Eingelangt am 09.11.2004
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr
Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister
für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend Konsequenzen
aus der REFLEX-Studie (Ergebnis: genotoxische Effekte durch elektromagnetische
Felder zB des Mobilfunks) und Arbeitsergebnisse des Wissenschaftlichen Beirats
Funk des BMVIT zu „Mobilfunk und Gesundheit“
Die durch ein
Forschungsprogramm der EU geförderte und von 12 ForscherInnengruppen in ganz
Europa durchgeführte REFLEX-Studie brachte unter anderem das Ergebnis, daß
radiofrequente elektromagnetische Felder, also in der Praxis vor allem die
Mobilfunk-Strahlung, genotoxische Effekte in menschlichen Fibroplasten,
Granulosazellen und HL60-Zellen erzeugten.
Die Untersuchungen wurden doppelblind und
von zwei oder mehreren Instituten ausgeführt und haben daher einen sehr hohen
Grad der Zuverlässigkeit. Sie sind daher wissenschaftlich wohl auch aus Sicht
des vom BMVIT mit der Beurteilung derartiger Studien beauftragten Teils der
Fachwelt untadelig. Die verwendeten SAR-Werte der Strahlung lagen zwischen 0,3
und 2 W/kg, also Werten, wie sie ständig beim Telefonieren mit einem
Mobiltelefon auftreten und die um Größenordnungen unter den bisher empfohlenen
und von den Behörden zugrunde gelegten Grenzwerten liegen.
Zwischen dem Ergebnis der REFLEX-Studie –
und nicht nur dieser, vgl. zB die niederländische TNO-Studie – und dem Ergebnis
der Arbeiten des Wissenschaftlichen Beirats Funk zum Thema „Mobilfunk und
Gesundheit“, wie es am 4.11.2004 präsentiert wurde, bestehen somit gravierende
Widersprüche.
Noch gravierender werden die Widersprüche,
zieht man offenkundig von Ihnen finanzierte „entgeltliche Berichterstattung“ in
aktuellen Printmedien, zB der „Presse“ vom 6.11.2004, in Rechnung, die den
Sachverhalt und das vom WBF präsentierte Ergebnis durch die Gestaltung von
Schlagzeilen und Bildtexten in tendenziell verharmloster und insofern
verzerrter Form in die breite Öffentlichkeit tragen. So ist in diesen von Ihnen
finanzierten Veröffentlichungen zB fälschlicherweise davon die Rede, dass es
„keinerlei wissenschaftliche Hypothese [gäbe], wie eine extrem schwache
Strahlung überhaupt Schäden verursachen sollte“, auch wird darin beispielsweise
beim Zusammenhang Tumorbildung-Mobilfunk eine verharmlosende Interpretation der
hier äußerst vorsichtigen Äußerungen des WBF vorgenommen.
Verharmlosung per Inserat im Auftrag des
BMVIT mutet umso unpassender an, als in ebendiesem Inserat die Suche nach
Effekten des Mobilfunks per Inserat umgekehrt als „Negativ-Beispiel“, als
„ungeeignet“ und „wissenschaftlich nicht relevant“ gebrandmarkt wird.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen
daher folgende
ANFRAGE:
- Sind dem Ministerium die REFLEX-Studie und
ihre Ergebnisse bekannt?
- Sind dem Ministerium die TNO-Studie und ihre Ergebnisse
bekannt?
- Gibt es eine Stelle im BMVIT selbst, die die neuen
Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Wirkung von elektromagnetischen
Feldern auf den Menschen ständig verfolgt, evaluiert und erforderliche
Maßnahmen ergreift?
Wenn ja,
welche finanziellen und personellen Ressourcen stehen dieser Stelle zur
Verfügung?
Wenn nein,
warum gibt es keine derartige Stelle?
- Wurden die Ergebnisse der REFLEX-Studie in die Arbeit des
Wissenschaftlichen Beirats Funk (WBF) zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“
integriert?
Wenn nein,
warum nicht?
Wenn ja,
warum findet sich darüber in den am 4.11.2004 präsentierten Ergebnissen des WBF
keinerlei Aussage oder Information?
