2758/J XXII. GP

Eingelangt am 11.03.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Bettina Stadlbauer

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „skandalöse Aussagen von Staatsanwalt und Richter in einem

Vergewaltigungsprozess in Wien"

Großes Aufsehen erregte ein Vergewaltigungsprozess Anfang Februar dieses Jahres in Wien. Ein so
genannter „Gürtelkönig" war angeklagt, zwei Prostituierte vergewaltigt zu haben. Die Tageszeitung
"Kurier" berichtete am 2.2.05 über den Prozess und die skandalös sexistischen und
menschenverachtenden Aussagen des Staatsanwaltes Hans-Christian Leiningen sowie die
bagatellisierenden Aussagen des zuständigen Richters Thomas Schrammel. So habe Staatsanwalt
Leiningen in seinem Schlusswort für milde Beurteilung des Vergewaltigers folgendermaßen plädiert:
„Prostituierte werden nicht besonders erniedrigt, wenn sie vergewaltigt werden." Der Richter setzte
dem zwar entgegen, dass „Prostituierte auch Menschen und Frauen und kein Freiwild seien, betonte
aber weiters, „ eine Prostituierte steckt die Vergewaltigung wahrscheinlich leichter weg, als das behütete
Bürgertöchterl, und so ist zu erklären, dass die Opfer bei der Einvernahme nicht heulten. "

In einem Interview mit dem Journalisten Florian Klenk von der Wiener Stadtzeitung „Falter" bekräftigte
Staatsanwalt Leiningen seine abschätzigen und diskriminierenden Aussagen nochmals und fügte noch
hinzu: „Ich glaube, dass Prostituierte nicht so sehr unter einer Vergewaltigung leiden, wie Frauen, die
nicht diesen Beruf ausüben. Je mehr die Psyche einer vergewaltigten Frau beeinträchtigt ist, desto
härter sollte die Strafe des Täters sein." Und: „Die zwei haben nicht so gewirkt, ab ob sie an der
Vergewaltigung kiefeln würden.
Sie seien ja „anders als das Beamtentöchterl" an Sex gewöhnt.

Dass die "Argumente" von Staatsanwalt und Richter zu mildernden Umständen für den Vergewaltiger
führten - dessen Verteidiger quittierte dies mit einem „herzlichen Dankeschön" (laut Kurier, 2.2.05) -
muss als frauen- und justizpolitischer Skandal bezeichnet werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz
nachstehende

Anfrage:


1.        Teilen Sie die Meinung von Staatsanwalt Hans-Christian Leiningen im oben dargestellten
Vergewaltigungsprozess?

2.       Sind die von Leiningen getätigten Aussagen allgemeine Linie in der österreichischen Justiz?

3.       Gibt es Konsequenzen für den Ihrer Weisung unterstehenden Staatsanwalt?

4.       Wenn ja, welche?

5.       Wenn nein, warum nicht?

6.       Reicht es Ihrer Meinung nach als Konsequenz aus, wie der Leiter der Staatsanwaltschaft, Friedrich
Matousek, im „Falter gesagt hat, „man habe mit Leiningen ein ernstes Wort gesprochen"?

7.       Sind in Ihrem Ministerium Disziplinarmaßnahmen wegen frauenfeindlichen Aussagen vorgesehen?

8.       Wenn ja, wie lauten die?

9.       Wenn nein, warum nicht?

10.   Welche Maßnahmen gibt es im Bereich der Fortbildung für StaatsanwältInnen?

11.   Haben Sie den Bericht zu oben dargestellten Prozess angefordert?

12.   Wenn ja, welchen Inhalt hat der Bericht?

13.   Wenn nein, warum nicht?

14.   Welche Maßnahmen gibt es im Bereich der Fortbildung für RichterInnen?

15. Teilen Sie die oben beschriebenen Aussagen des Richters Thomas Schrammel, wonach „eine
Prostituierte eine Vergewaltigung wahrscheinlich leichter wegsteckt als das behütete
Bürgertöchterl, und so zu erklären ist, dass die Opfer bei der Einvernahme nicht heulten?"

 


16.   Müssen Vergewaltigungsopfer bei der Einvernahme heulen, damit sie als "richtiges Opfer"
anerkannt werden?

17.   Gibt es für den Richter des Prozesses, Thomas Schrammel, disziplinäre Konsequenzen?

18.   Wenn ja, in welcher Art?

19.   Wenn nein, warum nicht?

20.   Sind seitens Ihres Ministerium Maßnahmen gegen richterliches Fehlverhalten vorgesehen?

21.   Wie viele Prozesse gab es wegen strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit seit dem Jahr 2000?

22.   Wie viele Verurteilungen gab es wegen strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit seit 2000?

23.   Wie viele Prozesse wegen strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit gab es seit dem Jahr 2000
mit dem Hinweis, dass die Opfer Prostituierte waren? (bitte um detaillierte Auflistung)

24.   Was wurde in diesen Prozessen als Milderungsgrund gewertet und mit welcher Begründung
wurden Freisprüche ausgesprochen? (bitte um detaillierte Auflistung)

25.   Wie viele Vergewaltigungsprozesse gab es seit dem Jahr 2000?

26.   Wie viele Verurteilungen wegen Vergewaltigung mit welchem Strafausmaß gab es seit 2000? (bitte
um detaillierte Auflistung)

27.   Wie viele Vergewaltigungsprozess gab es seit dem Jahr 2000 mit dem Hinweis, dass die Opfer
Prostituierte waren? (bitte um detaillierte Auflistung)

28.   Was wurde in diesen Prozessen als Milderungsgrund gewertet und mit welcher Begründung
wurden Freisprüche ausgesprochen? (bitte um detaillierte Auflistung)

29.   Laut OGH-Urteil vom 26.8.1989 ist ein mit einer Prostituierten geschlossener Vertrag über die
geschlechtliche Hingabe sittenwidrig und „ein Schandlohn" ist nicht einklagbar. Im Gegensatz dazu


sind Telefon-Sex-Verträge nicht sittenwidrig und deren Gebühr einklagbar. Welche richterlichen
Urteile liegen hierzu vor?

30.   Denken Sie hier an eine gesetzliche Änderung, sodass auch Prostituierte ihr Honorar einklagen
können?

31.   Wenn ja, wann und wie soll diese Gesetzesänderung lauten?

32. Wenn nein, mit welcher Begründung lehnen Sie eine diesbezügliche Gesetzesänderung ab?

33.   Im Justizausschuss am 15. 2. 2005 haben Sie gesagt, dass eine Untersuchung zu diesem
Prozess läuft. Wann wird es Ergebnisse geben?

34.   Werden die Ergebnisse dieser Untersuchung veröffentlicht?