2268/J XXII. GP

Eingelangt am 09.11.2004
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Konsequenzen aus der REFLEX-Studie (Ergebnis: genotoxische Effekte durch elektromagnetische Felder zB des Mobilfunks) und Arbeitsergebnisse des Wissenschaftlichen Beirats Funk des BMVIT zu „Mobilfunk und Gesundheit“

 

 

Die durch ein Forschungsprogramm der EU geförderte und von 12 ForscherInnengruppen in ganz Europa durchgeführte REFLEX-Studie brachte unter anderem das Ergebnis, daß radiofrequente elektromagnetische Felder, also in der Praxis vor allem die Mobilfunk-Strahlung, genotoxische Effekte in menschlichen Fibroplasten, Granulosazellen und HL60-Zellen erzeugten.

 

Die Untersuchungen wurden doppelblind und von zwei oder mehreren Instituten ausgeführt und haben daher einen sehr hohen Grad der Zuverlässigkeit. Sie sind daher wissenschaftlich wohl auch aus Sicht des vom BMVIT mit der Beurteilung derartiger Studien beauftragten Teils der Fachwelt untadelig. Die verwendeten SAR-Werte der Strahlung lagen zwischen 0,3 und 2 W/kg, also Werten, wie sie ständig beim Telefonieren mit einem Mobiltelefon auftreten und die um Größenordnungen unter den bisher empfohlenen und von den Behörden zugrunde gelegten Grenzwerten liegen.

 

Zwischen dem Ergebnis der REFLEX-Studie – und nicht nur dieser, vgl. zB die niederländische TNO-Studie – und dem Ergebnis der Arbeiten des Wissenschaftlichen Beirats Funk zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“, wie es am 4.11.2004 präsentiert wurde, bestehen somit gravierende Widersprüche.

 

Noch gravierender werden die Widersprüche, zieht man offenkundig von Ihnen finanzierte „entgeltliche Berichterstattung“ in aktuellen Printmedien, zB der „Presse“ vom 6.11.2004, in Rechnung, die den Sachverhalt und das vom WBF präsentierte Ergebnis durch die Gestaltung von Schlagzeilen und Bildtexten in tendenziell verharmloster und insofern verzerrter Form in die breite Öffentlichkeit tragen. So ist in diesen von Ihnen finanzierten Veröffentlichungen zB fälschlicherweise davon die Rede, dass es „keinerlei wissenschaftliche Hypothese [gäbe], wie eine extrem schwache Strahlung überhaupt Schäden verursachen sollte“, auch wird darin beispielsweise beim Zusammenhang Tumorbildung-Mobilfunk eine verharmlosende Interpretation der hier äußerst vorsichtigen Äußerungen des WBF vorgenommen.

 

Verharmlosung per Inserat im Auftrag des BMVIT mutet umso unpassender an, als in ebendiesem Inserat die Suche nach Effekten des Mobilfunks per Inserat umgekehrt als „Negativ-Beispiel“, als „ungeeignet“ und „wissenschaftlich nicht relevant“ gebrandmarkt wird.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Sind dem Ministerium die REFLEX-Studie und ihre Ergebnisse bekannt?

 

  1. Sind dem Ministerium die TNO-Studie und ihre Ergebnisse bekannt?

 

  1. Gibt es eine Stelle im BMVIT selbst, die die neuen Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Wirkung von elektromagnetischen Feldern auf den Menschen ständig verfolgt, evaluiert und erforderliche Maßnahmen ergreift?

Wenn ja, welche finanziellen und personellen Ressourcen stehen dieser Stelle zur Verfügung?

Wenn nein, warum gibt es keine derartige Stelle?

 

  1. Wurden die Ergebnisse der REFLEX-Studie in die Arbeit des Wissenschaftlichen Beirats Funk (WBF) zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“ integriert?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, warum findet sich darüber in den am 4.11.2004 präsentierten Ergebnissen des WBF keinerlei Aussage oder Information?

