2520/J XXII. GP

Eingelangt am 26.01.2005
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Mag. Maier, Dr. Wittmann

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur

betreffend „Massive Sparmaßnahmen im Schulsport (z.B. Leibesübungen)“

 

 

 

Seit Jahren werden von Sportpädagogen sowie von Ärzten sehr eindringlich Einsparungen im Schulsport  – zuletzt die Stundenkürzungen im Pflichtgegenstand Leibesübungen (Turnunterricht) – beklagt, da gerade Haltungsschäden bei Kindern zu nehmen. Nicht so von Frau Bundesministerin Dr. Elisabeth Gehrer - sie sieht die Entwicklung des Schulsports Presseberichten zufolge anders:

 

„Bildungsministerin Elisabeth Gehrer wies zum Tag des Sportes stolz darauf hin, dass im Schuljahr 2003/2004 knapp mehr als 72.000 Schülerinnen und Schüler an Schulsportwettbewerben teilgenommen hätten. Die heimischen Sportlehrer interpretieren diese Euphorie als puren Zynismus. Die Realität sehe nämlich anders aus. Auf Grund der Sparpolitik sei die Zahl der Turnstunden stark zurückgegangen. Im  AHS-Bereich sei im Schnitt in Unter- und Oberstufe je eine Turnstunde weggefallen. In vielen Gymnasien seien zwei Drittel der unverbindlichen Übungen im Sportbereich verschwunden……

 

…Ein Salzburger Sportlehrer, der seit 25 Jahren am Gymnasium unterrichtet, rechnet vor, dass in seiner Dienstzeit vier Turnwochenstunden von der 1. bis zur 8.Klasse verschwanden. An der HTL gebe es nur noch alle 14 Tage eine Turn-Doppelstunde, erzählt ein HTL-Lehrer – „wenn die auf den Rupertitag fällt, gibt es vier Wochen keinen Sport“. In den 5.HTL-Klassen gebe es gar keine Turnstunden mehr……….

 

…In vielen Gymnasien seien in den vergangenen Jahren zwei Drittel der unverbindlichen Übungen im Sportbereich aus dem Schulangebot verschwunden, betonen die Lehrer. Am BG/BRG Hallein gibt es aufgrund der Stundenkürzungen keine einzige unverbindliche Übung und keinen Freigegenstand im sportlichen Bereich.“ (Salzburger Nachrichten)

 

Nationale sowie internationale Studien weisen seit Jahren auf die offensichtlichen Defizite bei der Bewegungserziehung in den Schulen hin.

 

In Österreich kommt die „Klug & Fit“-Studie zur Erkenntnis, dass „das körperliche Leistungsvermögen der 11-14-jährigen Schülerinnen und Schüler ... in höchstem Maß besorgniserregend ist.“ Diese vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst selbst initiierte Studie – basierend auf der Dissertation von Andreas Sandmayr am Institut für Sportwissenschaften der Universität Salzburg – zeichnet das sportmotorische Leistungsniveau der 11-14-jährigen Schülerinnen und Schüler in Österreich auf. Geradezu alarmierend ist die motorische Entwicklung der Mädchen, bei denen ein Großteil der untersuchten motorischen Fähigkeiten bereits zwischen dem 11. und 12. Lebensjahr zu stagnieren beginnt.

 

Vor allem die Gefahr von Haltungsschäden und Wirbelsäulenerkrankungen durch die geschwächte Rumpfmuskulatur ist groß, genauso wie die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch mangelnde Bewegung. Der bereits in dieser Altersgruppe vorhandene hohe Anteil an verkürzter und abgeschwächter Muskulatur führt zu Störungen in den Gelenkmuskelbeziehungen und in Folge zu schmerzhaften Reizzuständen an der Wirbelsäule und an Gelenken sowie zu Haltungsschwächen und –schäden.

 

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass man bereits im Kindes- und Jugendalter immer häufiger Koordinations- und Haltungsschwächen, Übergewicht sowie eine insgesamt geringere Belastbarkeit vorfindet. Hauptursache dafür sei der eklatante Bewegungsmangel der Jugendlichen. Ein kindgerechter und bewegungsintensiver Alltag könnte Defizite im motorischen, psychischen und sozialen Bereich ausgleichen. Der Stellenwert der Bewegungserziehung in den Schulen müsse daher gehoben werden. Eine Einschränkung der Sportstunden widerspreche diesen Entwicklungstendenzen und sei daher nicht zu verantworten.

