2114/J XXII. GP

Eingelangt am 15.09.2004
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Maier

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „Sparabsichten in der Justiz – Privatisierung von Schreibarbeiten“

 

 

Wie Medienberichten zu entnehmen war (und auch bestätigt wurde) sollen in österreichischen Gerichten Schreibarbeiten – statt wie bisher von den gerichtseigenen Kräften – künftig  von Mitarbeitern privater (externer) Schreibdienste erledigt werden (Privatisierung von Schreibarbeiten). Eine Ausschreibung der Arbeiten war bereits für Ende Februar 2004 geplant, allerdings wurde dieser Zeitplan nicht eingehalten. Im Juni 2004 sollte sodann die Ausschreibung des BMJ fertig sein (inkl. Vertragsmuster) und die Ausschreibung erfolgen.

 

Am 15.06.2004 fand im Datenschutzrat eine Diskussion zur „Privatisierung von Schreibarbeiten“ und den damit verbundenen möglichen datenschutzrechtlichen Problemen statt.

Der Vertreter des BMJ begründete diese Privatisierung von Schreibarbeiten als Reaktion auf den Personalabbau in der Justiz und damit, weil in Wien und Graz bereits jetzt Gerichtsschreibarbeiten durch private Schreibdienste erledigt werden. Über den Umfang dieser Auslagerung, die konkreten Leistungen der Schreibdienste und die Kosten (Sachaufwand) gab es keine konkreten Informationen. Die Schreibarbeiten durch MitarbeiterInnen privater Schreibdienste sollen nach Auskunft des Justizvertreters im Regelfall im Gerichtsgebäude erfolgen, Tonbandprotokolle und Akte sollen im Regelfall nicht außerhalb des Gerichtes genommen werden. Unklar war aber, welche Schreibarbeiten (Protokolle, Urteile, etc.) in welchen Justizbereichen (Zivil-, Straf- o.ä.) von privaten Schreibdiensten übernommen werden sollen.

 

Eine Privatisierung der Schreibarbeiten im Gericht oder außerhalb des Gerichtes bringt auf beiden Ebenen Probleme mit sich, auch wenn die konkreten Rahmenbedingungen nach der Vergabe in Verträgen zwischen BMJ und den privaten Schreibdiensten festgelegt sind. Für die bei Gericht tätigen Schreibkräfte gilt beispielsweise die Verschwiegenheitspflicht, die natürlich auch den MitarbeiterInnen privater Schreibdienste überbunden werden müsste.

 

Wirklicher Hintergrund dafür – und hier ist dem Vertreter des Justizministeriums beizupflichten - ist weiterhin der nicht nach vollziehbare lineare Sparkurs im Justizressort. Obwohl seit Jahren in der Öffentlichkeit große Probleme bei „Übertragungen“ von Protokollen, Fertigstellung von Urteilen, etc. bekannt geworden sind (s. auch Berichte der VA und des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages), versucht man nun diese Probleme nun mit einer „Privatisierung“ zu lösen. Dies muss absolut hinterfragt werden – wobei dabei gerade rechtsstaatliche Bedenken berücksichtigt werden müssen!

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende

 

Anfrage:

 

  1. Bedeutet dies weitere Einsparungen beim nichtgerichtlichen Personal (gerichtliches Schreibpersonal)? Bedeutet dies eventuell auch Kündigungen bei den einzelnen Gerichten?
    Wenn ja, wie viele MitarbeiterInnen sollen damit 2004, 2005 und 2006 eingespart werden?

  2. Bei welchen Gerichten sollen in Zukunft private Schreibdienst eingesetzt werden (Aufschlüsselung auf BG, LG, OLG und OGH)? Sollen sie auch bei den StA eingesetzt werden?

 

  1. Welche konkreten Schreibarbeiten (z.B. Protokolle, Urteile etc.) sollen den privaten Schreibdiensten übertragen werden (ersuche um Aufschlüsselung nach Gerichten bzw. StA)?

 

  1. Werden die Verträge mit den privaten Schreibdiensten der Datenschutzkommission zur Vorabkontrolle vorgelegt? Wenn nein, warum nicht?

 

  1. Wie löst man das Problem der Amtsverschwiegenheit bei MitarbeiterInnen privater Schreibdienste? Muss von diesen ein Eid geleistet werden? Wie wird die Amtsverschwiegenheit abgesichert?

 

  1. Gibt es eine datenschutzrechtliche Einschulung der MitarbeiterInnen privater Schreibdienste? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wer hat diese vorzunehmen?

