2322/J XXII. GP

Eingelangt am 16.11.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend "Seilbahnvorfall" vom 14.11.2004 in Sölden/Tirol

Am 14. November dieses Jahres kam es im Ötztaler Gletscher-Schigebiet
Sölden/Rettenbachferner zu einem Seilbahnunfall, der nur durch großes Glück keine
Opfer unter den Gästen des Schigebiets forderte. Unter anderem stürzte eine -
glücklicherweise leere - Gondel 40 Meter tief in hochalpinem Gelände ab, obwohl
sich diese nach den Worten des Betriebsleiters eigentlich nicht vom Seil hätte lösen
dürfen; auch führte der kurz nach Mittag geschehene Unfall zu einer achtstündigen
Bergungsaktion, die erst in den Nachtstunden abgeschlossen werden konnte.

Noch am Folgetag war seitens des Betreiberunternehmens eine einzige dürre, unter
dem harmlosen Titel „Seilbahnvorfall vom 14.11.2004" stehende Mitteilung öffentlich
zugänglich. Diese hatte folgenden Wortlaut:

„Sölden, 15.11.2004

Bei der 2. Sektion der Schwarze Schneidbahn am Rettenbachgletscher kam es zu

einem Stillstand der Bahn, einem Riss des Steuerkabels und zum Absturz einer

leeren talwärts fahrenden Gondel.

In der Folge wurden durch eine manuelle Bergung alle 113 Fahrgäste unverletzt

aus den Gondeln geborgen.

Derzeit untersucht die Behörde sowohl das gerissene Steuerkabel als auch die

abgestürzte Gondel.

Bei der Schwarze Schneidbahn handelt es sich um eine 8 Personen-
Einseilumlaufbahn, die im Herbst 2003 in Betrieb genommen wurde.

Man hofft, daß die Anlage zum kommenden Wochenende wieder in Betrieb gehen

kann.

Bergbahnen Sölden"

Dem Seilbahnunternehmen sowie auch dem Herstellerunternehmen scheint somit
schnellstmögliche Wiederinbetriebnahme der Bahn, nach Medienberichten auch
mittels Provisorien (zB provisorisches Steuerkabel) wichtig zu sein, der
Bürgermeister der Standortgemeinde beklagte via Medien vor allem Image-Nachteile
Im Kontrast zu diesen unmittelbar nach einem nur durch Zufall ohne Todesopfer
verlaufenen „Vorfall" doch bemerkenswerten Prioritätensetzungen stehen unmittelbar
nach dem Unglück veröffentlichte Augenzeugenberichte, in denen
hinterfragenswerte Details angeführt wurden. Diesen Berichten zufolge seien Gäste
noch lange nach eingetretenem Stillstand der Bahn und auch noch nach Kabelriß
und Gondelabsturz über eine parallel verlaufende Bahn ins Unglücksgebiet
transportiert worden. Dabei sei - auf dem von SeilbahnmitarbeiterInnen
empfohlenen Weiterweg von dieser Bahn zu einem nicht direkt anschließenden
Schlepplift - auch das unmittelbare Gefahrengebiet unterhalb der Gondelbahn zu


durchqueren gewesen, wodurch im Moment des Kabelrisses und Gondelabsturzes
mehrere Personen zusätzlich gefährdet gewesen seien; eine halbe Stunde nach
Beginn des Unglücks hätten an der Talstation weder das Seilbahnpersonal noch
„Bergwacht" oder Gendarmerie etwas vom Unglück gewusst; rund eine Stunde lang
sei keine Information der über 100 in den stillstehenden Gondeln befindlichen
Personen erfolgt; schließlich sei die Öffentlichkeit erst nach der stundenlangen
Rettungsaktion darüber informiert worden, dass zuvor bereits eine Gondel abgestürzt
war.

Aussagen eines leitenden Angestellten des Seilbahnunternehmens lassen zudem
darauf schließen, dass Unterkühlungen der betroffenen Seilbahnbenutzerinnen nur
aufgrund weiterer glücklicher Umstände - nämlich wegen der vollen Besetzung der
Gondeln - ausblieben.

So erfreulich es ist, dass infolge des enormen Einsatzes der ehren- und
hauptamtlichen Rettungsmannschaften und infolge glücklicher Umstände bei
Gondelabsturz und Kabelriß letztlich niemand zu Schaden kam, lässt dieser „Vorfall"
doch einige Fragen offen. Schließlich bilden konsequente
Unfallursachenerhebungen die Basis für die Verbesserung der Sicherheit von
Seilbahnen bzw. die Vermeidung von Unfällen und stärken das Vertrauen der
Touristinnen,

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.            Sind Berichte zutreffend, dass Gäste des betroffenen Schigebiets nicht nur
lange nach Bahnstillstand, sondern auch nach dem Gondelabsturz mit einer
anderen Bahn in den Gefahrenbereich transportiert wurden?

2.            Sind Berichte zutreffend, dass dabei keine Information über den „Vorfall"
erfolgte?

3.            Sind Berichte zutreffend, dass diesen Gästen ein „Weiterweg" von jener Bahn
bergwärts empfohlen wurde, der sie in die unmittelbare Gefahrenzone
unterhalb der defekten Bahn brachte?

