2674/J XXII. GP

Eingelangt am 18.02.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

der Abgeordneten Ing. Kaipel

und GenossInnen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend öffentliche Äußerungen der Geschäftsführung der Bundesbeschaffungs-
Gesellschaft m.b.H. (BBG)

Aussagen von BBG-Geschäftsführer Andreas Nemec im Wirtschaftsblatt vom 5. Februar
2005 sind eine Verhöhnung der regionalen Klein- und Kleinstbetriebe und beweisen, dass er
nicht einmal die ohnedies windelweiche Vier-Parteien-Entschließung des Nationalrates vom
26. Jänner 2005 ernst nimmt. Denn laut Wirtschaftsblatt spricht Herr Nemec andauernd von
„KMUs", von Klein- und Mittelbetrieben. Die in der Entschließung genannten
„Kleinstbetriebe" mit maximal zehn Beschäftigten erwähnt er mit keinem Wort. Eine zweite
Deutungsmöglichkeit der Worte des BBG-Geschäftsführers wäre genau jene, die Abg. Kaipel
stets kritisiert hat: Nämlich dass ohne ausdrückliche Aufnahme des Begriffs „Kleinstbetriebe"
im BBG-Gesetz es weiter so sein wird, dass die Kleinstbetriebe in der großen Gruppe der
Klein- und Mittelbetriebe untergehen, dass also die gesetzlich vorgeschriebene Bedachtnahme
auf KMUs für Finanzminister Grasser und die BBG weiterhin auch dann erfüllt ist, wenn nur
Mittelbetriebe Aufträge bekommen. Diese „Mittelbetriebe" sind jedoch Unternehmen mit 50
bis 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 10 bis 50 Millionen Euro. Das bestätigt
die SPÖ-Forderung, dass im BBG-Gesetz die ausdrückliche Bedachtnahme auf Kleinstbe-
triebe unbedingt aufgenommen werden muss und die Entschließung nicht ausreichend ist.
Wer sich, so wie ÖVP, FPÖ und die Bundesregierung, dagegen wehrt, kann es also mit der
echten Chancengleichheit z.B. zwischen dem ländlichen Ein- bis Zehn-Mann-Betrieb und
dem Multi bei der Bundesbeschaffung nicht ernst meinen.

Die BBG-Nemec-Aussage „Jeder hat die Möglichkeit, ein Angebot zu stellen" ist eine
Frotzelei, da z.B. für die BBG die österreichweite Belieferung aller Justizanstalten mit
Lebensmittel ein Ausschreibungs-Muss ist. Dieses Anforderungsprofil kann nicht einmal eine
Handvoll Firmen in Österreich erfüllen. Jeder südburgenländische Lebensmittelhändler mit
weniger als zehn Mitarbeitern würde die Kosten für die Bewerbung beim Fenster raus
schmeißen, wenn er für diese Ausschreibung ein Angebot stellen würde.

BBG-Geschäftsführer Nemec kann sich auch nicht so einfach mit seiner Floskel, das sei auch
„eine Frage der Hol- und Bringschuld", abputzen. Laut BBG-Gesetz hat der Bund Bedacht
auf die regionale Wertschöpfung und Beschäftigung zu nehmen und somit gegenüber den
regionalen Unternehmen und deren Beschäftigten eine klare Verpflichtung. Das jetzt in eine
Holschuld der Betriebe umzudrehen widerspricht wie so vieles in der BBG-Praxis dem Willen
des Gesetzgebers. Dass diese negativen Auslegungen des Gesetzes andauernd passieren,
beruht auf dem schlechten und zuwenig eindeutigen Wortlaut dieses von ÖVP und FPÖ
beschlossenen Gesetzes. Das ist ein weiteres Argument, dass das BBG-Gesetz geändert
werden muss.

Durch die BBG-Nemec-Aussage, dass die BBG „in Zukunft noch intensiver auf die
Regionalität Bedacht nehmen und prüfen" wird, „wo eine weitere Aufteilung in Teillose
möglich ist", sehen die unterzeichneten Abgeordneten als Erfolg ihrer parlamentarischen und
öffentlichen Initiativen. Leider bestätigt diese Aussage aber auch die bisherige Kritik an der


BBG des Finanzministers. Denn seit dem Jahr 2001, seit Arbeitsbeginn der BBG, ist also auf
die Regionalität nicht intensiv genug Bedacht genommen worden. Und auch die Prüfung, wo
eine weitere Aufteilung in Teillose möglich ist, ist seit 2001 überfällig.