- Wurden die Ergebnisse der TNO-Studie in die Arbeit des
Wissenschaftlichen Beirats Funk (WBF) zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“
integriert?
Wenn nein,
warum nicht?
Wenn ja,
warum findet sich darüber in den am 4.11.2004 präsentierten Ergebnissen des WBF
keinerlei Aussage oder Information?
- In welcher Form wurden Erkenntnisse über
Chromosomenstrangbrüche infolge elektromagnetischer Strahlung in die am
4.11.2004 präsentierten Ergebnisse des WBF aufgenommen?
- Wie kam die Auswahl der Mitglieder des Wissenschaftlichen
Beirats Funk (WBF) zustande, angesichts der Tatsache, dass gerade zu den
sensiblen Bereichen der Forschung zu Mobilfunk und Gesundheit keines der
Beiratsmitglieder auf Veröffentlichungen in anerkannten wissenschaftlichen
Medien verweisen kann?
- Wie ist die Vergabe der Koordinationsfunktion der Arbeiten des
„Wissenschaftlichen Beirats Funk“ an ARCS im einzelnen erfolgt, und wie
ist diese dotiert?
- Wer hat an der Konsenskonferenz des Wissenschaftlichen Beirats
Funk (WBF) zu Mobilfunk und Gesundheit im einzelnen teilgenommen?
- Welche Studien wurden in den Ergebnissen der Arbeit des
Wissenschaftlichen Beirats Funk (WBF) zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“
konkret berücksichtigt?
- Wieviel Zeit (in Menschmonaten) wurde für Beschaffung, Sichtung
und Screening der nach Angaben der leitenden Repräsentanten des WBF
„mehreren zehntausend“ Studien investiert, aus denen die Auswahl der
letztlich berücksichtigten maximal 46 „guten“ (Zitat WBF) Studien
erfolgte?
- Welche Kosten waren mit der (verzerrten) Verbreitung der
Ergebnisse der Arbeit des Wissenschaftlichen Beirats Funk (WBF) zum Thema
„Mobilfunk und Gesundheit“ durch entgeltliche Beilagen, Einschaltungen
u.dgl. verbunden?
- Wurden Teile der Kosten a) der Arbeit des WBF insgesamt, b) der
Arbeit des WBF zu „Mobilfunk und Gesundheit“, c) der (verzerrten)
Verbreitung der Ergebnisse der Arbeit des WBF zu „Mobilfunk und
Gesundheit“ durch entgeltliche Beilagen, Einschaltungen u.dgl. direkt oder
indirekt durch Dritte (also: weder durch den Beirat selbst noch das BMVIT
selbst, sondern zB durch das BMVIT aus Mitteln von Unternehmen,
Interessenvertretungen o.ä.) gedeckt? Wenn ja, bitte um Nennung dieser
Finanziers und ihrer Beiträge.
- Sind UmweltmedizinerInnen Mitglieder des Wissenschaftlichen
Beirats Funk, und wie hat das Fachwissen von UmweltmedizinerInnen darüber
hinaus Eingang in die Arbeiten des WBF zum Thema „Mobilfunk und
Gesundheit“ gefunden?
- In welcher Form hat das Vorsorgeprinzip Eingang in die Arbeiten
des WBF zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“ gefunden, und wie bildet sich
dies im einzelnen in den am 4.11.2004 präsentierten Ergebnissen ab?
- Wie begründen Sie die bei der Präsentation der Arbeiten des WBF
zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“ von Staatssekretär Mainoni
aufgestellte Behauptung, dass „die immer wieder behaupteten
Gesundheitsgefahren (...) keine realen sind“, angesichts der Tatsache,
dass der Beirat bei ebenderselben Präsentation explizit feststellte, dass
die Ära des intensiven Handy-Telefonierens noch zu kurz sei, um Schäden
seriös auszuschließen, und angesichts der mehr als zurückhaltenden
Aussagen des Beirats insbesondere zum Thema Mobilfunk und Krebs („Derzeit
kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Mobilfunk und erhöhter Tumorhäufigkeit
zu erkennen. Endgültige Beurteilung erst nach Vorliegen der Ergebnisse
laufender Studien möglich. Ein möglicher Zusammenhang ist allerdings (...)
auch nicht auszuschließen.“)?