 

Das Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln konstatiert in seiner CHILT-Studie (Children’s Health Interventional Trial) darüber hinaus:

40-60 % der Kinder haben Haltungsschwächen bzw. Haltungsschäden

30-40 % der Kinder haben Koordinationsschwächen

20-30 % der Kinder haben schwaches Herzz-Kreislauf- bzw. Atmungssystem

 

Von 6.152 Schulen in Österreich, die in einer Befragung zum Schuljahr 1999/2000 erfasst wurden, boten 2.705 Schulen (d.s. rund 44 %) eine oder mehrere unverbindliche Übungen „Leibesübungen“ (Bewegung und Sport) an (3200/AB XXI.GP) an.

In der Anfragebeantwortung 3049/AB XX. GP wurden zahlreiche Fragen zum „Sportunterricht in Schulen“ (Fragesteller Abg.z.NR Dr. Franz Löschnak) ausführlich beantwortet. Die weitere Entwicklung in Österreich ist allerdings unbekannt und muss auch in Anbetracht kurzsichtiger schulautonomer Entscheidungen hinterfragt werden. Von besonderem Interesse ist es daher zu erfahren, welche Kürzungen der Unterrichtsgegenstand „Leibeserziehung“ bzw. der Schulsport insgesamt in den letzten Jahren hinnehmen musste. Besonders einschneidend waren die Kürzungen durch die sog. Entlastungsverordnung.

 

Das Jahr 2004 wurde von der Europäischen Kommission zum „Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport“ ausgerufen. Unter dem Motto „Beweg dich für deine Zukunft“ sollte Jugendlichen der Wert des Sports für die Persönlichkeitsentwicklung, für die Ausbildung sozialer Fähigkeiten sowie der körperlichen Fitness näher gebracht werden.

Bewegung und Sport setzen zudem zahlreiche positive Impulse vor allem neben dem rein sport-motorischen, im biologisch-gesundheitlichen, dem psychologischen, kognitiven, und sozialen bis hin zum suchtpräventiven Bereich. Österreich (BSO, Dachverbände, Fachverbände etc.) hat sich daran beteiligt. Die Sparmaßnahmen im österreichischen Schulsport aber widersprechen diesen Zielsetzungen.

 

Die UNO-Generalversammlung hat überdies am 3. November 2003 in einer Resolution (Sport als Mittel zur Förderung der Bildung, der Gesundheit, der Entwicklung und des Friedens) beschlossen, das Jahr 2005 zum „Internationalen Jahr des Sports und der Leibeserziehung als Mittel zur Förderung der Bildung, der Gesundheit, der Entwicklung und des Friedens“ zu erklären.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur nachstehende

 

Anfrage:

 

  1. Ist es richtig, dass in vielen AHS in den letzten Jahren 2/3 der unverbindlichen Übungen im Sportbereich „verschwunden“ sind?

      Wenn ja, wie viele der unverbindlichen Übungen wurden in den Schuljahren 2002/2003, 2003/2004 und 2004/2005 reduziert (Aufschlüsselung auf Schulformen und Bundesländer)?

 

  1. Ist es richtig, dass es Schulen gibt (z.B. HTL), wo es alle vier Wochen nur mehr eine Turn-Doppelstunde gibt?

Wenn ja, wie viele dieser Schulen gibt es in Schuljahr 2004/2005 (Aufschlüsselung auf Schulformen und Bundesländer)?

 

  1. Ist es richtig, dass es Schulklassen gibt – so die 5.HTL-Klassen – wo es überhaupt keine Turnstunden mehr gibt?

Wenn ja, wie viele Schulklassen ohne Turnstunden gibt es im Schuljahr 2004/2005 (Aufschlüsselung auf Schulklassen, Schulformen und Bundesländer)?

 

  1. Ist es richtig, dass es AHS gibt, wo aufgrund der Stundenkürzungen keine einzige unverbindliche Übung und kein Freigegenstand im sportlichen Bereich angeboten wird?

Wenn ja, auf wie viele AHS trifft dies im Schuljahr 2004/2005 zu (Aufschlüsselung auf Bundesländer)?

 

  1. Welche Initiativen haben Sie im Jahr 2004 zum Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport gesetzt und wie beurteilen Sie deren Nachhaltigkeit?

  2. Welche Aktivitäten wurden durch das „Österreichische Netzwerk zum Jahr der Erziehung durch Sport“ (ÖNNES) gesetzt?

  3. Welche finanzielle Mittel haben Sie dafür zur Verfügung gestellt und dafür bereits aufgewendet?

  4. An welchen Veranstaltungen und Projekten zum EU-Jahr der Erziehung durch den Sport war das Bildungsressort beteiligt? Welche haben bereits stattgefunden, welche noch nicht?

