2243/J XXII. GP
Eingelangt am 04.11.2004
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Absichten zur Stillegung von 72 "B-Strecken" des österreichischen Schienennetzes
Kürzlich wurde durch einen Medienbericht detaillierte Pläne der künftigen ÖBB Personenverkehrs AG bekannt, bis 2008 nicht weniger als 72 sogenannte B-Strecken („Nebenverkehrslinien“) im gesamten Bundesgebiet stillzulegen bzw. durch Autobusse zu ersetzen. Alternativ scheinen auch Bahn-Bus-Mischlösungen mit einzelnen Pro-Forma-Zugpaaren pro Tag angedacht; mit diesen könnte das gesetzlich vorgesehene Stillegungsverfahren vermieden und zugleich auch die mögliche Übernahme des Schienenverkehrs (und möglicherweise auch der Infrastruktur) durch Dritte verhindert werden.
Dem entsprechenden Medienbericht der „Salzburger Nachrichten“ zufolge steht das betriebswirtschaftliche Einsparungsziel (150 Mio Euro pro Jahr) im Vordergrund. Es sollen alle Züge mit bis zu 50 Fahrgästen in Diskussion stehen; daneben soll auch die bessere Auslastung der offenbar schlecht ausgelasteten ÖBB-Post-Busse ein Ziel sein.
Insgesamt wird mit diesen Plänen die Kritik insbesondere der Grünen an der ÖBB-Reform voll bestätigt, dass es sich um ein Rückzugskonzept statt der nötigen Offensivstrategie handelt und dass Angebotsverschlechterungen für die Fahrgäste und/oder Mehrkosten für die Aufgabenträger im Nah- und Regionalverkehr die Folge sein werden. Insbesondere die Absicht, Züge mit 50 Fahrgästen durch maximal 52 Passagiere fassende Busse ersetzen zu wollen, zeugt von einer reinen Defensivstrategie, die Fahrgastzunahmen von vornherein ausschließt. Auch gibt es für den Güterverkehr keine ökologisch vergleichbare Alternative zu einer stärkeren Nutzung der Regionalbahnen.
Die Pläne stehen somit im Widerspruch zu den Ankündigungen der Regierung, Menschen zum Umstieg vom Auto auf Öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen und den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern. Dazu bräuchte es eine Offensivstrategie, die zwar nicht umsonst zu haben ist, aber umfangreiche Folgekosten wie Unfallkosten, Gesundheitskosten oder auch Staukosten erspart. Daß eine solche Offensivstrategie jedoch weder unfinanzierbar noch chancenlos ist, belegt unter anderem das Beispiel der Außerfernbahn, wo bei vergleichsweise bescheidenem Mitteleinsatz in nur drei Jahren die Fahrgastzahlen um 60% und das Gütervolumen um 180% stiegen – allerdings nicht zuletzt infolge eines Wechsels zu einem anderen Betreiber als den ÖBB.
Daß offenbar zuerst
bei Neben- und Regionalbahnstrecken gespart werden soll, ist insofern unlogisch,
als Regionalbahnen dem VCÖ zufolge nur 18,6 Prozent der Streckenkosten
verursachen (Regionale Hauptstrecken ("B-Netz"): 13,4 Prozent,
Nebenstrecken ("C-Netz"): 5,2 Prozent). Hingegen soll an großen,
betriebs- und volkswirtschaftlich fragwürdigen Neubauprojekten im A-Netz nicht
gerüttelt werden, obwohl diese ähnliche Kostendeckungsgrade wie Nebenbahnen
(allerdings auf vielfach höherem Niveau) erwarten lassen.
Wenngleich bei der ÖBB Personenverkehrs AG eine dem Aktien- bzw. Gesellschaftsrecht entsprechende Eröffnungsbilanz ebenso wenig wie bei einigen anderen ÖBB-Teilen gesichert ist, ist nicht auszuschließen, dass die dargestellten Pläne wie beabsichtigt umgesetzt werden. Das erwähnte Einsparungsziel steht unzweifelhaft in direktem Zusammenhang mit der ÖBB-Strukturreform 2003. Es ist davon auszugehen, dass die Bundesregierung, die diese Reform mit diesen negativen Folgeerscheinungen für den Schienenverkehr betrieben hat, in diese Pläne eingebunden ist. Es stellt sich unmittelbar die Frage der politischen Verantwortung für die geplante Stillegung weiter Teile des österreichischen Schienennetzes.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE: