2087/J XXII. GP

Eingelangt am 31.08.2004
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Dringliche Anfrage

gem. § 93 Abs. 2 GOG

 

 

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Cap, Dr. Matznetter, Mag. Moser

und GenossInnen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend „Desaster beim geplanten Verkauf der ÖIAG-Anteile an der Telekom Austria“

 

 

 

Das von Finanzminister Karl-Heinz Grasser und seinem Mentor Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zu verantwortende Desaster beim geplanten Verkauf der ÖIAG-Anteile an der Telekom Austria bedeutet einen immensen Schaden für den Wirtschaftsstandort Österreich, die ÖIAG, die Telekom Austria (TA), ihre Aktionäre und damit aber auch unmittelbar für viele Österreicherinnen und Österreicher.

 

Die SPÖ ist in der Vergangenheit immer gegen eine Abverkaufspolitik bei für den Wirtschaftsstandort Österreich wichtigen, von der ÖIAG gehaltenen Industriebeteiligungen aufgetreten. Die SPÖ hat insbesondere für die Infrastrukturunternehmen die Schaffung einer Beteiligungsholding vorgeschlagen, die für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Österreich und damit für alle Österreicherinnen und Österreicher von besonderer Bedeutung sind.

 

Die SPÖ ist auch immer gegen eine Politik der überhasteten Schritte der Bundesregierung aufgetreten, die in vielen Bereichen zu unerwünschten Ergebnissen mit schweren inhaltlichen und verfassungsrechtlichen Mängeln geführt hat - siehe Pensionskürzungen, Unfallrenten, Sozialversicherung und vieles mehr.

 

Nun steht Österreich nach den Fehlleistungen der schwarzblauen Privatisierungspolitik bei voestalpine, VA-Tech und Post mit einem weiteren Debakel bei der Telekom Austria (TA) da. Es verfestigt sich der Eindruck, dass die Regierung ihre eigenen - nach Ansicht der SPÖ falschen - wirtschaftspolitischen Ansätze nicht richtig umsetzen kann. Es verfestigt sich auch der Eindruck, dass die Regierung für die ÖIAG-Betriebe über kein schlüssiges Konzept für deren weitere gedeihliche Entwicklung verfügt.

 


Schaden für den Finanzplatz

 

Dem österreichischen Finanzmarkt und der Wiener Börse entstand ein schwerer Vertrauensschaden durch eine verfehlte Informationspolitik nach dem Scheitern der Gespräche mit der swisscom. Die Telekom-Aktie wurde zu spät aus dem Handel genommen und die Marktteilnehmer waren offensichtlich asymmetrisch informiert. Damit wurde es einigen offensichtlichen Insidern ermöglicht, in letzter Sekunde Geschäfte zum Nachteil anderer Marktteilnehmer, vor allem aber der Kleinanleger, durchzuführen.

 

Dass es in einem entwickelten Kapitalmarkt in einer derartigen Situation kurz vor Aussetzen des Handels der TA-Aktie und eines 20%igen Kursverlustes noch möglich war, an der Wiener Börse rund 550.000 TA-Aktien zum höheren Niveau von rund 14 Euro in den Markt an zu diesem Zeitpunkt noch gutgläubige Käufer abzugeben, ist ein Skandal für sich. Dass der Handel schließlich wegen hoher Schwankungen und nicht etwa deshalb ausgesetzt wurde, weil das wegen eines zu erwartenden Kurssturzes von der ÖIAG oder der TA beantragt worden wäre, rundet das Bild eines kopflosen Krisenmanagements ab.

 

Extrem aufklärungsbedürftig sind auch die Vorgänge an der Wiener Börse zwei Tage vor dem Platzen der Verkaufsgespräche mit der swisscom. Am 17. und 18. August wurden an der Terminbörse Ötob so viele Telekom-Put-Optionen (Spekulation auf fallenden Aktienkurs) gehandelt wie noch nie, rund 15mal so viel wie üblich. Nach dem Kurssturz der TA-Aktie waren die Optionen nur zwei Tage später in ihrem Wert um 800 Prozent gestiegen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Insider ihr Wissen zu Geld gemacht haben.