  5. Wie viele Stunden „Leibeserziehung“ (Turnstunden) wurden im Schuljahr 2003/2004 gestrichen (Aufschlüsselung auf VS, HS, AHS, Polytechnische berufsbildende Schulen und Sonderschulen)?

  6. Ist es richtig, dass in den AHS Unterstufen je eine Turnstunde wöchentlich weggefallen ist?

 

  1. Ist es richtig, dass in den AHS-Oberstufen je zwei Turnstunden weggefallen sind?

  2. Welche Mittel werden durch Ihr Bundesministerium im Schuljahr 2004/2005 für Schulsportwettbewerbe zur Verfügung gestellt?

  3. Wie viele unverbindliche Übungen  „Leibesübungen“ bzw. Freigegenstände gab es im Schuljahr 2000/2001 (Aufschlüsselung auf Schultypen)?

  4. Wie viele unverbindliche Übungen „Leibesübungen“ bzw. Freigegenstände gab es im Schuljahr 2001/2002 (Aufschlüsselung auf Schultypen)?

  5. Wie viele unverbindliche Übungen „Leibesübungen“ bzw. Freigegenstände gab es im Schuljahr 2002/2003 (Aufschlüsselung auf Schultypen)?

  6. Wie viele unverbindliche Übungen „Leibesübungen“ bzw. Freigegenstände gab es im Schuljahr 2003/2004 (Aufschlüsselung auf Schultypen)?

  7. Wie viele und welche unverbindliche Übungen „Leibesübungen“ bzw. Freigegenstände gibt es nun im Schuljahr 2004/2005 (Aufschlüsselung auf Schultypen)?

 

  1. Wie viele Schulwettkämpfe fanden in den Schuljahren 2000/2001, 2001/2002, 2002/2003 und 2003/2004 statt? Wie viele SchülerInnen nahmen jeweils daran teil (Aufschlüsselung auf Jahre und Schultypen bzw. Schulformen)?

 

  1. Wie viele und welche Schulwettkämpfe sollen im Schuljahr 2004/2005 stattfinden?
    Welche finanziellen Mittel werden dafür zur Verfügung gestellt?

  2. Wie hat sich seit Einführung der Schulautonomie das Ausmaß des verpflichtenden Sportunterrichts in den verschiedenen Schultypen verändert (Aufschlüsselung auf VS, HS, AHS, Polytechnische berufsbildende Schulen und Sonderschulen)?
    Wie ist der Iststand im Schuljahr 2004/2005?

  3. Wie haben sich seit Einführung der Schulautonomie die tatsächlichen Stundenzahlen und Angebote an

-       Alternativen Pflichtgegenständen aus LÜ

-       Freigegenstände aus LÜ

-       Unverbindlichen Übungen aus LÜ

-       Schulsportwochen Sommer

-       Schulsportwochen Winter

                in den einzelnen Bundesländern entwickelt?

 

20.        Welche Initiativen (Projekte) wurden seit 2000 gesetzt, um den ca. 145.000 Berufsschülern in Österreich Sportunterricht im Rahmen ihrer Schulausbildung zu ermöglichen (Ersuche um Darstellung der einzelnen Initiativen in diesen Jahren)?

 

21.        Wie verhält sich die Zahl von Pädagogen mit Lehrsamtsprüfung in Leibeserziehung (oder adäquater Qualifikation) zu Pädagogen, die ohne entsprechende Qualifikation den Unterricht „Leibesübungen“ in Österreichs Schulen im Schuljahr 2004/2005 erteilen?

 

22.        Welche Initiativen wurden von Ihnen gesetzt, um sicherzustellen, dass in allen Schulformen ausschließlich geprüfte Leibeserzieher Sportunterricht erteilen?

 

23.        Wie viele geprüfte Leibeserzieher waren in den Schuljahren 2000/2001, 2001/2002, 2002/2003 und 2003/2004 als Leibeserzieher an Österreichs Schulen tätig (Aufschlüsselung auf Jahre)?

 

24.        Wie viele sind es im Schuljahr 2004/2005?

 

25.        Wie viele Sportwochen wurden in den Schuljahren 2000/2001, 2001/2002, 2002/2003 und 2003/2004 veranstaltet und durchgeführt? Wie viele davon waren Wintersportwochen (z.B. Skiwochen), wie viele Sommersportwochen (Ersuche jeweils um Auflistung auf die einzelnen Jahre und Schulformen)?

