Eingelangt am 15.09.2004
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Maier
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend „Sparabsichten in der Justiz –
Privatisierung von Schreibarbeiten“
Wie Medienberichten zu entnehmen war (und auch bestätigt
wurde) sollen in österreichischen Gerichten Schreibarbeiten – statt wie bisher
von den gerichtseigenen Kräften – künftig
von Mitarbeitern privater (externer) Schreibdienste erledigt werden
(Privatisierung von Schreibarbeiten). Eine Ausschreibung der Arbeiten war
bereits für Ende Februar 2004 geplant, allerdings wurde dieser Zeitplan nicht
eingehalten. Im Juni 2004 sollte sodann die Ausschreibung des BMJ fertig sein
(inkl. Vertragsmuster) und die Ausschreibung erfolgen.
Am 15.06.2004 fand im Datenschutzrat eine Diskussion zur
„Privatisierung von Schreibarbeiten“ und den damit verbundenen möglichen
datenschutzrechtlichen Problemen statt.
Der Vertreter des BMJ begründete diese Privatisierung von
Schreibarbeiten als Reaktion auf den Personalabbau in der Justiz und damit,
weil in Wien und Graz bereits jetzt Gerichtsschreibarbeiten durch private
Schreibdienste erledigt werden. Über den Umfang dieser Auslagerung, die
konkreten Leistungen der Schreibdienste und die Kosten (Sachaufwand) gab es
keine konkreten Informationen. Die Schreibarbeiten durch MitarbeiterInnen
privater Schreibdienste sollen nach Auskunft des Justizvertreters im Regelfall
im Gerichtsgebäude erfolgen, Tonbandprotokolle und Akte sollen im Regelfall
nicht außerhalb des Gerichtes genommen werden. Unklar war aber, welche
Schreibarbeiten (Protokolle, Urteile, etc.) in welchen Justizbereichen (Zivil-,
Straf- o.ä.) von privaten Schreibdiensten übernommen werden sollen.
Eine Privatisierung der Schreibarbeiten im Gericht oder
außerhalb des Gerichtes bringt auf beiden Ebenen Probleme mit sich, auch wenn
die konkreten Rahmenbedingungen nach der Vergabe in Verträgen zwischen BMJ und
den privaten Schreibdiensten festgelegt sind. Für die bei Gericht tätigen
Schreibkräfte gilt beispielsweise die Verschwiegenheitspflicht, die natürlich
auch den MitarbeiterInnen privater Schreibdienste überbunden werden müsste.
Wirklicher Hintergrund dafür – und hier ist dem Vertreter
des Justizministeriums beizupflichten - ist weiterhin der nicht nach
vollziehbare lineare Sparkurs im Justizressort. Obwohl seit Jahren in der
Öffentlichkeit große Probleme bei „Übertragungen“ von Protokollen,
Fertigstellung von Urteilen, etc. bekannt geworden sind (s. auch Berichte der
VA und des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages), versucht man nun diese
Probleme nun mit einer „Privatisierung“ zu lösen. Dies muss absolut hinterfragt
werden – wobei dabei gerade rechtsstaatliche Bedenken berücksichtigt werden
müssen!
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die
Bundesministerin für Justiz nachstehende
Anfrage:
- Bedeutet
dies weitere Einsparungen beim nichtgerichtlichen Personal (gerichtliches
Schreibpersonal)? Bedeutet dies eventuell auch Kündigungen bei den
einzelnen Gerichten?
Wenn ja, wie viele MitarbeiterInnen sollen damit 2004, 2005 und 2006
eingespart werden?
- Bei
welchen Gerichten sollen in Zukunft private Schreibdienst eingesetzt
werden (Aufschlüsselung auf BG, LG, OLG und OGH)? Sollen sie auch bei den
StA eingesetzt werden?
- Welche
konkreten Schreibarbeiten (z.B. Protokolle, Urteile etc.) sollen den
privaten Schreibdiensten übertragen werden (ersuche um Aufschlüsselung
nach Gerichten bzw. StA)?
- Werden
die Verträge mit den privaten Schreibdiensten der Datenschutzkommission
zur Vorabkontrolle vorgelegt? Wenn nein, warum nicht?
- Wie
löst man das Problem der Amtsverschwiegenheit bei MitarbeiterInnen
privater Schreibdienste? Muss von diesen ein Eid geleistet werden? Wie
wird die Amtsverschwiegenheit abgesichert?