 

Aufklärungsbedürftig ist aber auch, inwieweit Insider bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingestiegen sind und auch vom Kursanstieg der TA-Aktie in den letzten Wochen und Monaten seit Beginn ernsthafter Verkaufsgespräche mit der swisscom profitiert haben.

 

Auch wenn die Finanzmarktaufsicht in dieser Angelegenheit zumindest teilweise bereits ermittelt, wird dieser Vertrauensschaden international nur sehr schwer wieder gut gemacht werden können. Es ist alles daran zu setzen, die Urheber dieser Transaktionen, die meist über Treuhänder und ausländische, sog. Off-shore-Konten getätigt werden, ihrer Strafe – bis zu zwei Jahre Haft – zuzuführen.

 


Schaden für die Anleger

 

Viele Österreicherinnen und Österreicher sind durch den Kursverfall der Telekom Austria Aktie um 20% am 19. August nach Bekanntwerden des Scheiterns der Verkaufsgespräche mit der swisscom innerhalb weniger Minuten als Aktionäre der Telekom Austria geschädigt worden, insgesamt um 1,3 Milliarden Euro. Sie waren auch im Rahmen von privaten Pensionsvorsorgeprodukten, Investmentfonds etc. direkt  betroffen. Der Kurs sackte mit rund 11 Euro weit unter jene Marke von rund 12,50 Euro, die die Aktie Anfang August aus eigener Kraft erreicht hatte - vor Einsetzen des durch die Übernahmephantasie ausgelösten rapiden Anstiegs bis 19. August auf rund 14 Euro.

 

Schaden für die ÖIAG

 

Einen schweren Imageschaden mussten durch das Telekom-Desaster auch die ÖIAG und ihre Organe hinnehmen. Die ÖIAG und ihre Vorstände gaben ein Bild willenloser Umsetzungswerkzeuge des Finanzministers ab, die dann auch noch in der entscheidenden Phase von diesem allein im Regen stehen gelassen werden.

 

Kein gutes Bild gibt die ÖIAG als Eigentümer auch deshalb ab, weil offenbar keine alternativen Unternehmensstrategien für die TA erarbeitet wurden oder erarbeitet werden durften, die in der jetzt schwierigen Situation eine glaubwürdige Entwicklung des Unternehmens für Anleger, Partner und Mitarbeiter der TA darstellen könnten.

 

 

Schaden für die Telekom Austria

 

Schaden hat auch die Telekom Austria und ihre Tochter Mobilkom Austria selbst genommen. Statt sich auf die Erschließung neuer Märkte und Akquisitionen in Südosteuropa zu konzentrieren, war das Management monatelang mit due-diligence-Prüfungen beschäftigt. Die Anleger sind irritiert, weil keine Unternehmensstrategie seitens des Kern-Eigentümers ÖIAG erkennbar ist, die die weitere Entwicklung der TA berechenbar machen könnte.

 

Aufgeklärt werden sollte in diesem Zusammenhang auch, warum die TA-Privatisierungsstrategie der Bundesregierung im Tausch der staatlichen ÖIAG-Anteile an der TA gegen Anteile an der per Verfassungsgesetz ebenfalls staatlichen swisscom enden hätte sollen. – Insbesondere, weil Österreich derzeit  bestimmender Kernaktionär an der TA ist, an der swisscom aber nur Minderheitsaktionär gewesen wäre. Überdies hatte die TA nach eigenen Angaben zum gegenwärtigen Zeitpunkt gar keinen strategischen Partner gebraucht.   