4.            Sind Berichte zutreffend, dass Mitarbeiter des Seilbahnunternehmens in
dieser etwa einstündigen Phase nach dem Beginn des „Vorfalls" nicht über
diesen bzw. dessen Tragweite informiert waren?

5.            Sind Berichte zutreffend, dass die Öffentlichkeit erst lange im nachhinein auch
vom Absturz einer Gondel informiert wurde?

6.            Wie war der Entscheidungsablauf über die Bergungsaktion in zeitlicher und
hierarchischer Hinsicht?

7.            Sind Berichte zutreffend, wonach 14 Gondeln/Kabinen der Seilbahn mit
insgesamt 113 Personen betroffen waren?

8.            Welche Folgen hätte ein „Vorfall" dieser Art kurz vor Betriebsschluß und eine
folglich bis Mitternacht oder darüber hinaus andauernde Rettungsaktion für
die Gesundheit der betroffenen Seilbahnbenutzerinnen gehabt?

9.            Welche Folgen hätte ein ähnlich gelagerter „Vorfall" bei Bahnen, die wegen
noch weit höheren Grundabstandes keine Abseilbergung zulassen, wie etwa


bei der neuen Seilbahn in Kitzbühel mit 400m Grundabstand? Bis zu welcher
Windgeschwindigkeit ist die bei dieser neuen Seilbahn vorgesehene „Fahrrad-
Bergebahn" zuverlässig verwendbar?

10.           Sind Berichte zutreffend, dass etwa eine Woche vor dem „Vorfall" an einer
anderen, technisch vergleichbaren Bahn im Schigebiet Sölden eine
Bergeübung durchgeführt wurde, bei der eine andere Bergetechnik für einen
solchen „Vorfall" vorgestellt wurde, deren Installierung jedoch aus
ökonomischen Gründen nicht erfolgt(e)?

11.           Welche Änderungen bei den Prüfzyklen und den einzelnen im
Zusammenhang mit diesem „Vorfall" relevanten Seilbahnkomponenten bzw.
organisatorischen Abläufe sind für eine Bahn dieser Bauart seit dem
Inkrafttreten des Seilbahngesetzes schlagend geworden? Bitte um detaillierte
Gegenüberstellung im einzelnen.

12.           Welche Kontroll-, Prüf- und Aufsichtsmaßnahmen für eine Bahn dieser
Bauart sind mit dem Inkrafttreten des Seilbahngesetzes bzw. darauf
beruhender Verordnungen a) auf das Seilbahnunternehmen selbst bzw.
einzelne seiner MitarbeiterInnen, b) von der Seilbahnbehörde auf Dritte
übergegangen?

13.           Wie oft haben Sie bzw. Ihr Ressort sich in den Jahren 2000, 2001, 2002,
2003 und 2004 a) schriftliche Überprüfungsaufzeichnungen österreichischer
Seilbahnbetreiber insgesamt, b) derartige Aufzeichnungen des
Seilbahnbetreibers „Bergbahnen Sölden", c) derartige Aufzeichnungen der
von der „Vereinigten Bergbahnen GesmbH" betriebenen Seilbahnen vorlegen
lassen?

14.           Wieviele zusätzliche Überprüfungen im Sinne von §50 Seilbahngesetz haben
Sie seit Inkrafttreten des Seilbahngesetzes veranlasst, und wie sieht hier der
Vergleich zur vorherigen Situation aus?

15.           Halten Sie die Tatsache, dass umfassende Überprüfungen von Seilbahnen
durch unabhängige Externe nur alle fünf Jahre erforderlich sind, angesichts
dieses nach nur einjähriger Betriebsdauer eingetretenen „Vorfalls" für
hinreichend?

16.           Werden Sie angesichts der beiden jüngsten Seilbahn"vorfälle" in Gmunden
und Sölden eine Aufstockung des Seilbahnkontrollpersonals in die Wege
leiten, wenn nein, warum nicht?

17.           Werden Sie dafür sorgen, dass die nötigen Untersuchungen der
möglicherweise oder tatsächlich „vorfallsauslösenden" Seilbahnkomponenten
sowie die sich daraus ergebenden Folgeaktivitäten ohne Zeitdruck
betriebswirtschaftlicher oder lokalpolitischer Art erfolgen können?

18.           Werden Sie die vom Seilbahnbetreiber und von einem leitenden Angestellten
des Seilbahnherstellers öffentlich angekündigten „provisorischen" Lösungen
zur Überbrückung zB des sicherheitsrelevanten zerstörten Steuerkabels
unterstützen?

19.           Sind diese konkret beabsichtigten „provisorischen" Lösungen genehmigungs-
/bewilligungspflichtig oder genehmigungs-/bewilligungsfrei, falls letzteres,
warum?

20.           Auf welcher Grundlage werden Sie bei Verlegung von Provisorien zB über
eine naheliegende andere Seilbahnanlage Gefährdungen der BenützerInnen
dieser anderen Seilbahnanlage ausschließen?

21.           Wie werden Sie Kettenreaktionen der hier eingetretenen Art in Zukunft
vorsorglich ausschließen? Durch welche Auflagen baulicher und/oder
technischer Art wird künftig insbesondere a) das Lösen einer Gondel vom Seil


außerhalb der Stationsbereiche, b) das „Verhängen" schadhafter
Seilbahnkomponenten mit Gondeln oder anderen Komponenten bei allen
österreichischen Seilbahnen zuverlässig verhindert werden?