Eingelangt am 11.03.2005
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ANFRAGE
der Abgeordneten
Öllinger, Freundinnen und Freunde
an die
Bundesministerin für Justiz
betreffend Freiheit
der Kunst und Europäischer Haftbefehl
Der österreichische Karikaturist und
Zeichner Gerhard Haderer ist am 19. Jänner 2005 nach einer Anzeige der
griechisch – orthodoxen Kirche von einem Athener Gericht wegen
Religionsbeleidigung durch sein Buch „Das Leben des Jesus“ zu einer Haftstrafe
von 6 Monaten verurteilt worden.
Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig, da der Künstler dagegen das
Rechtsmittel der Berufung eingelegt hat. Die Berufungsverhandlung wurde für 13.
April 2005 festgesetzt.
Schon beim Erscheinen des Buches in Österreich haben Repräsentanten der
Republik Österreich wie Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und der heutige
Präsident des Nationalrates Andreas Khol eine Vorverurteilung des Buches betrieben.
Bundeskanzler
Schüssel hat gegenüber „profil“
(15/02 vom 8.4.2002) gemeint:
„Für mich hat
Haderer hier klar eine Grenze überschritten. Ich bin überrascht, dass ein so
begabter Zeichner wie Haderer es notwendig hat, solche Schundzeichnungen zu
produzieren.“
Klubobmann Khol
äußerte sich in einem Gastkommentar der Tageszeitung „Die Presse“ so:
„Der Staatsanwalt wird seiner amtswegigen
Pflicht nachkommen. Unabhängige Gerichte werden feststellen, ob der Zeichner
"der feinen Schundheftln" das Strafgesetz verletzt hat. Darauf
vertraue ich.“ (Die Presse, 30.3.2002)
Und noch deutlicher im gleichen Kommentar die Aufforderung an die anderen
christlichen Kirchen:
„Von den anderen 13 christlichen Kirchen,
die gerade mit der katholischen Kirche ein Sozialwort an den Staat vorbereiten,
erhoffe ich gleiche Solidarität, wenn es um den gemeinsamen Stifter geht.“
Die unterfertigten Abgeordneten stellen
daher folgende
ANFRAGE:
- Hat die Staatsanwaltschaft – wie von Herrn Nationalratspräsidenten
Khol geschrieben - ein amtswegiges Verfahren gegen Herrn Gerhard Haderer
eingeleitet?
- Wurden gegen
Gerhard Haderer in Österreich wegen seines Buches „Das Leben des Jesus“
gerichtliche Ermittlungen geführt?
- Wenn ja,
wegen welchem Straftatbestand und mit welchem Ergebnis?
- Entspricht
der Tatbestand, dessentwegen Gerhard Haderer in erster Instanz zu 6
Monaten Haft bzw. einer ersatzweisen Geldstrafe von einer Athener
Ratskammer verurteilt worden ist, der im § 188 StGB sanktionierten
„Herabwürdigung religiöser Lehren“?
- Das Buch „Das
Leben des Jesus“ wurde in einer deutschsprachigen und einer
griechischsprachigen Version veröffentlicht. Liegt hier dieselbe Tat im
Sinne des § 39 Abs. 2 Z 5 vor?
- Nach Art. 50
EU-Grundrechtcharta „darf (niemand) wegen einer Straftat, derentwegen er
bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder
freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder
bestraft werden“. Wenn die Fragen 1 und 2 mit Ja beantwortet werden, wie
beurteilen Sie das Strafverfahren gegen Josef Haderer in Griechenland
hinsichtlich des Grundsatzes ne bis in idem, wonach niemand wegen
einer Straftat zweimal verfolgt werden darf?
- Wie
beurteilen Sie die Verfolgung von Josef Haderer durch griechische Behörden
im Lichte der Judikatur des EuGH, wonach keine Person in einem
Mitgliedsstaat wegen derselben Taten verfolgt werden darf, die bereits in
einem anderen Mitgliedsstaat Gegenstand eines Verfahrens waren, das „endgültig
eingestellt“ worden ist, auch wenn an diesem Verfahren kein Gericht
beteiligt war?
8.
Haben die österreichischen Justizbehörden
die griechische Justiz von den Ergebnissen der österreichischen Ermittlungen in
Kenntnis gesetzt bzw. wurden Sie oder
Ihr Amtsvorgänger dazu aufgefordert?
- Ist es
richtig, dass im Falle der beiderseitigen Strafbarkeit auch die
österreichischen Übergangsbestimmungen zum EU-JZG die Vollstreckung des
Urteils (in Österreich) nicht behindern würden?
- Ist es
richtig, dass selbst im Falle, dass die österreichische Justizbehörden
Ermittlungen bzw. ein Verfahren gegen Gerhard Haderer eingestellt haben,
ein rechtskräftiges Urteil der griechischen Justiz in anderen
Mitgliedsstaaten der EU, die ein gleiches Strafdelikt kennen, vollstreckt
werden könnte, Gerhard Haderer also bei Vorliegen eines europäischen
Haftbefehls zwar nicht in Österreich, aber in anderen Mitgliedsländern im
Gefängnis landen könnte?
- Wie
beurteilen Sie die Rechtslage für Gerhard Haderer unter dem Aspekt des
Artikels 12 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13.6. 2002?
- Wie
beurteilen Sie die - vorläufige - Entscheidung der griechischen Justiz
unter dem Aspekt der Europäischen Menschenrechtskonvention und des
Entwurfs der Europäischen Verfassung, die die Freiheit der Kunst und die
Meinungsfreiheit schützen?
- Ist es
denkbar, dass der Europäische Haftbefehl in Zukunft auch durch Urteile
wegen z.B. homosexueller Partnerschaften und Beziehungen oder wegen eines
legalen Schwangerschaftsabbruchs ausgelöst werden kann?
- Werden Sie
auf EU-Ebene initiativ werden, um die durch das Urteil gegen Gerhard
Haderer sichtbar gewordene Problematik des Europäischen Haftbefehls zu
thematisieren? Wenn ja, welche Schritte planen Sie?