2700/J XXII. GP
Eingelangt am
01.03.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Maga Christine Muttonen, Dr. Josef Cap und
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
betreffend den Verleih des Exponates „Der Feldhase" und anderer Exponate durch die
Albertina ohne Genehmigung und das „Laisser-faire" in der Museumspolitik
Die Defizite, die strukturellen Probleme und die
Versäumnisse der Museumspolitik sind in
den letzten Tagen erneut offenkundig geworden. Nach dem ungeklärten Raub der
Saliera
aus dem Kunsthistorischen Museum und den damit zu Tage getretenen schweren
Sicherheitsmängeln sowie den massiven Vorwürfen des Rechnungshofes betreffend
die
Geschäftsführung des Kunsthistorischen Museums, ist es nun die Graphische
Sammlung
Albertina, die die
Öffentlichkeit beschäftigt. Über die Medien wurde bekannt, dass der
Geschäftsführer der Graphischen Sammlung
Albertina Hauptwerke der Sammlung, die zu
den wertvollsten der Republik zählen, ohne die erforderliche Genehmigung des
Bundesdenkmalamtes ins Ausland transportieren ließ. Als das Bundesdenkmalamt am
15.
Februar 2005 eine Liste der 94 für eine Ausstellung im Prado bestimmten Werke
erhielt,
befand sich ein Teil der Exponate bereits im Ausland. Diese Vorgangsweise
stellt eine
schwere Verwaltungsübertretung dar.
Wertvolle Kunstwerke im Eigentum der Republik nach
eigenem Gutdünken quasi wie
Privateigentum zu behandeln, offenbart eine befremdliche
Auffassung von Geschäftsführung.
Eigenmächtigkeiten seitens der Geschäftsführung gab es
auch im Kunsthistorischen Museum, wo
der Geschäftsführer Bilder verlieh, die nicht hätten
verliehen werden dürfen und der überdies „seinem" Museum zwei
altägyptische
Grabbeigaben abkaufte, obwohl diese
bereits unveräußerliches Gut geworden waren (siehe
der Standard, 5. Oktober 2004).
Die Vorfälle rund um die Albertina geraten mittlerweile
immer mehr zu einer
bedauernswerten Farce. Bundesministerin Gehrer weist jegliche Verantwortung für
die
Vorfälle rund um die Albertina von sich, ebenso der zuständige Geschäftsführer
der
Albertina.
Schuld habe die Speditionsfirma, die den Transport abgewickelt hätte, meinte er
in
einem Interview in
der Sendung „Treffpunkt Kultur" am 28. 2. 2005. Die - spät getroffene -
Entscheidung der Ministerin, dass der
„Feldhase" und vier weitere Dürer-Blätter aus
Konservierungsgründen nur vier Wochen
lang im Original in Madrid zu sehen sein sollen und
die Entscheidung des
Bundesdenkmalamtes, dass ein weiteres Hauptwerk von Dürer
(„Großes Rasenstück") wegen
seines Zustandes nicht ausgeführt werden darf, sorgen indes
in Madrid für Verstimmung. Seitens
des Prado pocht man auf bestehende Verträge und
besteht auf die Dürer-Originale.
Erneut bestätigt sich der Eindruck, dass die zuständige
Bildungsministerin ihren
Aufgabenbereich
nicht im Griff hat. Auch wenn die Bundesmuseen nun als wissenschaftliche
Anstalten
öffentlichen Rechts des Bundes geführt werden, legt das Bundesmuseen-Gesetz
unmissverständlich und im Detail fest, dass die Bundesmuseen der Aufsicht des
Bundesministers
für Bildung, Wissenschaft und Kultur unterliegen (§3 Abs. 1 bis 3). Was die
Ausfuhr
von Objekten betrifft, besteht seit den siebziger Jahren eine Liste von
Objekten, die
nicht verliehen werden dürfen. Der Rechnungshof kritisiert in seinem Bericht
über das
Kunsthistorische Museum, dass diese Liste immer öfter ignoriert werde. Das
Problem muss
der zuständigen Bundesministerin daher bekannt gewesen sein. Medienberichten
zufolge,
vertritt etwa KHM-Geschäftsführer Seipel die Auffassung, dass die Museen sich
nicht mehr
nach
dieser Liste richten müssten, da sie selbstständig seien (Die Presse, 25.2.
2005). Diese
wichtige
Frage hätte vom zuständigen Ministerium längst geklärt werden müssen.
Die aktuellen Turbulenzen hängen jedenfalls auch mit der
Neuausrichtung der Albertina
zusammen,
die in dieser Form möglich wurde, weil seitens des Bildungsministeriums ein
klar
umrissener Bildungs- und kulturpolitischer Auftrag
fehlte. Die Graphischen Sammlung wurde
in eine Kunsthalle umgemodelt, die in wechselnden Ausstellungen auf mehreren
Etagen
Dürer bis klassische Moderne und zeitgenössische Kunst zeigt. Im Mittelpunkt
steht die auf
Quote orientierte Tätigkeit nach außen. Bewahren und Forschen werden - wie die
jüngsten
Vorfälle die vom
Bildungsministerium in Auftrag gegebene Evaluierung zeigen - nicht mehr
als Hauptaufgabe gesehen.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die
Bundesministerin für Bildung,
Wissenschaft
und Kultur nachstehende
Anfrage:
1.
Wie beurteilen Sie die Vorgangsweise des
Geschäftsführers der Albertina,
Hauptwerke
der Graphischen Sammlung ohne die dafür erforderliche Genehmigung
des
Bundesdenkmalamtes ausführen zu lassen?
2.
