2659/J XXII. GP

Eingelangt am 14.02.2005
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

 

betreffend Krisenmanagement bei Tsunami-Katastrophe

 

 

Die verheerende Flutkatastrophe verwüstete am 26. Dezember 2004 die Küstenstreifen zahlreicher Länder in Süd- und Südostasien sowie in Afrika. Nach neuesten Angaben hat der Tsunami mehr als 300.000 Menschen das Leben gekostet, Millionen Menschen wurden obdachlos und verloren ihr Hab und Gut. Im Außenpolitischen Ausschuß am 27.1. teilten Sie mit, dass noch immer 97 ÖsterreicherInnen vermisst werden, die Zahl der bestätigten österreichischen Todesopfer lag damals bei 13 Personen.

 

Die österreichischen BeamtInnen und Hilfskräfte haben im Katastrophengebiet und in ihren Dienststellen mit höchstem persönlichen Einsatz gearbeitet – und tun dies zum Teil immer noch. Festzuhalten ist auch, dass es beim Umgang mit einer Katastrophe diesen Ausmaßes immer Schwierigkeiten geben wird, und Fehler passieren werden. Es ist jedoch auch nötig, aus den Fehler und Pannen und der Kritik an den Mängeln in der politischen Führung und im zentralen Krisenmanagement für die Zukunft Konsequenzen zu ziehen.

 

So hat Österreich (verglichen etwa mit Deutschland und Italien) langsamer reagiert als andere Länder. Die wegen der rigorosen Sparpolitik der letzten Jahre unterbesetzten Botschaften und Konsulate in der Krisenregion waren völlig überfordert. Verstärkung traf erst vier Tage nach Beginn der Katastrophe ein (Die Presse, 30. 12. 2004). Das Konsulat in Phuket erteilte die Auskunft, die ersten Flüge würden erst ab 4.1.2005 zurück fliegen (ORF-Report 10.1.2005).

 

Das Außenministerium selbst verfügte nicht über die nötige Infrastruktur (wie etwa eine vernetzte Datenbank zur raschen Eingabe und Abrufbarkeit der Daten der Vermißten). Mangelnder Kooperationswille mit anderen Stellen zeigte sich u.a. daran, dass nicht auf andere Ressourcen zurückgegriffen wurde (wie etwa auf das Krisenzentrum Stiftskaserne). Es gab keine vollständigen Namenslisten, dafür öfters Doppelzählungen. Angehörige erhielten entweder nur automatisch generierte Mail-Nachrichten, kamen bei der Hotline nicht durch oder wurden – wenn sie durchkamen – durch Wiederholung der Angaben zu ihren Vermissten unnötig zusätzlich belastet. Auch simple Fragen – etwa meiner NR-Kollegin Heidi Rest-Hinterseer -, ob die Flutwelle auch den Golf von Thailand (wo ihr Sohn urlaubte) erfasst hat, wurden nur mit automatischem Mail – und mit 24stündiger Verspätung – beantwortet. Ebenso wurden zahlreiche Mails, die über das Auffinden des/der Vermissten Auskunft gaben, mit dem automatisch generierten Text „Wir haben Namen und Daten Ihrer Angehörigen entgegengenommen“ beantwortet.

 

Eine von der Flut getrennte Familie, deren Mitglieder sich alle beim Konsulat in Phuket als Überlebende registrieren ließen, erfuhr erst Tage später vom wechselseitigen Überleben. (Der Standard, 4.1.2005).

 

Das erste Krisenzentrum im BMaA machte einen improvisierten Eindruck. Professionelle Angebote (Touristik-Unternehmen, auf Privatinitiative einer Angehörigen die Mobilkom Austria u.a.) wurden anscheinend nicht angenommen. Unverständlich bleibt auch, warum das Außenamt nicht eine höhere Anzahl von Außenamts-BeamtInnen für die Arbeit an der Hotline einsetzte – es waren trotz Urlaubszeit  ja zahlreiche im Dienst.

Stattdessen wurden an der Hotline ungeschulte Grundwehrdiener eingesetzt. Die Hotline 0800 222 666 wurde außerdem am 3. Jänner 2005 in ganzseitigen Inseraten als Hotline für die Steuerreform angekündigt. 

Es wurde auch Kritik an der hin und wieder nicht sehr kundenfreundlichen Art und Weise, wie AnruferInnen geantwortet wurde, laut. So sind Antworten wie „Sie wissen ja nicht, wie ein Konsulat funktioniert“ für um das Leben von Angehörigen besorgte Menschen nicht gerade hilfreich.

Auch zeigte das Außenministerium zumindest zu Beginn nicht die nötige Flexibilität. So verlangte die Botschaft in Bangkok laut Auskunft eines überlebenden Österreichers in den ersten Tagen, dass Angehörige in Österreich finanzielle Sicherstellungen für Geld an österreichische Tsunami-Opfer hinterlegen müssen. Eine entsprechende, anderslautende Weisung seitens des Ministeriums fehlte.

Ganz allgemein wurden pro Person € 72,- für die Ausstellung von Ersatzreisepässen verlangt (Der Standard 4.1.2005). Im Normalfall ist diese Regelung (Hinterlegung des entsprechenden Geldbetrages im Inland) durchaus sinnvoll. Doch für den Katastrophenfall müsste es – ebenso wie im Katastrophenfall im Inland – einen Fonds geben, der für die finanzielle Notversorgung von Überlebenden zur Verfügung steht.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.   Wann haben Sie das erste Mal den Krisenstab einberufen?