 

26.        Wie viele dieser Sportwochen haben in diesen Jahren – obwohl angesagt – nicht statt gefunden? Was waren jeweils die Gründe dafür?

27.        Wie viele SchülerInnen konnten in diesen Jahren aus Kostengründen an diesen Sportwochen nicht teilnehmen (Aufschlüsselung auf Jahre)?

 

28.        Wer haftet bei Unfällen von SchülerInnen im Rahmen von Sportwochen (LehrerInnen, Schule oder Bund)?

 

29.        Welche Oberstgerichtliche Entscheidungen haben sich mit der Haftungsproblematik auseinandergesetzt? In welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen wurde eine Haftung der LehrerInnen (Aufsichtspersonen) bejaht?

 

30.        Wie viele Unfälle haben im Schuljahr 2003/2004 bei Wintersportwochen, wie viele bei Sommersportwochen stattgefunden (Auflistung der betroffenen Schulformen)?

 

31.        Welche Kooperationsmodelle von Schulen mit Sportvereinen, Sportverbänden etc. wurden seit 2000 entwickelt (Ersuche jeweils um Auflistung nach Jahren)?

 

32.        Welche Schwerpunkte wurden durch Ihr Ministerium zur Weiterentwicklung des  Unterrichtsgegenstandes „Leibeserziehung“ seit 2000 gesetzt (Ersuche um Projektdarstellung bezogen auf die einzelne Jahre)?

 

33.        Wie viele und welche Veranstaltungen wurden seit 2000 zur Fort- und Weiterbildung von Leibeserzieher durch Ihr Bundesministerium durchgeführt (Ersuche jeweils um Aufschlüsselung auf Jahre)?

 

34.        Wie viele Leibeserzieher nahmen in diesen Jahren an den Kursen jeweils teil?

 

35.        In welcher Form und Umfang wird der Verband der Leibeserzieher durch Ihr BM unterstützt? Welche Mittel sind für 2005 vorgesehen?

 

36.        Welche Forschungsschwerpunkte zur körperlichen Erziehung wurden von Ihrem Bundesministerium seit 2000 in Auftrag gegeben (Ersuche jeweils um Aufschlüsselung der Projekte auf Jahre)?

 

37.        Welche finanziellen Mittel wurden in diesen Jahren dafür eingesetzt (Aufschlüsselung auf Jahre)? Welche Mittel sind für 2005 vorgesehen?

 

38.        Welche Kooperationen wurden durch Ihr Bundesministerium mit den Universitäten (z.B. Sportwissenschaftliche Instituten) und sonstigen wissenschaftliche Einrichtungen seit 2000 eingegangen? Welche Projekte wurden durchgeführt? (Ersuche jeweils um Aufschlüsselung der Projekte auf Jahre)
Welche Kooperationen und Projekte sind für 2005 geplant?

39.        Wie viele Kooperationsvereinbarungen von Schulen und Sportvereinen wurden im Schuljahr 2003/2004 abgeschlossen? Wie ist der Stand dieser im Schuljahr 2004/2005?

40.        Wie wird von Ihnen die Zusammenarbeit von Schule und Sport beurteilt? Welche Perspektiven sehen Sie?

 

41.        Wie hat sich die Anzahl der Schulen mit sportlichen Schwerpunkten (Sportschulen) seit 2000 entwickelt (Auflistung der Schulen bzw. Schulformen auf die einzelnen Jahre)?

 

42.        Welche Sportarten werden zur Zeit an diesen Schulen angeboten (Schuljahr 2004/2005)?

 

43.        Wie viele SchülerInnen besuchten diese Sportschulen 2000/2001, 2001/2002, 2002/2003 und 2003/2004 (Aufschlüsselung auf Jahre)?

 

44.        Wie viele SchülerInnen besuchen diese Sportschulen im Schuljahr 2004/2005?

45.        Wie und in welchem Umfang wurden bzw. werden (2005) die Sportakademien (Bundesanstalten für Leibeserziehung/BAfL) unterstützt?

46.        Welche Informationen, Daten und Studien sind Ihnen zum körperlichen Leistungsvermögen der
a) 6-10-jährigen
b) 11-14-jährigen und
c) 15-19-jährigen SchülerInnen
bekannt?

47.        Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus diesen Informationen, Daten und Studien?

48.        In welcher Form und in welchem Umfang wird sich Ihr Ressort im Jahr 2005 am Internationalen Jahr des Sports und der Leibeserziehung beteiligen?

49.        Welche Geldmittel stehen dafür zur Verfügung?