1931/J XXII. GP

Eingelangt am 17.06.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Walther und GenossInnen

an Frau Bundesminister für Gesundheit und Frauen

betreffend die Häufung von unbegründeten Befristungen von Lenkberechtigungen

Diversen Medien konnte in den letzten Monaten entnommen werden, dass aufgrund
fragwürdiger „gesundheitlicher Gründe" offenbar eine Vielzahl von Menschen mit
Führerscheinbefristungen konfrontiert wurden und werden.

Die Ausweitung der Möglichkeiten für den Gesetzgeber durch die 3. Novelle zur
Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung, Personen die Fahrerlaubnis zu befristen bzw. zu
entziehen, wenn deren Leistungsfähigkeit die Fahrtauglichkeit einschränkt, ist im Sinne der
Erhöhung des Schutzes für andere Verkehrsteilnehmerinnen grundsätzlich zu begrüßen.

Es kann jedoch nicht dem Geist des Gesetzes entsprechen, wenn beispielsweise unbescholtene
und nicht unter dem Einfluss gesundheitsbeeinträchtigender Substanzen bzw. Rauschmittel
stehende Personen aufgrund plötzlich auftretender Kopfschmerzen in Verbindung mit dem
Anhalten auf einer Busspur kraft eines amtsärztlichen Gutachtens die Lenkerberechtigung
entzogen wird (Vgl. z.B. „Kleine Zeitung" vom 03.03.04).

Diese Führerscheinbefristungen betreffen in einem unerklärbar hohen Ausmaß Menschen ab
einem Alter von 50 Jahren, die unter leichter Diabetes und leichter Hypertonie leiden, jedoch
in der Regel medikamentös richtig eingestellt sind. Gerade jene Mitbürgerinnen des
ländlichen Raums sind aus beruflichen wie privaten Gründen besonders auf das
Transportmittel Auto angewiesen.

Darüber hinaus führen solch merkwürdige Arbeitsauffassungen diverser Amtsärzte zu einem
gleichermaßen unnotwendigen wie horrenden Verwaltungsaufwand des Unabhängigen
Verwaltungssenates (UVS), sofern sich die Betroffenen eine Berufung überhaupt leisten
können.

Häufig wird den Klägern und Klägerinnen in der Folge vom UVS Recht gegeben:
Die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zeigt, dass die nachträgliche
Befristung einer bereits unbefristet erteilten Lenkberechtigung nur dann in Frage kommt,
wenn eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die
Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden
Verschlechterung gerechnet werden muss. Dass eine Verschlechterung lediglich nicht
ausgeschlossen werden kann, reicht nach dieser Rechtsprechung für die Einschränkung der
Gültigkeit einer Lenkberechtigung gerade nicht aus. (VwGH vom 24.04.2001, 2000/11/0337;
VwGH vom 18.01.2000, 99/11/0266; UVS vom 16.04.2004, UVS-FSG/18/731/2004/4).

Sollten die Behörden jedoch der Auffassung sein, dass nach Erreichen eines höheren Alters
bei „Auffälligwerden" grundsätzlich Befristungen auszusprechen sind, wird darauf
hingewiesen, dass der Gesetzgeber wiederholt davon Abstand genommen hat, solche
Beschränkungen, die sich nur auf das Alter beziehen und über die einschränkenden
Bestimmungen des § 17 Abs. 2 FSG-GV hinausgehen, in das FSG oder die FSG-GV


aufzunehmen. Die Behörde darf dies keinesfalls durch verwaltungsbehördliche Handlungen
unterlaufen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt das
fortgeschrittene Lebensalter mit der Möglichkeit des Eintrittes einer Krankheit für sich alleine
keinen hinreichenden Grund für die Befristung der Lenkberechtigung dar (VwGH vom
21.01.1992,91/11/0122).)

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten an Frau Bundesminister für
Gesundheit und Frauen nachstehende

Anfrage

1)       Wie viele Fälle von Vorladungen zu österreichischen Amtsärzten aufgrund des Verdachtes
auf verminderte Fahrtauglichkeit fielen in den Jahren 2001, 2002, 2003 und 2004 (mit
Stichtag 01.06.2004) an? Bitte um gesonderte Auflistung nach den jeweiligen
Bezirkshauptmannschaften und Bundespolizeidirektionen!

2)   Wie viele dieser Vorladungen zogen unterteilt nach den in Frage 1 angeführten Jahren eine
zeitlich befristete oder vollständige Einziehung der Führerscheine nach sich?

3)       Welche medizinischen Diagnosen entfallen unter die in § 5 Abs. 1 Z 1 FSG-GV angeführte
Definition von „schweren Allgemeinerkrankungen oder schweren lokalen Erkrankungen"?

 

a)      Wie viele Führerscheinentzüge erfolgten 2001, 2002 und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?

b)      Wie viele Führerscheinbefristungen erfolgten 2001, 2002 und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?

