ersuchen die Anfragesteller, diese Antworten auch
für jene Kompetenzbereiche zu übermitteln, die in die Gesetzgebungskompetenz der
Länder fallen.