1864/J XXII. GP
Eingelangt am 04.06.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
der Abgeordneten Maga. Melitta Trunk, Maga. Gisela Wurm, Heinz Gradwohl, Erika
Scharer, Dr. Christian Puswald und GenossInnen
an den Bundeskanzler
betreffend
Getränkesteuerrückzahlung - Ausgleich der Verluste für die österreichischen
Gemeinden durch den Bund
Nach einem jahrelangen, maßgeblich vom Kärntner FPÖ-EU-Abgeordneten Mag.
Wolfgang
Ilgenfritz initiierten, Rechtsstreit wurde
die Getränkesteuerabgabe am 9. März 2000 vom
Europäischen Gerichtshof (EuGH) für
gemeinschaftsrechtswidrig erklärt, nachdem der
österreichische Verwaltungsgerichtshof (VwGH)
den EuGH um Vorabentscheidung ersucht hatte.
In Folge dieses Urteils hat der Verwaltungsgerichtshof am 4.
Dezember 2003 festgestellt, dass die
Gemeinden alle nicht vom Konsumenten
bezahlten (also vom Handel bzw. der Gastronomie
getragenen) Getränkesteuerabgabe aus den Jahren 1995 bis 1999 an Handel
und Gastronomie
zurückzahlen müssen.
Die
Gemeinden, die durch die letzten Steuerreformen und damit verbundene
Einnahmenausfälle
ohnehin finanziell in Bedrängnis geraten
sind, trifft diese Entscheidung hart, da mit der
bevorstehenden Getränkesteuerrückzahlung enorme Ausgaben auf sie
zukommen und manche
Gemeinden diese Rückzahlungen finanziell
nicht verkraften werden. Der österreichische
Städtebund rechnet mit rund 60.000
Einzelverfahren, in denen jeweils über die
Rückzahlungsanträge von Handel und
Gastronomie abzusprechen sein wird. Der Gesamtbetrag der
Rückzahlungssumme kann noch nicht genau abgeschätzt werden, da derzeit
einmal die großen
Gemeinden rechtliche Musterverfahren ausarbeiten. Bundesweit wird es aber nach
realistischen
Einschätzungen um ca. 1,1 Milliarden EUR
gehen.
Die Gemeinden stehen nun vor zwei finanziellen Belastungen: Erstens vor
dem bereits seit dem
Jahr 2000 wirksame Entfall der bis dahin
nicht unwesentlichen Getränkesteuereinnahmen. Zweitens
vor den nun auf sie zukommenden Belastungen durch die
Getränkesteuerrückzahlungsverfahren.
Wenn der Bund hier keine Hilfe leistet, werden ein großer Teil der Gemeinden
zahlungsunfähig,
können keine Investitionen mehr durchführen
und viele Gemeindeeinrichtungen sowie kommunale
Sozialeinrichtungen und Sozialmaßnahmen sind gefährdet.
Der Bund hat sich im
Stabilitätspakt 1999 im Artikel 4 Abs. 5 lit. b verpflichtet: „ Wird der
Ertrag
einer ausschließlichen Abgabe durch ein Urteil eines
Höchstgerichtes vermindert, wird der Bund
über geeignete Vorschläge der betroffenen
Gebietskörperschaften rechtliche Rahmenbedingungen
für ausschließliche Abgaben der betroffenen Gebietskörperschaften schaffen, die
bundesweit einen
möglichst weitgehenden Ersatz schaffen." Die Einnahmenverluste der Gemeinden seit dem Entfall
der Getränkesteuerabgabe wurden jedoch nicht
eins-zu-eins sondern nur teilweise vom Bund durch
den Finanzausgleich kompensiert.