  2. Welche konkreten Sanktionen sind in den Verträgen vorgesehen, wenn MitarbeiterInnen privater Schreibdienste (bzw. der Gewerbeinhaber) selbst vertragsgemäße Auflagen nicht einhalten (z.B. Amtsverschwiegenheit)?

  3. Erhalten die MitarbeiterInnen privater Schreibdienste ein Tonbandprotokoll, eine Videokassette oder eine CD zum Übertragen? Oder werden digitalisierte Daten zur Übertragung übermittelt?

  4. Wer haftet für Übertragungsfehler durch MitarbeiterInnen privater Schreibdienste?

  5. Wer kontrolliert die einwandfreie und vollständige Übertragung? Ist dies Aufgabe der RichterInnen? Wenn ja, welcher Zeitaufwand ist nach den bisherigen Erfahrungswerten damit verbunden?

  6. Welche Möglichkeiten zur Protokollberichtigung – bei fehlerhafter Übertragung  durch MitarbeiterInnen privater Schreibdienste – werden den Parteien gegeben?

  7. Wie wird sichergestellt, dass durch MitarbeiterInnen privater Schreibdienste keine Daten bzw. Aufnahmen gelöscht werden (z.B. Tonband, CD)?

  8. Wie wird sichergestellt, dass durch MitarbeiterInnen privater Schreibdienste keine Daten (Informationen) in rechtswidriger Weise an Dritte übermittelt werden?

  9. Wie erfolgt die Einschulung der MitarbeiterInnen privater Schreibdienste in die Gerichtsorganisation, Rechtstermini etc. ?

  10. Über welche berufliche Qualifikationen müssen MitarbeiterInnen privater Schreibdienste konkret verfügen?

  11. Welche Infrastruktur (z.B. Raum, Schreibtisch, Sessel, Kopiergerät, PC) wird bei Schreibarbeiten im Gericht von der Justizverwaltung (BMJ) den MitarbeiterInnen privater Schreibdienste konkret zur Verfügung gestellt?

  12. Wer ist gegenüber einzelnen MitarbeiterInnen privaten Schreibdienste generell weisungsbefugt? Gibt es auch ein Weisungsrecht der Justiz?

 

  1. Unter welchen Voraussetzungen werden seitens der Justiz Befangenheitsprobleme eines Gewerbeinhabers der u.a. das eines privaten Schreibdienstes ausübt, gesehen?

  2. Dürfen Gewerbeinhaber von privaten Schreibdiensten auch andere Gewerbe ausüben  wie z.B. Inkassogewerbe, Sicherheitsgewerbe?

  3. Wie kommen Richter – z.B. bei  Gefahr im Verzug – sofort zum Gerichtsakt oder Teilen des Aktes, wenn sich dieser in privaten Schreibbüros (d.h. außerhalb des Gerichts) befindet?

  4. Wie werden Tonbandprotokolle und Gerichtsakte (außerhalb des Gerichts) in den Räumlichkeiten privater Schreibbüros gesichert? Ist dafür ein Tresor notwendig? Welche Sicherheitsmaßnahmen sind notwendig und vorgeschrieben?

  5. Wurden die bereits laufenden Verträge mit privaten Schreibdiensten (Wien, Graz etc.) der Datenschutzkommission zur Vorabkontrolle vorgelegt?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wann erfolgte die Vorlage? Welche Stellungnahme gab dazu die DSK ab?

  1. Welche konkreten Schreibaufgaben wurden den MitarbeitInnen privater Schreibdienste in Graz und Wien bisher übertragen?

  2. Welche konkreten Erfahrungen mit MitarbeiterInnen privater Schreibdienste liegen dem BMJ und den betroffenen Gerichtsabteilungen bisher vor?

  3. Welche Kosten sind mit der Beauftragung privater Schreibdienste 2002 und 2003 angefallen (Aufschlüsselung auf Jahre sowie OLG bzw. LG Sprengel)? Welche Kosten werden 2004 anfallen? Wo sind diese Kosten im Budget verbucht?

  4. Wie wird das Honorar für private Schreibdienste berechnet? Welche diesbezüglichen Regelungen sind in den Verträgen vorgesehen?

  5. Ist die nun geplante Änderung der StPO (Neuregelung der Protokollierung, Diktafonverwendung etc.) im Zusammenhang mit der beabsichtigten Privatisierung von Schreibarbeiten zu sehen?