- Halten Sie eine Gegenrechnung von „durch das Handy geretteten
Menschenleben“ mit den auch entsprechend den Ausführungen des WBF nicht
auszuschließenden Gesundheitsrisken des Mobilfunks für a) seriös, b)
wissenschaftlich und c) unterstützen Sie eine solche Aufrechnung?
- Welche Maßnahmen werden Sie bis wann im einzelnen setzen, um
die erschreckende Zahl an Toten und Verletzten, die infolge Mobiltelefonie
am Steuer im Straßenverkehr zu beklagen sind, zu reduzieren?
- Stehen Sie zur Aussage „der Wissenschaftliche Beirat Funk verkörpert
die medizinisch-technische Kompetenz rund um das Thema Funkanwendungen“,
d.h. dass es außerhalb des Beirats keine medizinische oder technische
Kompetenz zu diesem Thema (in Österreich) gibt?
- Wie passt das Fazit der Arbeiten des Wissenschaftlichen Beirats
Funk zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“, wonach es „keinen Nachweis für
eine Gefährdung der Gesundheit durch Mobilfunk“ gäbe, zu den Ergebnissen
a) der REFLEX-Studie, b) der TNO-Studie?
- Durch die Ergebnisse der REFLEX-Studie wird offensichtlich eine
Gefahr für die Gesundheit breiter Bevölkerungsschichten aufgezeigt. Welche
Maßnahmen a) wurden bereits, b) werden von nun an ergriffen, um diese
Gefahr abzuwehren?
- Die bisherigen Grenzwerte werden nur durch eine 6-minütige
Bestrahlung an Kopfmodellen ermittelt, wobei auch nur die Erwärmung als
Effekt gemessen wird. Die Effekte, die in der REFLEX-Studie nachgewiesen
wurden, verstärkten sich aber mit der Dauer der Einwirkung, wobei z.B.
Maxima der Wirkung nach 24 Stunden oder in gewissen Fällen bei
intermittierender Bestrahlung gemessen wurden.
Offensichtlich
sind die von der ICNIRP empfohlenen Grenzwerte völlig ungeeignet, um vor
Wirkungen auf den menschlichen Körper
zu schützen, da sie auf völlig falschen Grundannahmen beruhen.
Wieso
wird immer noch an diesen Grenzwerten festgehalten? Wir ersuchen Sie um
Begründung im einzelnen.
- Die ICNIRP-Grenzwerte gehen auch von einer linearen Beziehung
zwischen Energie der Strahlung und der Wirkung aus. Die REFLEX-Studie
zeigt eindeutig einen nichtlinearen Zusammenhang zwischen SAR-Wert und Wirkung. Es treten z.B. Maxima
der Wirkung bei 1,3 W/kg auf, die Wirkungen bei 1,0 und 1,6 W/kg sind
jeweils geringer.
Wieso wird
am linearen Wirkungsmodell festgehalten? Wir ersuchen Sie um Begründung im einzelnen.
- Wie stellen Sie sicher, daß die Parameter Expositionszeit,
Frequenz, Modulation (z.B. Pulsung), Überlagerung von Feldern
verschiedener Quellen und andere beim Schutz der Bevölkerung vor den
Wirkungen elektromagnetischer Felder in Zukunft berücksichtigt werden?
- Die Erkenntnisse der REFLEX-Studie sind als wissenschaftlich
mindestens so gesichert wie die Arbeiten zu humanmedizinischen
Konsequenzen von BSE zu betrachten.
Wieso
wird beim Mobilfunk nicht mit derselben Vorsicht vorgegangen wie im Fall BSE,
im Sinne nicht zuletzt des verfassungsmäßig garantierten Grundrechts auf
Gesundheit?
Gilt
das Vorsorgeprinzip im Fall Mobilfunk nicht?
26. Werden Sie die Bevölkerung a) über die Ergebnisse der REFLEX-Studie,
b) über die Ergebnisse der TNO-Studie informieren? Wenn ja, wann, an welchen
Orten, und welche finanziellen Mittel sollen dafür eingesetzt werden? Wenn
nein, warum nicht?