 

Diesbezüglich existiert ein mit 3. August 2004 datiertes Gutachten der Investmentbank Morgan Stanley für die ÖIAG, wonach klar sein musste, dass der Verkauf der Telekom Austria-Anteile an die swisscom "außerordentlich schwierig zu bewerkstelligen ist – und zwar hauptsächlich aus politischen, weniger aus wirtschaftlichen Gründen." Unklar ist, wann welchem Informantenkreis dieses Gutachten weitergegeben wurde und welcher Personenkreis diese Weitergabe zu verantworten hat. Generell war es bisher nicht möglich, festzustellen, wie viele Investmentberater durch die ÖIAG, die Telekom Austria AG und das Finanzministerium mit Dienstleistungen im Zuge des geplanten Verkaufs von TA-Anteilen beschäftigt wurden.

 

 

Grassers Verantwortung

 

Finanzminister Grasser, der in Medien zu Recht den Titel „master of desaster“ zugeschrieben bekommt, trifft für das ganze Debakel die Gesamtverantwortung. Diese teilt sich in eine politische, wirtschaftliche und rechtliche Verantwortung.

 

Grasser hat es als zuständiges Regierungsmitglied zu verantworten, dass er die politischen Rahmenbedinungen für den Verkauf der TA an die swisscom vorab nicht ausreichend geklärt hat. Grasser hat es als zuständiges Regierungsmitglied ferner zu verantworten, dass er das Einvernehmen bzw. eine Zustimmung der Regierungsparteien nicht erreichen und die erforderlichen rechtlichen Rahmenbedinungen bzw. Gesetzesänderungen nicht sicherstellen konnte, nachdem das Verhandlungsergebnis mit der swisscom in Grundzügen feststand. Grasser hat es als zuständiges Regierungsmitglied zu verantworten, dass die ÖIAG über kein schlüssiges Entwicklungskonzept für ihre Unternehmen verfügt, die damit zum Spielball für Einzelinteressen werden und bei geplanten Anteilsverkäufen regelmäßig nachteilige Ergebnisse für den Wirtschaftsstandort Österreich, die weitere Unternehmensentwicklung und den Veräußerungserlös erzielen. 

 

Grasser hat es als Eigentümervertreter des Bundes bei der ÖIAG zu verantworten, dass er offenbar die Führung der ÖIAG zu einem Verkauf an die swisscom gedrängt hat, wobei er nicht nur offensichtlich entsprechend dem ÖIAG-Gesetz vom ÖIAG-Vorstand über Inhalt und Fortgang der Verhandlungen informiert war, sondern sich dem Vernehmen nach in der Folge auch laufend in die Verhandlungen eingemischt bzw. diese persönlich begleitet hat, unter anderem durch ein Treffen mit dem Schweizer Finanzminister. Er hat das Debakel daher auch im Ergebnis zu verantworten, sowohl die negativen Auswirkungen für den Finanzplatz Österreich, die wirtschaftliche Zukunft der Telekom Austria und der Mobilkom Austria, als auch den Kursverlust von mehr als 1 Milliarde Euro, der viele Anleger schmerzhaft getroffen hat.

 

Grasser hat als Eigentümervertreter des Bundes bei der ÖIAG, als Initiator und selbst Hand anlegender Wegbegleiter der Verkaufsgespräche jede kaufmännische Sorgfalt vermissen lassen. Er hat als Eigentümervertreter des Bundes bei der ÖIAG aufwändige Verhandlungen, due-diligence-Prüfungen und andere Dispositionen - beispielsweise die Beauftragung teurer Beraterfirmen – mit initiiert bzw. zugelassen, ohne sich vorher mit einem Mindestmaß an Sorgfalt und Umsicht einer Rückendeckung der gesamten Bundesregierung bzw. der Regierungsparteien für die von ihm angestrebte swisscom-Lösung zu versichern. Grasser hat als Eigentümervertreter des Bundes bei der ÖIAG und durch seine persönliche Involvierung in die Verkaufsverhandlungen auch die verfehlte Informationspolitik nach dem Scheitern der Verhandlungen mit der swisscom zu verantworten. Er hat daher auch zu verantworten, dass die TA-Aktie nicht rechtzeitig auf Antrag des Unternehmens aus dem Handel genommen wurde, sodaß Insidergeschäfte zum Nachteil anderer gutgläubiger Marktteilnehmer erst möglich wurden.   