Doch die alleinige Ausschreibung in Teillose, wie sie Herr Nemec und auch die NR-Ent-
schließung nun vermehrt vorsehen, ist eine Augenauswischerei. Denn auch dann kann ein
Multi - wie z.B. AGM - für jedes einzelne Teillos aufgrund seiner schieren Größe und
Finanzkraft billiger anbieten und es kommt wieder kein lokaler Betrieb zum Zug. Wenn die
BBG Vorteile für Anbieter, die ihren Sitz in dem entsprechenden Teillos haben, ablehnt, dann
soll die BBG erklären, warum das nicht zielführend ist, wenn man den lokalen Anbietern
tatsächlich helfen will. Oder die BBG soll andere Maßnahmen vorschlagen und umsetzen.
Den Ball nur wieder von sich wegzuspielen und gönnerhaft zu verkünden, man sehe „die
Zukunft der KMU nicht im Preismatch mit Großunternehmen, sondern in der lokalen
Dienstleistung und persönlichen Betreuung", ist wieder Teil jener systematischen Frotzelei
der Kleinen. Denn wie soll ein lokaler Weniger-als-zehn-Mann-Betrieb seine Vorteile aus-
spielen, wenn er von den lokalen Bundesdienststellen gar keine Aufträge mehr bekommt? Die
Verwendung des Begriffs „KMU" im Gegensatz zu „Großunternehmen" ist hier neuerlich
verräterisch.

Zur Klarstellung: Es geht in den SP-Anträgen nicht um die bessere bzw. tatsächliche
Bedachtnahme von Betrieben mit z.B. 240 Beschäftigten, sondern von z.B. jenen mit unter
zehn Beschäftigten! Die ewig gleiche selbstgefällige Argumentation des obersten BBG-Chefs
BM Grasser, dass ohnedies zwei Drittel aller Aufträge der BBG an KMUs gingen, musste
inzwischen sogar von der ÖVP- und FPÖ-Parlamentsfraktion durch die Entschließung als
Schönrednerei und Nichterfüllung des eigentlich - wenn auch schlecht formulierten -
gesetzlichen Auftrags bloßgestellt werden. Ein Betrieb mit z.B. 240 Beschäftigten und einem
Jahresumsatz von 45 Millionen Euro ist nach der relevanten EU-Definition auch ein KMU -
für österreichische Verhältnisse jedoch sicher kein Kleinbetrieb. Besondere Unterstützung
brauchen die regionalen Klein- und Kleinstbetriebe mit unter 50 bzw. unter 10 Beschäftigten,
deren Probleme und die daraus resultierenden Sorgen unnötig und mutwillig verstärkt
wurden, indem die Regierung durch die BBG jahrzehntelang funktionierende lokale Märkte
zerstörte und in einem Großmannsdenken eine den Konzernwünschen angepasste zentralist-
ische Nachfragestruktur schaffte, die es den Großen erst erlaubte, die Preise für die Kleinen
zu ruinieren.

Die Kleinen jetzt quasi als selber schuld hinzustellen, wie dies Herr Nemec tut, ist ein starkes
Stück und Ausdruck einer Geisteshaltung, die vehementesten Widerstand der regionalen
Wirtschaft in ganz Österreich herausfordert. Die regionalen Anbieter brauchen daher
öffentliche Hilfe, um im zentralistischen und für die Großen gemachten BBG-System
bestehen zu können. Es hat sehr wohl seinen Grund, warum die „Bedachtnahme" auf die
Regionen und die Kleinen immerhin im BBG-Gesetz steht. Die Sorgen der Kleinen sind
leider mehr als begründet und der Finanzminister und die BBG sind verpflichtet dazu, diese
Sorgen zu nehmen. In der Praxis verstärken sie jedoch diese Sorgen.