- Gibt
es eine datenschutzrechtliche Einschulung der MitarbeiterInnen privater
Schreibdienste? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wer hat diese
vorzunehmen?
- Welche
konkreten Sanktionen sind in den Verträgen vorgesehen, wenn
MitarbeiterInnen privater Schreibdienste (bzw. der Gewerbeinhaber) selbst
vertragsgemäße Auflagen nicht einhalten (z.B. Amtsverschwiegenheit)?
- Erhalten
die MitarbeiterInnen privater Schreibdienste ein Tonbandprotokoll, eine
Videokassette oder eine CD zum Übertragen? Oder werden digitalisierte
Daten zur Übertragung übermittelt?
- Wer
haftet für Übertragungsfehler durch MitarbeiterInnen privater
Schreibdienste?
- Wer
kontrolliert die einwandfreie und vollständige Übertragung? Ist dies
Aufgabe der RichterInnen? Wenn ja, welcher Zeitaufwand ist nach den
bisherigen Erfahrungswerten damit verbunden?
- Welche
Möglichkeiten zur Protokollberichtigung – bei fehlerhafter
Übertragung durch
MitarbeiterInnen privater Schreibdienste – werden den Parteien gegeben?
- Wie
wird sichergestellt, dass durch MitarbeiterInnen privater Schreibdienste
keine Daten bzw. Aufnahmen gelöscht werden (z.B. Tonband, CD)?
- Wie
wird sichergestellt, dass durch MitarbeiterInnen privater Schreibdienste
keine Daten (Informationen) in rechtswidriger Weise an Dritte übermittelt
werden?
- Wie
erfolgt die Einschulung der MitarbeiterInnen privater Schreibdienste in
die Gerichtsorganisation, Rechtstermini etc. ?
- Über
welche berufliche Qualifikationen müssen MitarbeiterInnen privater
Schreibdienste konkret verfügen?
- Welche
Infrastruktur (z.B. Raum, Schreibtisch, Sessel, Kopiergerät, PC) wird bei
Schreibarbeiten im Gericht von der Justizverwaltung (BMJ) den
MitarbeiterInnen privater Schreibdienste konkret zur Verfügung gestellt?
- Wer
ist gegenüber einzelnen MitarbeiterInnen privaten Schreibdienste generell
weisungsbefugt? Gibt es auch ein Weisungsrecht der Justiz?
- Unter
welchen Voraussetzungen werden seitens der Justiz Befangenheitsprobleme
eines Gewerbeinhabers der u.a. das eines privaten Schreibdienstes ausübt,
gesehen?
- Dürfen
Gewerbeinhaber von privaten Schreibdiensten auch andere Gewerbe
ausüben wie z.B.
Inkassogewerbe, Sicherheitsgewerbe?
- Wie
kommen Richter – z.B. bei
Gefahr im Verzug – sofort zum Gerichtsakt oder Teilen des Aktes, wenn
sich dieser in privaten Schreibbüros (d.h. außerhalb des Gerichts)
befindet?
- Wie
werden Tonbandprotokolle und Gerichtsakte (außerhalb des Gerichts) in den
Räumlichkeiten privater Schreibbüros gesichert? Ist dafür ein Tresor
notwendig? Welche Sicherheitsmaßnahmen sind notwendig und vorgeschrieben?
- Wurden
die bereits laufenden Verträge mit privaten Schreibdiensten (Wien, Graz
etc.) der Datenschutzkommission zur Vorabkontrolle vorgelegt?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wann erfolgte die
Vorlage? Welche Stellungnahme gab dazu die DSK ab?
- Welche
konkreten Schreibaufgaben wurden den MitarbeitInnen privater
Schreibdienste in Graz und Wien bisher übertragen?
- Welche
konkreten Erfahrungen mit MitarbeiterInnen privater Schreibdienste liegen
dem BMJ und den betroffenen Gerichtsabteilungen bisher vor?
- Welche
Kosten sind mit der Beauftragung privater Schreibdienste 2002 und 2003
angefallen (Aufschlüsselung auf Jahre sowie OLG bzw. LG Sprengel)? Welche
Kosten werden 2004 anfallen? Wo sind diese Kosten im Budget verbucht?
- Wie
wird das Honorar für private Schreibdienste berechnet? Welche
diesbezüglichen Regelungen sind in den Verträgen vorgesehen?
- Ist
die nun geplante Änderung der StPO (Neuregelung der Protokollierung,
Diktafonverwendung etc.) im Zusammenhang mit der beabsichtigten
Privatisierung von Schreibarbeiten zu sehen?