Nun gilt es
aber, nicht nur den bisherigen teilweisen Getränkeabgabenentfall der Gemeinden
auszugleichen sondern es müssen die Kommunen
im Fall eintretender
Rückzahlungsverpflichtungen rasch schadlos gehalten werden. Des weiteren
werden durch die
aufwändigen Rückzahlungsverfahren noch hohe
zusätzliche Verwaltungskosten auf die Gemeinden
zukommen (Experten rechnen mit ca. 25
Mio. EUR Mehrbelastung durch den erhöhten
Verwaltungsaufwand, noch dazu wo die gesamte Beweislast bei den
Gemeinden liegt!). Die
Bundesregierung hat bis jetzt noch immer
keine Lösung vorgelegt bzw. umgesetzt.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage
1. a. Welche
Maßnahmen werden von Seiten der Bundesregierung ergriffen, um
den
Gemeinden einen vollständigen Ausgleich für
den Getränkesteuerentfall zu gewährleisten?
b. Welche Maßnahmen werden von Seiten des
Bundesministers für Finanzen ergriffen, um
den Gemeinden
einen
vollständigen
Ausgleich für den Getränkesteuerentfall zu
gewährleisten?
2.
a.
Welche Maßnahmen werden von Seiten der Bundesregierung ergriffen, um den
Gemeinden einen vollständigen Ausgleich für
die drohende Getränkesteuerrückzahlung zu
gewährleisten?
b. Welche Maßnahmen werden
von Seiten des Bundesministers für Finanzen ergriffen, um
den Gemeinden einen vollständigen Ausgleich für die drohende
Getränkesteuerrückzahlung
zu gewährleisten?
3. a.
Welche Maßnahmen werden von Seiten der Bundesregierung ergriffen, um den
Gemeinden einen vollständigen
Ausgleich für den massiv erhöhten Verwaltungsaufwand bei
der drohende Getränkesteuerrückzahlung zu gewährleisten?
b. Welche Maßnahmen werden
von Seiten des Bundesministers für Finanzen ergriffen, um
den Gemeinden einen vollständigen Ausgleich
für den massiv erhöhten
Verwaltungsaufwand bei der drohende
Getränkesteuerrückzahlung zu gewährleisten?
4.
Mit welchen
Verhandlungspartnern
(Städtebund, Gemeindebund, Landeshauptleute,
Landesfinanzreferenten usw.) wurden bisher in dieser Angelegenheit von Ihnen
Gespräche
bzw. Verhandlungen geführt (bitte um
detaillierte Angabe)?
5.
Mit welchen
Verhandlungspartnern
(Städtebund, Gemeindebund, Landeshauptleute,
Landesfinanzreferenten usw.) wurden bisher in
dieser Angelegenheit Vereinbarungen
getroffen (bitte um detaillierte Angabe)?
6.
Welches sind Ihre Zielsetzungen für die nun
anstehenden Finanzausgleichverhandlungen?
Werden Länder und Gemeinden im Zuge des
Finanzausgleiches einen Ausgleich für die
massiv gestiegenen Einnahmenentgänge der
letzten Jahre durch ihre „Steuerreformen" und
die vielen neuen „verländerten"
Aufgaben erhalten?
7.
Warum werden Briefe von seit Monaten zurecht
besorgten Bürgermeistern in Sachen
„Getränkesteuerrückzahlung" wie beispielsweise jener
des St. Veiter Bürgermeisters
Gerhard Mock vom 26. Februar 2004 (siehe
Anlage) von Ihnen nicht beantwortet?
Anlage
Brief
des St. Veiter Bürgermeisters Gerhard Mock an BK Schüssel vom 26. Februar
2004
am 26. Feber 2004
Betrifft: Rückzahlung von Getränkeabgaben
Herrn
Bundeskanzler
Dr.
Wolfgang Schüssel
Bundeskanzleramt
Ballhausplatz
2
1014 Wien
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler!
Mit
Bestürzung wurde das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom Dezember 2003
über die
grundsätzliche Rückzahlungsverpflichtung der
Gemeinden im Hinblick auf die Getränkeabgabe der
Jahre ab 1995 zur Kenntnis genommen.
