1853/J XXII. GP

Eingelangt am 04.06.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

der Abgeordneten Bettina Stadlbauer
und GenossInnen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend „Gemeinsame Obsorge"

Seit dem 1. Juli 2001 ist das neue Kindschaftsrecht in Kraft - und drei Jahre nach dessen
Einführung noch immer schwer umstritten. Die wesentlichste Änderung dabei war, dass im
Falle einer Scheidung die Obsorge für ein Kind nicht mehr einem Elternteil allein übertragen
wird, sondern die Obsorge bei beiden Eltern bleibt. Viele ExpertInnen haben Bedenken über
die gemeinsame Obsorge geäußert. Es kommt sehr oft zu Spannungen und Konflikten wegen
Uneinigkeiten zwischen dem Elternteil, bei dem das Kind wohnt, und dem anderen Elternteil
in Fragen der Erziehung und Vertretungsbefugnis - sich zu trennen und trotzdem weiterhin
gemeinsame Entscheidungen zu treffen, ist für viele ohne Konflikte schwer möglich. Das
kann nicht zum Wohl des Kindes sein! In den Fällen, in denen sich die Eltern nicht einigen
können, funktioniert nur die alleinige Obsorge!

In der Zeitschrift „Welt der Frau" 5/2004 tritt der Vorsitzende der österreichischen
Familienrichter Mag. Franz Mauthner dafür ein, dass in Zukunft bei einer Scheidung
überhaupt kein Antrag auf alleinige Obsorge mehr möglich sein soll. Sogar bei gewalttätigen
Vätern kann sich der Familienrichter Mauthner die gemeinsame Obsorge vorstellen, „denn
diese dürfe nicht gleichsam als Strafe entzogen werden."

Auch eine sehr massiv auftretende „Vätergruppe" um den Linzer Rechtsanwalt Günter Tews
setzt sich für einen erschwerten Zugang zur alleinigen Obsorge ein (Welt der Frau 5/2004).

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Justiz
nachstehende

Anfrage:

1.   Wie beurteilen Sie die Aussagen des Vorsitzenden der österreichischen

Familienrichter, Mag. Franz Mauthner, nachdem kein Antrag auf alleinige Obsorge
mehr möglich sein soll?


2.             Wie beurteilen Sie die Aussage von Mag. Franz Mauthner, wonach auch bei
gewalttätigen Vätern eine gemeinsame Obsorge in Betracht gezogen werden soll?

3.             Planen Sie eine neuerliche Gesetzesänderung im Kindschaftsrecht?

4.             Wenn ja, welche?

5.             Planen Sie eine Gesetzesänderung im Kindschaftsrecht, wonach kein Antrag auf
alleinige Obsorge mehr möglich sein soll?

6.             Wie beurteilen Sie die Aussage von Dr. Tews, vom „Verein für das Recht des Kindes
auf beiden Eltern" in der Zeitschrift „Welt der Frau" 5/2004, wonach die gemeinsame
Obsorge zu leicht aufkündbar sei und er sich deshalb für einen erschwerten Zugang
zur alleinigen Obsorge einsetzt ?

7.             Planen Sie den Zugang zur alleinigen Obsorge zu erschweren?

8.             Welche Erfahrungswerte gibt es mit dem neuen Kindschaftsrecht in den letzten drei
Jahren?

9.             Welche Schwierigkeiten sind mit der gemeinsamen Obsorge in den letzten drei Jahren
aufgetreten?

10.      Wie viele geschiedene Eltern in Österreich haben derzeit die gemeinsame Obsorge für
ihr Kind/Kinder?

11.      Wie viele Anträge auf alleinige Obsorge im Rahmen von Scheidungen wurden in den
Jahren 2001, 2002 und 2003 eingebracht? (bitte um Auflistung nach Bundesländern)

12.      In wie vielen Fällen wurde der Antrag auf alleinige Obsorge erst nach der
Scheidungsvereinbarung auf gemeinsame Obsorge eingebracht?

13.      Mit welchen Begründungen wurden die Anträge auf alleinige Obsorge eingebracht?


14.       Wie viele Anträge auf alleinige Obsorge wurden in den Jahren 2001, 2002 und 2003
von Müttern eingebracht? (bitte um Auflistung nach Bundesländern)

15.       Wie viele Anträge auf alleinige Obsorge wurden in den Jahren 2001, 2002 und 2003
von Vätern eingebracht? (bitte um Auflistung nach Bundesländern)

16.       Das erklärte Ziel der Regierung für die Änderung des Kindschaftsrechtes war, dass
sich Väter mehr um ihre Kinder kümmern. Sehen Sie dieses Ziel als erreicht?

17.       Wenn ja, welche Faktoren nehmen Sie dafür an?

18.       Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?

19.       Wie viele Kinder lebten vor Einführung der gemeinsamen Obsorge im Haushalt der
Mutter?

20.       Wie viele Kinder lebten nach Einführung der gemeinsamen Obsorge im Haushalt der
Mutter?

21.       Wie viele Kinder lebten vor Einführung der gemeinsamen Obsorge im Haushalt des
Vaters?

22.       Wie viele Kinder lebten nach Einführung der gemeinsamen Obsorge im Haushalt des

Vaters?