Mit den Exponaten „Der Feldhase", „Die Betenden
Hände" oder „Das Große
Rasenstück" besitzt die Albertina eine Dürer-Sammlung von
außerordentlichem
Rang, die im Rahmen des Wiedereröffnungsprogramms der Albertina von 5.
September bis 8. Dezember 2003 ausgestellt wurde. Medienberichten zufolge war
„Der Hase" zuvor 1985 öffentlich bei einer den Tier- und Naturstudien
gewidmeten
Schau in Wien zu sehen gewesen. Nach Ansicht zahlreicher ExpertInnen bedürfen
derartig wertvolle Objekte aufgrund ihrer Empfindlichkeit im Anschluss einer
langen
Ruhezeit. Albertina-Direktor Schröder hatte anlässlich der Ausstellung des
„Feldhasen" im Zuge der Wiedereröffnung der Albertina darauf hingewiesen,
dass
Dürers
Feldhase "seit 140 Jahren zum sechsten oder siebten Mal ausgestellt"
werde
und
im Anschluss eine lange Ruhezeit im Tiefenspeicher der Albertina benötigen
würde. Wie sehen Sie als zuständige Ministerin die Entscheidung der Albertina-
Leitung, dieses wertvolle und empfindliche Exponat zum jetzigen Zeitpunkt nach
einer nur sehr kurzen Ruhezeit zu verleihen und auszustellen?
3.
Weshalb haben Sie erst am 28. Februar 2005, einige Tage
nachdem über die Medien
bekannt
wurde, dass Hauptwerke der Graphischen Sammlung ohne
Ausfuhrgenehmigung ausgeführt wurden, erste Schritte gesetzt?
4.
Der „Feldhase" und vier weitere Dürer-Blätter sollen
Ihren heutigen Aussagen zufolge
nur
vier Wochen lang im Original in Madrid zu sehen sein. Hat das
Bundesdenkmalamt, das die Ausfuhr untersagt hat, nachträglich eine
Ausfuhrgenehmigung erteilt? Wenn ja, weshalb?
5.
Gab es dazu Ihrerseits eine Weisung an das
Bundesdenkmalamt?
6.
Gab oder gibt es Ihrerseits eine Weisung an das
Bundesdenkmalamt, die bisherige
Genehmigungspraxis
betreffend die Ausfuhr von Kunstwerken angesichts der neuen
Konzeption
der Albertina zu ändern?
7.
Waren die vom Bundesministerium für Bildung,
Wissenschaft und Kultur bestellten
Mitglieder
des Kuratoriums der Albertina über die Verleihpläne des Geschäftsführers
(„Albertina-Schau"
in Madrid und in Washington) informiert? Wenn nein, warum
nicht?
8.
Wann wurde der Vorhabensbericht der Albertina für das
Jahr 2005 dem Kuratorium
der
Albertina vorgelegt? Wann erfolgte die Genehmigung durch das Kuratorium?
9.
Haben Sie dem Vorhabensbericht der Albertina für das Jahr
2005 Ihre Zustimmung
gegeben?
10.
Wurde im Rahmen des Vorhabensberichtes dargelegt, dass
ab 8. März 2005 im
Prado, und in weiterer Folge in Washington, ein großer Teil des weltberühmten
Dürer-Bestands der Albertina gezeigt werden soll? Wenn nein, warum nicht?
11.
Wann wurde der Vertrag zwischen dem Prado und der
Albertina über den Verleih
verschiedenster
Hauptwerke von Dürer geschlossen?
12.
Ist es gängige Praxis, dass der Verleih wertvoller
Objekte durch die einzelnen
Bundesmuseen bzw. Verträge dieser Art, die Hauptexponate der österreichischen
Bundesmuseen
betreffen, nicht in den jeweiligen Kuratorien erörtert werden? Wenn
ja,
warum?
13.
Wäre es im Sinne der internationalen Reputation
Österreichs nicht sinnvoller, die
Genehmigung
durch das Bundesdenkmalamt vor Abschluss derartiger Verträge
einzuholen?
14.
Wurde im Rahmen der Kuratoriumssitzungen oder vom
zuständigen
Bildungsministerium hinterfragt, welche Gegenleistungen seitens der Albertina
für
wertvollen Leihgaben, die die Albertina vom Prado erhalten hat (etwa das
Selbstbildnis
von Dürer oder Rubens' Liebesgarten) vereinbart wurden? Wenn nein,
warum
nicht?
15.
Gibt es Richtlinien Ihres Ressorts, in welcher Form der
Leihverkehr von Exponaten
abzuwickeln
ist?
16.
Entstehen durch den Verleih der Graphiken an den Prado
Kosten (Transport,
Versicherung etc.) die für den Vorhabensbericht nach §8, Abs. 1 Bundesmuseen-
Gesetz relevant sind?
17. Welche Kosten
wurden in diesem Zusammenhang im Vorhabensbericht genannt?
18.
Ist der Versicherungsschutz für die ohne
Ausfuhrgenehmigung nach Madrid
verliehenen
Objekte gültig?
19.
Haben Sie Ihre Aufsichtspflicht gemäß §3
Bundesmuseengesetz ausreichend
wahrgenommen?
20.
Teilen Sie die Auffassung, dass die Liste von
Kunstwerken, die auch zu
Ausstellungszwecken nicht ausgeführt werden dürfen, für die Bundesmuseen, die
nun
als wissenschaftliche Anstalten öffentlichen Rechts des Bundes geführt werden,
keine
Gültigkeit mehr hat?
21. Wird die
„Albertina-Schau" in Washington in der geplanten Form stattfinden?
22.
Hat das Bewahren wertvoller Exponate aus Ihrer Sicht
Vorrang vor dem
internationalen
Kultur-Großereignis?