Höchst interessant ist auch, dass Herr Nemec die massive Kritik an der vergaberechtlichen
Problematik der Ausschreibung von Warenkörben laut Wirtschaftsblatt-Artikel mit keinem
Wort erwähnt.

In Ergänzung der bisherigen Anfragen zum Thema Bundesbeschaffung richten die unter-
zeichneten Abgeordneten an den Herrn Bundesminister für Finanzen daher nachstehende


Anfrage

1.              Wieviele Aufträge und welche unter € 10.000,- wurden bisher pro Jahr von der BBG wie
konkret ausgeschrieben bzw. wer wurde jeweils zur Angebotslegung eingeladen und an
wen wurde jeweils warum vergeben? (Bitte pro Jahr aufschlüsseln, und die einzelnen Un-
ternehmen bitte jeweils als Kleinst-, Klein- oder Mittelunternehmen klassifizieren.)

2.              Worin sehen Sie bei den Kleinstunternehmen des ländlichen Raumes bei BBG-Aus-
schreibungen eine Hol- bzw. eine Bringschuld, wie dies BBG-Geschäftsfuhrer Andreas
Nemec im Wirtschaftsblatt vom 5.2.2005 angedeutet hat?

3.              Worin sehen Sie bei sich selbst und bei der BBG bei BBG-Ausschreibungen eine Hol-
bzw, eine Bringschuld, wie dies BBG-Geschäftsfuhrer Andreas Nemec im Wirtschafts-
blatt vom 5.2.2005 angedeutet hat?

4.      Wieviele Firmen und welche wurden seit dem Jahr 2001 pro Jahr mit Reinigungsarbeiten
für wie viele zu reinigende Häuser von der BBG beauftragt? (Bitte die einzelnen Unter-
nehmen jeweils als Kleinst-, Klein- oder Mittelunternehmen klassifizieren.)

5.              Wie wird dem „Wert darauflegen, dass Frischwaren auf lokaler Ebene geliefert werden"
in der Praxis seit 2001 pro Jahr tatsächlich und konkret entsprochen? (Bitte die einzelnen
Unternehmen jeweils als Kleinst-, Klein- oder Mittelunternehmen klassifizieren.)

6.              Wurden bzw. werden Lieferungen von Lebensmittel-Frischwaren zentral ausgeschrieben?
Wenn ja, wann und wie und mit welchen Auflagen und Zuschlagskriterien und welchem
Ergebnis und welchem Auftragsvolumen? (Bitte pro Jahr aufschlüsseln, und die einzelnen
Unternehmen bitte jeweils als Kleinst-, Klein- oder Mittelunternehmen klassifizieren.)

7.              Welche Firmen belieferten seit 2001  welche Bundesdienststellen mit Lebensmittel-
Frischwaren? (Bitte pro Jahr aufschlüsseln, und die einzelnen Unternehmen bitte jeweils
als Kleinst-, Klein- oder Mittelunternehmen klassifizieren.)

8.              Was ist die Begründung dafür, dass Trockenwaren von der BBG zentral über Großhändler
eingekauft werden?

9.              BBG-Geschäftsfuhrer Andreas Nemec sagte im Wirtschaftsblatt vom 5.2.2005: „Trotz-
dem werden wir in Zukunft noch intensiver auf die Regionalität Bedacht nehmen und
prüfen, wo eine weitere Aufteilung in Teillose möglich ist." Heißt das, dass bisher nicht
intensiv genug auf die Regionalität Bedacht genommen wurde? Wenn ja, warum nicht?
Nach welchen Kriterien wird geprüft bzw. geprüft werden, wo eine weitere Aufteilung in
Teillose möglich ist? Wann wurde bzw. wann wird mit dieser im Prinzip seit dem Jahr
2001 überfälligen Prüfung begonnen?

10.       Wie wurden die Werte „lokale Dienstleistung" und „persönliche Betreuung" und ähnliche
Gründe, die die Vorteile für die Vergabe von Bundesbeschafrungsaufträgen an regionale
bzw. lokale Anbieter unterstreichen, bei der Ermittlung des Bestpreises in den einzelnen
Jahren seit 2001 bzw. im ersten Quartal 2005 jeweils gewichtet?