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Finanzen die folgende

 


ANFRAGE

 

 

1.      Wann haben Sie als Eigentümervertreter erfahren, dass Gespräche mit der swisscom über den Kauf der ÖIAG-Anteile an der Telekom Austria aufgenommen werden sollen oder aufgenommen wurden, bzw. sind solche Gespräche von Ihnen als Eigentümervertreter initiiert worden, und wann wurden konkrete Verkaufsgespräche zwischen der ÖIAG und der swisscom aufgenommen?

 

2.      Haben Sie dem Ministerrat oder einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung über den geplanten Verkauf von ÖIAG-Anteilen an der Telekom Austria an die swisscom oder über die Aufnahme bzw. den Verlauf von diesbezüglichen Gesprächen mit der swisscom berichtet? Wenn ja - wem haben Sie wie oft, was und wann in welchem Rahmen konkret berichtet - wenn nein - warum haben Sie nicht berichtet?

 

3.      Haben Sie als Eigentümervertreter an Gesprächen über den geplanten Verkauf von Telekom Austria-Anteilen an die swisscom teilgenommen oder solche Gespräche geführt - und wenn ja, wann haben diese in welchem Rahmen stattgefunden, wer hat daran teilgenommen und worüber wurde konkret gesprochen – bzw. in wie weit wurden Sie über die Verhandlungen mit der swisscom informiert?

 

4.      Haben Sie als Eigentümervertreter mit Ihrem Schweizer Amtskollegen über den geplanten Verkauf von Telekom Austria-Anteilen an die swisscom gesprochen und wenn ja, wann haben diese Gespräche in welchem Rahmen stattgefunden, wer hat daran teilgenommen und worüber wurde konkret gesprochen?

 

5.      Können Sie es ausschließen, dass Sie Informationen, die Sie als Eigentümervertreter über den geplanten Verkauf von Telekom Austria-Anteilen an die swisscom erhalten haben, in Ihrem familiären Kreis oder Freundeskreis weitergegeben bzw. entsprechende Andeutungen gemacht haben und können Sie das auch für alle MitarbeiterInnen Ihres Kabinetts ausschließen?

 

6.      Sind Medienberichte richtig, wonach der geplante Telekom-Deal mit der swisscom durch eine politische Entscheidung in Österreich gestoppt wurde und Sie in der Folge als Eigentümervertreter von Bundeskanzler Schüssel entsprechende Vorgaben erhielten, wenn nein – was gab Ihrem Informationsstand als Eigentümervertreter zufolge dann den Ausschlag für das Platzen des Deals?

 

7.      Warum unterblieb Ihren Informationen als Eigentümervertreter zufolge ein Ersuchen der Telekom Austria oder der ÖIAG an die Wiener Börse, die TA-Aktie aus dem Handel zu nehmen, um danach die Marktteilnehmer in geeigneter Form über das Scheitern der Gespräche mit der swisscom so informieren zu können, dass alle denselben Informationsstand haben?

 

8.      Wie erklären Sie sich als Eigentümervertreter den ungewöhnlichen Umfang des Handels mit Put-Optionen der TA in den zwei Tagen vor dem Platzen der Verhandlungen mit der swisscom?

 

9.      In welcher Höhe beziffern Sie als Eigentümervertreter die Kosten der Beraterfirmen, die die Verhandlungen mit der swisscom vorbereitet oder begleitet haben und welchen Firmen ist welches Auftragsvolumen zuzuordnen?

 

10.  Sind Ihren Information als Eigentümervertreter zu Folge die Medienberichte richtig, wonach in der VA-Tech Weichenstellungen in Richtung Zerschlagung des Unternehmens im Bereich Anlagenbau in Vorbereitung sind? Und wenn ja, was ist konkret geplant?

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird gemäß § 93 Abs. 2 GOG verlangt, diese Anfrage dringlich zu behandeln.