1900/J XXII. GP

Eingelangt am 17.06.2004
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Dringliche Anfrage

gem. § 93 Abs. 1 GOG

 

 

der Abgeordneten Werner Amon MBA, Detlev Neudeck

Kolleginnen und Kollegen

an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur

betreffend Bedrohung der österreichischen Bildungslandschaft durch
SPÖ-Schulreform-Vorschläge

 

 

Internationale Studien bescheinigen dem österreichischen Bildungssystem eine hohe Qualität:

-          Beim Global Competetiveness Report, einer Umfrage unter 4.800 internationalen
Führungskräften, belegt Österreich mit Finnland den ersten Platz.

-          Auch bei der internationalen PISA-Studie liegt Österreich in allen Bereichen unter den Top Ten der Teilnehmerländer.

-          Auch das nationale Bildungsmonitoring bestätigt: 79 Prozent der Befragten geben unserem Schulsystem die Noten „Sehr gut“ oder „Gut“.

Unser differenziertes Schulsystem legt nach dem Grundsatz „Durchlässigkeit statt Sackgasse“ den Grundstein für die mit 7,3 Prozent EU-weit niedrigste Jugendarbeitslosigkeit. Dagegen hat der „PISA-Sieger“ Finnland, ein Land mit differenzierter Gesamtschule bis zur 9. Schulstufe, eine Jugendarbeitslosigkeit von 21,0 Prozent (EUROSTAT März 2004).

 

Die Bundesregierung, insbesondere die Bildungsministerin, hat in den vergangenen Monaten eine Reihe von Initiativen gesetzt, um unsere Vorreiterrolle in Europa zu festigen: Das Projekt "klasse:zukunft" und die hervorragende Arbeit der Zukunftskommission führte zu konkreten Verbesserungsvorschlägen für das heimische Schulsystem und zum Ausbau der Qualitätssicherung. Auch die Initiative LESEFIT, die zur Halbierung der Zahl der Kinder mit Leseschwierigkeiten dient und mittels Lesetests an ca. 1200 Schulen mit ca. 60.000 Schüler/innen durchgeführt wurde, trägt zu einer weiteren Qualitätssteigerung im heimischen Schulsystem bei.

 

Bildungsministerin Elisabeth Gehrer präsentierte diese Woche das Qualitätsmemorandum und die Schritte für die große innere Schulreform als wesentliche Ergebnisse des Zukunftsdialogs in St. Johann. Aus der Dialogveranstaltung in St. Johann vom 3. bis 4. Juni - als Höhepunkt von klasse:zukunft, bei der über 360 Personen Resümee gezogen haben - ergaben sich die 3 Schritte für die große innere Schulreform: das Qualitätsmemorandum, die Qualitätsoffensive 2004 und der Bildungsplan 2010.

 

Entgegen der erfolgreichen Bildungspolitik der Bundesregierung hat die SPÖ Vorschläge eingebracht, die alte ideologische Hüte statt zukunftsweisender Ideen zur Weiterentwicklung des bewährten Bildungssystems hervorbringen:

 

·        7. Oktober 2003: Forderung der SPÖ nach Errichtung einer zwangsweisen, flächendeckenden Ganztagsschule in ganz Österreich

·        28. Februar 2004: Bildungsenquete des Renner-Institutes: Forderung nach zwangsweiser verschränkter Ganztagsschule, Abschaffung der Noten und Gesamtschule

·        1. April 2004: Präsentation des SPÖ-Kompetenzteams für Bildung: Forderung nach Aufgabe der Differenzierung zwischen AHS-Oberstufe und BHS

·        April 2004: Bekannt werden der SPÖ-Vorschläge für den Österreich-Konvent: Schließung oder Zusammenlegung von rund 92 Prozent unserer Pflichtschulen, Einrichtung von Bildungsregionen und Wahl von „Bildungsräten“ mit den Landtagswahlen

 

All diese Programme lassen sich wie folgt zusammenfassen:

·        Seit den 60er-Jahren kommen von der SPÖ immer wieder die gleichen, ideologischen Vorschläge zu einer radikalen Zerschlagung unseres Bildungssystems.

·        Im Unterschied zur Bundesregierung steht für die SPÖ nicht die Optimierung unseres differenzierten Schulsystems, sondern seine Zerschlagung zur Durchsetzung alter ideologischer Forderungen im Vordergrund:

-          Eine gemeinsame Schule für alle 6 bis 15-jährigen, die Gesamtschule

-          Abschaffung der Noten in der Volksschule, keine Wiederholung einer Schulklasse in den ersten 8 Jahren

-          Zwangsweise Ganztagsschule flächendeckend in ganz Österreich.

 

Diese SPÖ-Vorschläge sind weder neu, noch basieren sie auf wissenschaftlichen Daten oder Studien. Vollkommen ausgespart bleibt bei den SPÖ-Vorschlägen ein Bekenntnis zur Leistung. Der pädagogisch so wichtige Ansatz der Vielfalt und die Rücksichtnahme auf unterschiedliche Begabungen, Neigungen und Interessen wird vollkommen außer Acht gelassen.

 

Die SPÖ fordert weiters:

·        Ganztägige Schulformen mit verschränktem Pflichtunterricht vormittags und nachmittags, fünf Tage in der Woche

·        Flächendeckende Ganztagsschulen in ganz Österreich

 

Die unterfertigten Abgeordneten wollen die Nachmittagsbetreuung dort, wo sie gebraucht wird und jedenfalls mit Wahlfreiheit für die Betroffenen.

 

Auch hinsichtlich der Gesamtschule ist festzustellen, dass die SPÖ durch ihre Vorstellungen Differenzierung nach Interessen und Begabung ablehnt:

 

Die SPÖ fordert:

·        Eine gleiche Schulform und gleiche Ausbildung für alle Kinder zwischen 10 und 14 Jahren anstelle des bewährten differenzierten österreichischen Schulsystems mit AHS-Unterstufe, Hauptschule und Sonderschule.