Was diese höchstgerichtliche Entscheidung bedeutet, kann in
diesem Schreiben nicht all umfassend
dargestellt, wohl aber skizziert werden:
Man rechnet (Quelle:
Österr. Städtebund) mit rd.
60.000 Verfahren, in denen
über die
Rückzahlungsanträge von Handel und
Gastronomie abzusprechen sein wird.
Der Gesamtbetrag der Rückzahlungssumme kann noch nicht genau abgeschätzt
werden. Bundesweit
wird es sich jedoch -folgt man
realistischen Einschätzungen - um ca. 1,1 Milliarden Euro handeln!
Geld, das den Gemeinden bereits heute
teilweise fehlt, wird künftig im noch geringeren Umfang zur
Verfügung stehen
und die ohnedies angespannte Finanzlage vieler Gemeinden zusätzlich
verschärfen.
Da die Kommunen nicht nur die primäre
Anlaufstelle der Bürgerinnen in Österreich sind, sondern
darüber hinaus auch die wichtigsten
und zugleich größten öffentlichen Auftraggeber darstellen, kann
und wird diese drohende Zahlungsverpflichtung naturgemäß massive nachteilige
volkswirtschaftliche
Konsequenzen haben.
Alle diese Folgen sind Ihnen, Herr
Bundeskanzler, natürlich bekannt und wurden diese in den
vergangenen Jahren von diversen
Fachleuten und Interessensvertretern bereits detailliert aufgezeigt!
Nun gilt es, nicht nur den bisherigen
teilweisen Getränkeabgabeentfall der Gemeinden auszugleichen,
sondern wird es
daneben von grundlegender Bedeutung sein, die Kommunen im Fall eintretender
Rückzahlungsverpflichtung
rasch schadlos zu halten sowie die aus den Verwaltungs- und
Prüfungsverfahren gegebenenfalls
resultierenden, zusätzlichen Verwaltungskosten zu erstatten.
In diesem Zusammenhang dürfen beispielhaft die Aussagen
von Staatssekretär Morak
wiedergegeben werden, der im Rahmen
einer parlamentarischen Anfrage (siehe 17. NR-Sitzung der
XXI. GP)
in Ihrem Namen zu dieser Thematik wörtlich ausführte:
2
"..
.. Angesichts der Diskussion um den Bestand von Steuern ist der
Bundesregierung die Erhaltung
der Finanzkraft der Gemeinden ein besonderes Anliegen. Zu dieser
politischen Vereinbarung steht die
Bundesregierung natürlich nach wie vor..."
Weiters
trete er dafür ein „ . . . dass
die Bundesregierung ihr Bestes tun wird, um eine raschest
mögliche Lösung gemeinsam mit allen Vertragspartnern zu erarbeiten und
sie dem Nationalrat
beziehungsweise dem Bundesrat vorzulegen,
um den Einnahmenentfall der Gemeinden zu
überbrücken".
Dieses grundsätzlich positive Bekenntnis der
Bundesregierung muss naturgemäß um die anfälligen
Rückzahlungsbeträge und die Kosten der
Verwaltungsverfahren erweitert werden!
Daher ersuche ich Sie im Namen der von
mir repräsentierten Gemeinde, den österreichischen
Gemeinden für die
angeführten Kosten vollständigen Ersatz zu leisten und somit die
österreichischen
Gemeinden schadlos zu stellen.
Es ist zu hoffen, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, dass
die österreichische Bundesregierung in
dieser
Problematik eindeutig Position bezieht und die Kommunen nicht - was diese
jedoch
gegebenenfalls
als Alternative ins Auge zu fassen hätten - zur Beschreitung des Rechtsweges
verhalten werden müssten.
Abschließend ersuche ich Sie in
diesem Sinne nicht nur um ein klare Stellungnahme, sondern um eine
rasche Veranlassung der erforderlichen
Maßnahmen zugunsten der Gemeinden Österreichs!
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Mock