4) Welche medizinischen Diagnosen entfallen unter die in § 5 Abs. 1 Z 2 FSG-GV angeführte
Definition von „organischen Erkrankungen des zentralen oder peripheren Nervensystems"?

a)      Wie viele Führerscheinentzüge erfolgten 2001, 2002 und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?

b)      Wie viele Führerscheinbefristungen erfolgten 2001, 2002 und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?

4) Welche medizinischen Diagnosen entfallen unter die in § 5 Abs. 1 Z 3 FSG-GV angeführte
Definition von „Erkrankungen bei denen es zu unvorhersehbaren Bewusstseinsstörungen oder
-trübungen kommt"?

a)      Wie viele Führerscheinentzüge erfolgten 2001, 2002 und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?

b)      Wie viele Führerscheinbefristungen erfolgten 2001, 2002 und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?

5)  Wie ist der in § 5 Abs. 2 FSG-GV angeführte „krankhafte Zustand" näher definiert?

a)              Wie vielen Personen wurde daraufhin 2001, 2002 und 2003 der Führerschein
entzogen?

b)      Wie vielen Personen wurde daraufhin 2001, 2002 und 2003 der Führerschein
befristet?

6) Unter welche Bestimmung bzw. Ziffer des § 5 Abs. 1 FSG-GV fallen die Diagnosen
„milde Hypertonie" und „leichte Diabetes"?


7)       Wie viele Führerscheine wurden im gesamten Bundesgebiet und aufgeschlüsselt nach den
einzelnen Bezirkshauptmannschaften und Bundespolizeidirektionen in den Jahren 2000, 2001,
2002, 2003 und 2004 (mit Stichtag 01.06.2004) sowohl dauerhaft als auch befristet aufgrund
vermeintlicher Fahrbeeinträchtigung wegen „milder Hypertonie" und „leichter Diabetes"
entzogen?

8)       Sind Sie sich dessen bewusst, dass die hier dargelegte herrschende Praxis einiger
Amtsärzte gerade ältere Menschen aus ländlichen Regionen in Ihrer Lebensführung und
Berufsausübung massiv beeinträchtigt und sogar deren Arbeitsplatzverlust bewirken kann?

9)       Wie stehen Sie dazu, dass Amtsärzte die Vorlage einer fachärztlichen Stellungnahme
gemäß §§ 3 Abs 3 und 5 Abs 2 FSG-GV anordnen können, in der Folge jedoch trotz
Vorliegen einer Stellungnahme, die dem Lenker bzw. der Lenkerin die Fahrtauglichkeit
attestiert, diesen den Führerschein befristet entziehen dürfen?

 

10)        Wie stehen Sie aufgrund der Aussage ernstzunehmender Amtsärzte, dass diese
fachärztlichen Stellungnahmen teilweise so unvollständig sind, dass sie keine Grundlage für
amtsärztliche Gutachten bilden können, zur Notwendigkeit der Festlegung einheitlicher
Standards für fachärztliche Stellungnahmen?

11)        Wenn Sie Frage 9 nicht befürworten, welche Maßnahmen werden Sie dagegen setzen?

12)        Wie stehen Sie zu einer Novellierung der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung
durch Festschreibung von Annäherungswerten im Falle des Vorliegens leichten
Bluthochdrucks und leichter Diabetes?

13)        Weshalb wird der langjährigen Forderung der Ärztekammer nicht entsprochen, Amtsärzte
den Richtlinien des Ärztegesetzes und damit auch der Disziplinargewalt der Ärztekammer zu
unterstellen?

14)        Wie stehen Sie dazu, dass Amtsärzte bereits zur Zeit der Monarchie vom Geltungsbereich
des Ärztegesetzes ausgenommen waren, in der NS-Zeit sukzessive immer mehr Ärztegruppen
davon ausgenommen wurden und 1948 diese Ausnahme wieder auf die Amtsärzte
zurückgeschraubt wurde?

15)        Welche Argumente sprechen gegen eine entsprechende Novellierung dieses höchst
anachronistisch anmutenden Zustandes?

16)        Welchen Ministerien sind die Amtsärzte der einzelnen Bezirkshauptmannschaften und die
Amtsärzte der einzelnen Bundespolizeidirektionen unterstellt?

17)        Ist es richtig, dass derzeit Amtsärzte der Bezirkshauptmannschaften den
Landeshauptleuten, aber jene der Bundespolizeidirektionen dem Innenministerium unterstellt
sind?

18)        Wem, den entsprechenden Landeshauptleuten oder dem Bundesministerium für Inneres,
sollen im Hinblick auf den vorliegenden Entwurf (ME/152) zur SPG-Novelle 2004 künftig
Amtsärzte unterstellt werden?


19) Welche sonstiges Maßnahmen planen Sie, um der durch den Gesetzgeber geförderten
Willkür einiger Amtsärzte Einhalt zu gebieten und ein einheitliches, gerechtes Vorgehen zu
sichern?