 

  1. Wurden die Ergebnisse der TNO-Studie in die Arbeit des Wissenschaftlichen Beirats Funk (WBF) zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“ integriert?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, warum findet sich darüber in den am 4.11.2004 präsentierten Ergebnissen des WBF keinerlei Aussage oder Information?

 

  1. In welcher Form wurden Erkenntnisse über Chromosomenstrangbrüche infolge elektromagnetischer Strahlung in die am 4.11.2004 präsentierten Ergebnisse des WBF aufgenommen?

 

  1. Wie kam die Auswahl der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats Funk (WBF) zustande, angesichts der Tatsache, dass gerade zu den sensiblen Bereichen der Forschung zu Mobilfunk und Gesundheit keines der Beiratsmitglieder auf Veröffentlichungen in anerkannten wissenschaftlichen Medien verweisen kann?

 

  1. Wie ist die Vergabe der Koordinationsfunktion der Arbeiten des „Wissenschaftlichen Beirats Funk“ an ARCS im einzelnen erfolgt, und wie ist diese dotiert?

 

  1. Wer hat an der Konsenskonferenz des Wissenschaftlichen Beirats Funk (WBF) zu Mobilfunk und Gesundheit im einzelnen teilgenommen?

 

  1. Welche Studien wurden in den Ergebnissen der Arbeit des Wissenschaftlichen Beirats Funk (WBF) zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“ konkret berücksichtigt?

 

  1. Wieviel Zeit (in Menschmonaten) wurde für Beschaffung, Sichtung und Screening der nach Angaben der leitenden Repräsentanten des WBF „mehreren zehntausend“ Studien investiert, aus denen die Auswahl der letztlich berücksichtigten maximal 46 „guten“ (Zitat WBF) Studien erfolgte?

 

  1. Welche Kosten waren mit der (verzerrten) Verbreitung der Ergebnisse der Arbeit des Wissenschaftlichen Beirats Funk (WBF) zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“ durch entgeltliche Beilagen, Einschaltungen u.dgl. verbunden?

 

  1. Wurden Teile der Kosten a) der Arbeit des WBF insgesamt, b) der Arbeit des WBF zu „Mobilfunk und Gesundheit“, c) der (verzerrten) Verbreitung der Ergebnisse der Arbeit des WBF zu „Mobilfunk und Gesundheit“ durch entgeltliche Beilagen, Einschaltungen u.dgl. direkt oder indirekt durch Dritte (also: weder durch den Beirat selbst noch das BMVIT selbst, sondern zB durch das BMVIT aus Mitteln von Unternehmen, Interessenvertretungen o.ä.) gedeckt? Wenn ja, bitte um Nennung dieser Finanziers und ihrer Beiträge.

 

  1. Sind UmweltmedizinerInnen Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats Funk, und wie hat das Fachwissen von UmweltmedizinerInnen darüber hinaus Eingang in die Arbeiten des WBF zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“ gefunden?

 

  1. In welcher Form hat das Vorsorgeprinzip Eingang in die Arbeiten des WBF zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“ gefunden, und wie bildet sich dies im einzelnen in den am 4.11.2004 präsentierten Ergebnissen ab?

 

  1. Wie begründen Sie die bei der Präsentation der Arbeiten des WBF zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“ von Staatssekretär Mainoni aufgestellte Behauptung, dass „die immer wieder behaupteten Gesundheitsgefahren (...) keine realen sind“, angesichts der Tatsache, dass der Beirat bei ebenderselben Präsentation explizit feststellte, dass die Ära des intensiven Handy-Telefonierens noch zu kurz sei, um Schäden seriös auszuschließen, und angesichts der mehr als zurückhaltenden Aussagen des Beirats insbesondere zum Thema Mobilfunk und Krebs („Derzeit kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Mobilfunk und erhöhter Tumorhäufigkeit zu erkennen. Endgültige Beurteilung erst nach Vorliegen der Ergebnisse laufender Studien möglich. Ein möglicher Zusammenhang ist allerdings (...) auch nicht auszuschließen.“)? 

