2146/J XXII. GP

Eingelangt am 22.09.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Heidrun Silhavy

und GenossInnen

an den Bundesministerin für Gesundheit und Frauen

betreffend den Beratervertrag zwischen dem Gesundheitsministerium und der Firma

Roland Berger zur "Gesundheitsreform"

Seit einigen Tagen kontaktieren MitarbeiterInnen der Beratungsfirma Roland Berger Strategy
Consultants ausgewählte Akteure des Gesundheitswesens und geben dabei bekannt, dass sie
im Auftrag des BMGF an einer "Kosten-Nutzen-Analyse" für die kommende
"Gesundheitsreform" (Stichwort: Agenturen) arbeiten. Es wurde mehrfach die Vermutung
geäußert, dass dieser Auftrag an die Firma Roland Berger nicht ausgeschrieben wurde.
Außerdem liegt die Vermutung nahe, dass die zuständige Bundesministerin mit Steuergeld ein
"Legitimationsgutachten" zur Unterstützung der PR für ihr politisches Vorhaben der
Entmachtung der SV-Selbstverwaltung und zur Durchsetzung ihres Modells der
parteipolitisch gesteuerten Agenturen kaufen möchte.

Diese Vorgangsweise ist um so beunruhigender, als vor wenigen Monaten sowohl der Chef
der deutschen Bundesanstalt für Arbeit (BA) als auch der deutsche Verteidigungsminister in
große öffentliche Erklärungsnot wegen nicht ausgeschriebener Aufträge an die Firma Roland
Berger geraten sind. Die Innenrevision der Bundesagentur für Arbeit hat bei der Überprüfung
von Beraterverträgen der BA mit externen Dienstleistern gravierende Verstöße gegen das
Vergaberecht festgestellt. Dabei handele es sich vor allem um Verträge mit dem
Unternehmensberater Roland Berger. Im Zuge des "Beraterskandales" mußte der Chef der BA
zurücktreten. Das deutsche Nachrichtenmagazin Focus berichtete im Jänner 2004 u.a. von
freihändig vergebenen Aufträgen an Roland Berger in Höhe von 1,3 Mio. Euro. Der CDU-
Haushaltsexperte Dietrich Austermann sagte, "der Fall Gerster (um den vom Chef der
deutschen Bundesanstalt für Arbeit abgeschlossenen umstrittenen Beratervertrag, Anm.) ist
gegen die Affäre im Verteidigungsministerium sogar nur ein kleiner Fisch."


Die vermutlich freihändige Vergabe durch das BMGF an Roland Berger ohne Ausschreibung
hat vermutlich auch einen weiteren gesundheitspolitischen Hintergrund: Roland Berger
vertritt offensichtlich ähnliche Auffassungen zur "Gesundheitsreform" wie Bundesministerin
Rauch-Kallat.


Einen Ausschnitt seiner "Reformvorschläge" für das Österreichische Gesundheitswesen hat
Roland Berger persönlich in einem viel beachteten Vortrag vor Mitgliedern des
Verfassungskonvents am 14. Jänner 2004 im Haus der Industrie in Wien bekannt gegeben
(die Originalfolien zu diesem Vortrag können über die Roland-Berger-Website
heruntergeladen werden):

         Abgehen von der umlagefinanzierten sozialen Krankenversicherung hin zu einem
kapitalgedeckten System;

         Leistungskürzungen im Gesundheitswesen;

         Mehr Eigenbeteiligungen (Selbstbehalte);

         Abkehr vom Prinzip der paritätischen Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer;

         Privatisierung der Gesundheitseinrichtungen.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für
nachstehende

Anfrage:

1.   Wurde heuer ein Beratervertrag zwischen BMGF und der Firma Roland Berger
Strategy Consultants abgeschlossen?

2.                           Wenn ja, wurde diese Dienstleistung ausgeschrieben?

3.                           Wenn keine Ausschreibung erfolgte, warum nicht?

4.                           Wie lautet der genaue Auftrag, welche Leistungen sollen in welcher Zeit vom
Auftragnehmer erbracht werden?

5.                           Hätten die fremdvergebenen Leistungen auch von MitarbeiterInnen des BMGF bzw.
dem Ressort zugeordneter Stellen (z.B. Sozialversicherungsträger) genau so gut oder
vielleicht sogar in besserer Qualität erbracht werden können (z.B. durch langjährige
Erfahrung in der Aufarbeitung und Analyse von relevanten Daten, Wegfall von
Recherchearbeit, etc.)?

 


6.                          Welche Honorarsumme ist mit der Firma Roland Berger vereinbart?

7.                          Teilen Sie die oben angeführten Reformvorschläge von Roland Berger für das
Gesundheitswesen (Leistungskürzungen im Gesundheitswesen, mehr Selbstbehalte,
Abkehr vom Prinzip der paritätischen Finanzierung durch Arbeitgeber und
Arbeitnehmer, Privatisierung der Gesundheitseinrichtungen und Abgehen von der
umlagefinanzierten sozialen Krankenversicherung hin zu einem kapitalgedeckten
System)?

8.                          Wenn nicht, warum vertrauen Sie dann auf Reformvorschläge dieser Firma?