2.   Wer nahm daran teil?

3.   Wer führte den Vorsitz?

4.   Welche Datenbanken und wie viele dafür vernetzte Computer standen im Außenministerium für die Aufnahme der Daten der vermissten Personen zur Verfügung?

5.   Stimmt es, dass zu Beginn auf Excel-Dateien gearbeitet wurde und es keinerlei Online-Verbindung zwischen den jeweiligen Computern gab?

6.   War Ihnen bekannt, dass es in der Stiftskaserne ein voll ausgerüstetes Krisenzentrum gibt?

7.   Wenn ja, warum haben Sie nicht auf diese Ressource zurückgegriffen?

8.   Wann haben Sie vom Angebot der Mobilkom Austria erfahren, dem Außenministerium einen Server samt Team zur Unterstützung zur Verfügung zu stellen?

9.   Warum haben Sie dieses Angebot nicht angenommen?

10.Wie viele BeamtInnen des Außenministeriums arbeiteten zu welchem Zeitpunkt (bitte geben Sie die Zahlen ab dem 26.12.2004 pro Tag bis zur Übergabe ans Innenministerium an)

1     im Rahmen des Krisenstabes?

2     an der Beantwortung von Anfragen an der Hotline?

3     bei der Abgleichung von Daten der vermissten Angehörigen?

4     an anderen Aufgaben?

10.Wie viele Bundesheer-Rekruten arbeiteten von wann bis wann an der Hotline? Welche Schulung erhielten diese?

11.Warum war es nicht möglich, Menschen, die per Mail Informationen über vermisste Angehörige gaben, direkt zu antworten bzw. Antworten zu geben, die rechtzeitig beruhigt hätten – etwa, ob der Tsunami auch im Golf von Thailand seine verheerenden Auswirkungen gehabt hatte?

12. Wird der Personalstand des Außenministeriums trotz der anlässlich der Tsunami-Katastrophe wieder verstärkt spürbar gewordenen Personalknappheit im Jahr 2005 um weitere 29 Planposten verringert, so wie dies in den Erläuterungen zum Bundesvoranschlag 2005 ausgeführt ist?

13.Soll es im Budget 2006 zu weiteren Personalkürzungen im Außenministerium kommen? Wenn ja, in welchem Ausmaß?

14. Wenn der Personalstand nicht aufgestockt wird bzw. wenn die vorgesehenen Kürzungen 2005 durchgeführt werden: Wie werden künftig Engpässe vermieden, vor allem an Botschaften/an Konsulaten mit einer großen Zahl an Visaanträgen und an Botschaften/Konsulaten in beliebten Reiseländern der ÖsterreicherInnen?

15. Gibt es Schulungen für MitarbeiterInnen des BMaA, vor allem im Konsularbereich, die diese auf den psycho-sozialen Umgang mit von Katastrophen betroffenen Menschen vorbereiten? Wenn ja: Welche Schulungen werden bereits angeboten?

16.Wenn es die oben angeführten Schulungen noch nicht gibt:: Sind solche Schulungen künftig geplant? Wenn ja: Welche Schulungen sollen für wen angeboten werden?

17. Wird das BMaA in Zukunft für die Botschaften und andere Dienststellen im Ausland Krisenpläne für die Betreuung von ÖsterreicherInnen, die in den Ländern, für die die jeweilige Botschaft zuständig ist, erarbeiten lassen? (Vorbild könnten dabei die Krisenpläne des Auswärtigen Dienstes des Vereinigten Königreiches sein.)

18.Wenn ja: Wann werden diese vorliegen?

19.Wenn nein: Warum sehen Sie keine Notwendigkeit für derartige Krisenpläne?

20. Der in der Europäischen Verfassung vorgesehene Europäische Auswärtige Dienst wurde vom Europäischen Rat am 17.12.2004 ebenso begrüßt wie eine stärkere Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten auf Konsularebene. Zuständig für diese Aufgabe in der Europäischen Kommission ist Ihre Vorgängerin, Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner. Sind Sie bereit, für diese stärkere Zusammenarbeit auf EU-Ebene auch zusätzliches Personal – das nicht auf Kosten des Personals in den bilateralen Botschaften bzw. im Außenministerium hier in Österreich gehen soll – zur Verfügung zu stellen?

21.Haben Sie Vorsorge getroffen, dass österreichische StaatsbürgerInnen, die im Ausland im Rahmen von Katastrophen in finanzieller Not sind, finanzielle Unterstützung zur Deckung der dringendsten Bedürfnisse wie Kleidung, Nahrung, Übernachtung bzw. auch die Ausstellung von Ersatz-Dokumenten benötigen, in Zukunft nicht auf die Hinterlegung des nötigen Geldbetrages durch Angehörige in Österreich warten müssen?

22.Sie haben im Ö1-Interview „Im Journal zu Gast“ am 8.1.2005 gemeint, „selbstverständlich“ habe es Pannen und Fehler gegeben. Welche waren dies und wie denken Sie in Zukunft dafür zu sorgen, dass bei derartigen Katastrophen-Fällen, bei denen zahlreiche ÖsterreicherInnen betroffen sind, derartige Pannen und Fehler nicht mehr geschehen?

23.Haben Sie eine Liste der Fehler und Pannen erstellen lassen?

24.Zu welchen Schlüssen für die künftige Bewältigung ähnlicher Situationen kommen Sie bei der Evaluierung dieser Fehler und Pannen?

25.Ist die Schaffung eines „Krisenreaktionszentrums“ nach deutschem Vorbild mit entsprechender technischer Ausrüstung und personeller Ausbildung für Katastrophenfälle geplant, bei denen im Ausland lebende bzw. reisende oder urlaubende ÖsterreicherInnen betroffen sind?