 

  1. Halten Sie eine Gegenrechnung von „durch das Handy geretteten Menschenleben“ mit den auch entsprechend den Ausführungen des WBF nicht auszuschließenden Gesundheitsrisken des Mobilfunks für a) seriös, b) wissenschaftlich und c) unterstützen Sie eine solche Aufrechnung?

 

  1. Welche Maßnahmen werden Sie bis wann im einzelnen setzen, um die erschreckende Zahl an Toten und Verletzten, die infolge Mobiltelefonie am Steuer im Straßenverkehr zu beklagen sind, zu reduzieren?

 

  1. Stehen Sie zur Aussage „der Wissenschaftliche Beirat Funk verkörpert die medizinisch-technische Kompetenz rund um das Thema Funkanwendungen“, d.h. dass es außerhalb des Beirats keine medizinische oder technische Kompetenz zu diesem Thema (in Österreich) gibt?

 

  1. Wie passt das Fazit der Arbeiten des Wissenschaftlichen Beirats Funk zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“, wonach es „keinen Nachweis für eine Gefährdung der Gesundheit durch Mobilfunk“ gäbe, zu den Ergebnissen a) der REFLEX-Studie, b) der TNO-Studie?

 

  1. Durch die Ergebnisse der REFLEX-Studie wird offensichtlich eine Gefahr für die Gesundheit breiter Bevölkerungsschichten aufgezeigt. Welche Maßnahmen a) wurden bereits, b) werden von nun an ergriffen, um diese Gefahr abzuwehren?

 

  1. Die bisherigen Grenzwerte werden nur durch eine 6-minütige Bestrahlung an Kopfmodellen ermittelt, wobei auch nur die Erwärmung als Effekt gemessen wird. Die Effekte, die in der REFLEX-Studie nachgewiesen wurden, verstärkten sich aber mit der Dauer der Einwirkung, wobei z.B. Maxima der Wirkung nach 24 Stunden oder in gewissen Fällen bei intermittierender Bestrahlung gemessen wurden.

Offensichtlich sind die von der ICNIRP empfohlenen Grenzwerte völlig ungeeignet, um vor Wirkungen auf den menschlichen Körper  zu schützen, da sie auf völlig falschen Grundannahmen beruhen.

Wieso wird immer noch an diesen Grenzwerten festgehalten? Wir ersuchen Sie um Begründung im einzelnen.

 

  1. Die ICNIRP-Grenzwerte gehen auch von einer linearen Beziehung zwischen Energie der Strahlung und der Wirkung aus. Die REFLEX-Studie zeigt eindeutig einen nichtlinearen Zusammenhang  zwischen SAR-Wert und Wirkung. Es treten z.B. Maxima der Wirkung bei 1,3 W/kg auf, die Wirkungen bei 1,0 und 1,6 W/kg sind jeweils geringer.

Wieso wird am linearen Wirkungsmodell festgehalten? Wir ersuchen Sie um Begründung im einzelnen.

 

  1. Wie stellen Sie sicher, daß die Parameter Expositionszeit, Frequenz, Modulation (z.B. Pulsung), Überlagerung von Feldern verschiedener Quellen und andere beim Schutz der Bevölkerung vor den Wirkungen elektromagnetischer Felder in Zukunft berücksichtigt werden?

 

  1. Die Erkenntnisse der REFLEX-Studie sind als wissenschaftlich mindestens so gesichert wie die Arbeiten zu humanmedizinischen Konsequenzen von BSE zu betrachten.

Wieso wird beim Mobilfunk nicht mit derselben Vorsicht vorgegangen wie im Fall BSE, im Sinne nicht zuletzt des verfassungsmäßig garantierten Grundrechts auf Gesundheit?

Gilt das Vorsorgeprinzip im Fall Mobilfunk nicht?

 

26.    Werden Sie die Bevölkerung a) über die Ergebnisse der REFLEX-Studie, b) über die Ergebnisse der TNO-Studie informieren? Wenn ja, wann, an welchen Orten, und welche finanziellen Mittel sollen dafür eingesetzt werden? Wenn nein, warum nicht?