2110/J XXII. GP

Eingelangt am 31.08.2004
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend Auslieferung von AsylwerberInnen

 

 

Am 24. Februar 2004 wurde der Asylwerber Akhmet A., russischer Staatsbürger aus Dagestan, aufgrund des Auslieferungsantrags der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation von der Republik Österreich nach Russland ausgeliefert. Die internationale Menschenrechtsorganisation amnesty international stellt zur Menschenrechtssituation in Russland in einem Länderkurzbericht vom November 2002 fest: Bereits 1995 zeigte die Menschenrechtskommission des russischen Präsidenten auf, dass die Macht der Sicherheits- und Polizeidienste unter dem Deckmantel der Verbrechensbekämpfung auf Kosten der verfassungsmäßigen Rechte und Garantien der Bürger ausgeweitet wird. Diese Tendenz verstärkte sich in den vergangenen Jahren weiter. Immer wieder werden unter Folter, Zwang oder mit gefälschten und untergeschobenen Beweisstücken Geständnisse erpresst, die Grundlagen für nachfolgende strafrechtliche Verurteilungen werden. Ein Vorgehen, dass explizit von Artikel 15 der Anti-Folter Konvention der Vereinten Nationen, aber auch von Artikel 50(2) der russischen Verfassung sanktioniert wird. Die Methoden reichen von verschiedenen Formen der Einschüchterung bis hin zu schweren körperlichen Misshandlungen (Drosseln der Sauerstoffzufuhr, Schlagen von an den Händen aufgehängten Häftlingen, Vergewaltigungen etc). In der Folge kam es mehrfach zu Todesfällen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1)      Warum wurde Herr Akhmet A. trotz der durch mehrere Menschenrechtsinstitutionen wie amnesty international, Helsinki Föderation für Menschenrechte und UN-Komitee gegen Folter mehrfach belegten erschreckenden Menschenrechtsverletzungen durch russische Sicherheitskräfte und in russischen Gefängnissen nach Russland ausgeliefert?

 

2)      Warum reichte der Republik die Zusicherung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, die Menschenrechte einzuhalten, um Herrn Akhmet A. auszuliefern, obwohl zahlreiche Berichte über systematische Folterungen und Misshandlungen in russischen Gefängnissen vorliegen?

 

3)      Wie und durch welche Massnahmen gedenkt die Republik Österreich die tatsächliche Einhaltung dieser durch die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation getätigten Zusicherung zu überprüfen?

 

4)      Als wie glaubwürdig schätzen sie die von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation erhobenen Vorwürfe der Beteiligung an der Entführung von 2 russischen Militärangehörigen und illegale Anschaffung und Tragen einer Waffe gegen Herrn Akhmet A. angesichts der später erhobenen Anschuldigungen wegen illegalen Drogenbesitzes und des Vorwurfs der Entführung von 20 (also zehnmal mehr als ursprünglich im Auslieferungsantrag angegebenen) russischen Militärangehörigen ein?

 

5)      Gemäß § 23 des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes (ARHG) ist eine Auslieferung nur zulässig, wenn gewährleistet ist, dass die ausgelieferte Person im ersuchenden Staat weder wegen einer vor ihrer Übergabe begangenen Handlung, auf die sich die Auslieferungsbewilligung nicht erstreckt, noch ausschließlich wegen einer oder mehrerer für sich allein nicht der Auslieferung unterliegender Handlungen verfolgt, bestraft oder in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt wird. Wie und durch welche Massnahmen gedenkt die Republik Österreich angesichts der oben angeführten divergierenden Beschuldigungen gegen Herrn Akhmet A. die tatsächliche Einhaltung dieser Bestimmung durch die Russische Föderation zu überprüfen und zu gewährleisten?

 

6)      § 21 Abs 2 des Asylgesetzes lautet: Ein Asylwerber darf nicht in den Herkunftsstaat zurückgewiesen und überhaupt nicht zurückgeschoben oder abgeschoben werden; die Übermittlung personenbezogener Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat ist nicht zulässig . Sind Sie der Meinung, dass im Fall von Herrn Akhmet A. diese Bestimmung verletzt wurde?

 

7)      Wie rechtfertigen Sie die Auslieferung von Herrn Akhmet A. vor Ende seines Asylverfahrens, also vor Überprüfung seiner Flüchtlingseigenschaft, aus der bejahendenfalls die Schutzgewährung durch Österreich und ein definitives Verbot der Ab- und Zurückschiebung ins Herkunftsland folgen würde?

 

8)      Wie rechtfertigen Sie die Aushöhlung des Asylrechts durch vorzeitige Auslieferung und somit Abschiebung eines Asylwerbers, was die Überprüfung seines Anliegens durch die Asylbehörden verunmöglicht?

 

9) Da im Auslieferungsverfahren die Angaben des die Auslieferung begehrenden Staates nicht überprüft werden, fällt es einem Verfolgerstaat nicht schwer, strafrechtliche Delikte vorzugeben, um missliebiger AsylwerberInnen (z.B. RegimegegnerInnen) habhaft zu werden. Wie wollen Sie angesichts der derzeitigen Rechtslage verhindern, dass zwischen dem Asyl- und Auslieferungsverfahren ein Wettlauf entsteht, an dessen Ende ein potenzieller Flüchtling an den Verfolgerstaat ausgeliefert wird?

 

10) Werden Sie dafür eintreten, dass im Einvernehmen mit dem Innenminister das im § 21 Abs 2 Asylgesetz verankerte Ab- und Zurückschiebungsverbot bei AsylwerberInnen auch auf die Auslieferung erstreckt wird bzw eine dem Rechtsschutz genügende Regelung des Verhältnisses zwischen Auslieferungs- und Asylverfahren gefunden wird?

 

11) Angesichts der wohl dokumentierten massiven Menschenrechtsverletzungen in Russland: Teilen Sie die Rechtsauffassung des Oberstaatsanwalts Dr. Benner, der in Beantwortung des Schreibens von amnesty international betreffend Auslieferung von Akhmet A. an Sie meint, im Hinblick auf den im ARHG vorgesehenen Rechtsschutz erscheine es nicht erforderlich, vor der Durchführung des Auslieferungsverfahrens über allfällige Asylanträge der gesuchten Person zu entscheiden ? Wenn ja, wie wollen Sie die Nicht-Verletzung der Genfer Flüchtlingskonvention und des darin enthaltenen Refoulement-Schutzes gewährleisten?

 

12) Warum wurde in der Beantwortung des Schreibens von amnesty international mit keinem Wort auf die Fragen eingegangen, wie und durch welche Schritte Österreich sich von der Einhaltung der Menschenrechte im Fall des nach Russland ausgelieferten Akhmet A.überzeugen will?

 

13) Wie viele Auslieferungen von Personen, während laufenden Asylverfahrens, haben seit dem Jahr 2000 (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und Auslieferungsstaaten) bis heute stattgefunden?