 

Das bedeutet:

·        Auf unterschiedliche Talente, Stärken und Schwächen der Jugendlichen wird keine Rücksicht genommen.

·        Individuelle Förderung für weniger Begabte oder Hochbegabte wird nicht vorgenommen.

·        In Wien, wo die SPÖ das alleinige Sagen hat, bedeutet die SPÖ-Bildungspolitik, dass die Hauptschulen vernachlässigt werden, während die AHS-Unterstufen überlaufen sind.

·        Diese skandalösen Wiener Zustände sind ein Zeugnis dafür, dass die SPÖ Parteiinteressen in den Vordergrund stellt und ihr ideologisches Modell einer Gesamtschule Schritt für Schritt umsetzen will.

 

Die SPÖ steht auch für eine „Abschaffung der Noten“ statt eines leistungsorientierten Bildungssystems. Die SPÖ fordert:

·        Abschaffung der Noten in der Volksschule

·        Ausschließlich verbale Beurteilung in der Volksschule

·        Abschaffung des „Sitzenbleibens“ bis zur achten Schulstufe

 

Die Bundesregierung fördert, was gefordert wird: Eine „Spectra“-Umfrage von März 2004 belegt:

- 73 Prozent der Befragten wollen das klassische Notensystem in den Volksschulen beibehalten. Bei den Hauptschulen und Gymnasien sprechen sich sogar 87% für Noten aus.

- Ebenfalls 87% vertreten den Standpunkt, dass Schüler mit mehreren „Nicht genügend“ an Hauptschulen und Gymnasien die Klasse wiederholen sollen.

 

Die SPÖ fordert die Vermischung von AHS-Oberstufe und BHS statt differenzierter Berufsausbildung:

·        Auflösung der Trennung von AHS-Oberstufe und Berufsbildenden Höheren Schulen: „Die relativ starre Gliederung im Bereich der Oberstufen, die Trennung zwischen Allgemeinbildenden und Berufsbildenden Höheren Schulen, sollte aufgelöst werden“ („10-Punkte-Konzept zur Bildungspolitik“ der SPÖ).

 

Die Vorschläge der SPÖ („Entprovinzionalisierung“) im Ausschuss VI des Österreich-Konvents zur Reform der Schulverwaltung würden bereits Pflichtschüler zu Pendlern machen:

 

Dies würde bedeuten:

 

Dem gegenüber steht die Bildungspolitik der Bundesregierung:

·        Einstehen für ein differenziertes Schulsystem, das sich zu Qualität, Vielfalt und Leistung bekennt.

·        Es gibt auch ein Recht auf Vielfalt. Jedes Kind soll eine Ausbildung erhalten, die seine Anlagen, Talente, Interessen und Neigungen am besten fördert.

·        Die Prinzipien von „Kein Abschluss ohne Anschluss“ und „Karriere mit Lehre“ werden in keinem anderen Land Europas so erfolgreich umgesetzt. Dies ist auch ein wichtiger Beitrag für die niedrige Jugendarbeitslosigkeit.

Internationale Studien sprechen gegen die Gesamtschule: PISA-Sieger Finnland, das über ein Gesamtschulsystem verfügt, weist die dreifache Jugendarbeitslosigkeit Österreichs auf.

 

Vielmehr geht es darum,

 

Das Papier der SPÖ ist nicht nur öffentlich heftig kritisiert worden, auch innerhalb der SPÖ löste es Proteste aus. So kritisierte etwa der ehemalige Unterrichtsminister und Wiener Altbürgermeister Dr. Helmut Zilk in einem Kommentar in der Kronen Zeitung unter dem Titel „Vorwärts Genossen, wir marschieren zurück!“ vom Sonntag, 11. April 2004, die Bildungsdebatte innerhalb der SPÖ:

„Offenbar haben einige die Zeichen der Zeit nicht erkannt und sind vor 10, 20 Jahren stecken geblieben!“

 

Auch aktive Spitzenpolitiker der SPÖ distanzieren sich heftigst von den Vorschlägen ihrer Partei: Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl erklärte gegenüber dem Kurier, dass dieses Papier veraltet sei – dass er solchen Vorschlägen zugestimmt habe, sei eine „ungeheuerlicher Behauptung“. Er habe das Papier nämlich gemeinsam mit Wiens Stadtchef Michael Häupl zu Fall gebracht.

 

Das von Niessl und Häupl „zu Fall gebrachte“ Papier des SPÖ-Klubs findet sich nach wie vor im Anhang zum Ausschuss-Protokoll des zuständigen Ausschuss VI im Österreich-Konvent.

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur nachstehende

 

Anfrage:

 

  1. Wie beurteilen Sie die SPÖ-Vorschläge zum Österreichischen Schulsystem?

  2. Was unternehmen Sie, um die hohe Qualität im heimischen Schulsystem zu erhalten?

 

  1. Welche Verbesserungen erwarten Sie sich durch die Maßnahmen des Qualitätsmemorandums aus der Dialogveranstaltung in St. Johann am 3./4. Juni 2004?

 

  1. Wie stellen sie eine bedarfsgerechte Nachmittagsbetreuung sicher?

  2. Was unternehmen Sie, um die Kleinschulen im ländlichen Raum zu erhalten?

  3. Welche Maßnahmen stellen sicher, dass die Erfolgsgeschichte des berufsbildenden Schulwesens auch in Zukunft fortgesetzt werden kann?

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird gem. § 93 Abs. 1 GOG verlangt, diese Anfrage vor Eingang
in die Tagesordnung dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.