11.       Was wird sich wie an dieser Gewichtung in Zukunft ändern?

12.       Welche Aufträge gingen aufgrund der in Frage 10 genannten Werte bzw. Gründe an
welche regionalen bzw. lokalen Anbieter? (Bitte pro Jahr aufschlüsseln, und die einzelnen
Unternehmen bitte jeweils als Kleinst-, Klein- oder Mittelunternehmen klassifizieren.)

13.       Wie soll z.B. ein lokaler seine Vorteile ausspielen, wenn
er von den lokalen Bundesdienststellen gar keine Aufträge mehr bekommt?


14.       Wie oft wurden seit 2001 von der BBG welche Vergabeverfahren mit welchen Auftrags-
voluminas, mit welchen Bietern und welcher Bieterreihung und mit welchem jeweiligen
Zuschlags-Ergebnis angewendet? Wie wurden welche Vergabekriterien jeweils gewich-
tet? (Bitte nach den einzelnen Vergabeverfahren mit den jeweiligen Schwellenwerten und
nach Jahren aufschlüsseln, und die einzelnen Unternehmen bitte jeweils als Kleinst-,
Klein- oder Mittelunternehmen klassifizieren.)

15.       In der „Richtlinie 2004/18/EG vom 31.3. 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur
Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge" (Amtsblatt
der EU vom 30. 4. 2004, L 134) werden „Möglichkeiten", eingeräumt, „auf Bedürfnisse
der betroffenen Allgemeinheit, einschließlich im ökologischen und/oder sozialen Bereich,
einzugehen". Bis wann werden Sie wie welche Maßnahmen, Formulierungen etc. in die
Regierungsvorlage zur Umsetzung der EG-Richtlinie hineinreklamieren, damit die Be-
dachtnahme auf regionale Klein- und Kleinstunternehmen und deren Beschäftigten in
Zukunft besser funktioniert und damit die Österreich eingeräumten Möglichkeiten, um auf
die Bedürfnisse der betroffenen Allgemeinheit einzugehen, umfassend und optimal ausge-
schöpft werden?

16.       Im Wirtschaftsblatt vom 17. Februar 2005 sagt BBG-Geschäftsführer Nemec: „Man
könnte aber durchaus in der Ausschreibung bestimmte Reaktions- und Lieferzeiten
einfordern. Das würde die regionale Wirtschaft begünstigen." Bei welchen Ausschreib-
ungen seit 2001 wurden welche Reaktions- und Lieferzeiten wie und mit welcher Ge-
wichtung und mit welcher Bieterreihung und mit welchem Zuschlag eingefordert? (Die
einzelnen Unternehmen bitte jeweils als Kleinst-, Klein- und/oder Mittelunternehmen
klassifizieren.)

17.       Warum wurden Reaktions- und Lieferzeiten bei den anderen Ausschreibungen nicht ein-
gefordert?

18.       Wurden bei Ausschreibungen ähnliche, die regionale Wirtschaft begünstigende, Kriterien
eingefordert? Wenn ja, welche wann wie mit welcher Gewichtung und mit welcher
Bieterreihung und mit welchem Zuschlag? Wenn nein, warum nicht? (Die einzelnen
Unternehmen bitte jeweils als Kleinst-, Klein- und/oder Mittelunternehmen klassifizier-
en.)

19.       Was wird sich in Zukunft bei der Anwendung und Gewichtung dieser in den Fragen 16 bis
18 genannten Ausschreibungskriterien durch die BBG konkret warum wie ändern?

20.  Werden in Zukunft bei allen Teillos-Ausschreibungen diese in den Fragen 16 bis 18
genannten Ausschreibungskriterien durch die BBG Anwendung finden? Wenn ja, wie?
Wenn nein, warum nicht?

21.  Welche weiteren Ausschreibungskriterien zur Begünstigung der regionalen Wirtschaft
sollten Ihrer Meinung nach bei BBG-Ausschreibungen eingefordert werden?

22.  Wie konkret berechnet sich das Einsparungspotential „von rund zehn Prozent", von dem
BBG-Geschäftsführer Nemec im Wirtschaftsblatt vom 17. Februar 2005 spricht?