2769/J XXII. GP
Eingelangt am 16.03.2005
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ANFRAGE
der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde
betreffend Freiheit der Kunst, Menschenrechte und Europäischer Haftbefehl
Der österreichische Karikaturist und Zeichner
Gerhard Haderer ist am 19. Jänner 2005 nach einer Anzeige der
griechisch–orthodoxen Kirche von einer Athener Ratskammer wegen
Religionsbeleidigung durch sein
Buch „Das Leben des Jesus“ zu einer Haftstrafe von 6 Monaten verurteilt worden.
Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig, da der Künstler dagegen das
Rechtsmittel der Berufung eingelegt hat. Die Berufungsverhandlung wurde für 13.
April 2005 festgesetzt.
Schon beim Erscheinen des Buches in Österreich haben Repräsentanten der
Republik Österreich, wie Sie, Herr Bundeskanzler, aber auch der heutige
Präsident des Nationalrates, Andreas Khol eine Vorverurteilung des Buches
betrieben.
Sie haben gegenüber „profil“ (15/02 vom 8.4.2002) gemeint:
„Für mich hat Haderer hier klar eine Grenze überschritten. Ich bin überrascht, dass ein so begabter Zeichner wie Haderer es notwendig hat, solche Schundzeichnungen zu produzieren.“
Klubobmann Khol
äußerte sich in einem Gastkommentar der „Presse“ so:
„Der Staatsanwalt wird seiner amtswegigen Pflicht nachkommen. Unabhängige Gerichte werden feststellen, ob der Zeichner "der feinen Schundheftln" das Strafgesetz verletzt hat. Darauf vertraue ich.“ (Die Presse, 30.3.2002)
Und noch deutlicher im gleichen Kommentar die Aufforderung an die anderen
christlichen Kirchen:
„Von den anderen 13 christlichen Kirchen, die gerade mit der katholischen Kirche ein Sozialwort an den Staat vorbereiten, erhoffe ich gleiche Solidarität, wenn es um den gemeinsamen Stifter geht.“
Diese Vorverurteilungen sind insofern bemerkenswert, da sich der einzige,
auch vom griechischen Gericht inkriminierte Punkt auf die Darstellung bezieht,
dass Weihrauch – so wie Cannabis – halluzinogene Stoffe beinhalte.
Diese Darstellung ist - unabhängig davon, ob sie wissenschaftlich haltbar
ist – in der künstlerischen Aufarbeitung nicht ungewöhnlich oder einzigartig.
So hat zum Beispiel der österreichische Dramatiker Wolfgang Bauer in seinem
Stück „Change“ schon 1969 (!!) folgenden Satz geschrieben:
„GUGGI: Der Blasi
hat gsagt, er laßt si scho allein deswegn kirchlich traun, weil’s in der Kirchn
so nach Haschisch riecht.“
Das
Stück, das derzeit wieder aufgeführt wird, ist offensichtlich wegen dieser
Passage weder damals noch heute vom Bundeskanzler und von ÖVP-Politikern
beanstandet worden. Auch ist uns nicht bekannt, dass der Autor, Wolfgang Bauer,
deshalb angezeigt oder vor Gericht gestellt worden wäre.
Auch in der theologischen Debatte wird – anders als in der ÖVP – offen mit
der Drogenthematik bzw. mit der scheinbar halluzinierenden Wirkung von
Weihrauch umgegangen. So schreibt Christian Trappe in der Zeitschrift
„Pastoraltheologie“ Nr. 12/1998:
„Drogen haben - natürlich rituell gebunden - eine gewisse religiöse Tradition , die bis in den Gottesdienst der Kirche hineinreicht“. Und weiter: „Vor diesem breiteren Hintergrund wirkt es nicht mehr ganz so skandalös, festzustellen, dass es eine Verbindung zwischen Weihrauch und Cannabis gibt..... Den Entdeckern dieses Zusammenhangs ging es nicht darum, den Weihrauch beziehungsweise das Olibanumharz als "gefährliche" Droge zu diskreditieren. Das wäre schon insofern nicht sachgemäß, als der Stoff bei der Räucherung nur in einer geringen Dosis aufgenommen wird. Durch den Hinweis auf THC aber werden unscharfe Formulierungen der Meditationsliteratur verständlicher; dort schreibt man dem Weihrauch z.B. eine "tiefentspannende und zentrierende Wirkung" zu.“
Gerhard Haderer wurde allerdings deshalb nach einer Anzeige der
griechisch–orthodoxen Kirche in erster Instanz verurteilt. Sollte das
Berufungsgericht das Urteil bestätigen, wäre dies unserer Ansicht nach nicht
nur eine Verletzung der durch die Europäische Menschenrechtskonvention
garantierten Grundrechte, sondern könnte über den Europäischen Haftbefehl auch tatsächlich
zur Vollstreckung der Strafe führen.
Es ist die Verpflichtung der österreichischen Bundesregierung, die
Interessen österreichischer StaatsbürgerInnen auch im Ausland bzw. in anderen
Mitgliedsstaaten der EU zu vertreten.
Im Falle des Künstlers Gerhard Haderer haben Sie als Bundeskanzler und Kunstminister unseres Wissens bislang nichts unternommen, um Gerhard Haderer vor politischer Willkür und Strafverfolgung zu schützen und die Menschenrechte, darunter die Freiheit der Kunst, im Zusammenhang mit dem Europäischen Haftbefehl auf EU- Ebene neu zu thematisieren.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
3. Planen Sie bzw. die Bundesregierung noch vor der Berufungsverhandlung gegen Gerhard Haderer am 13. April 2005 irgendwelche Schritte zu unternehmen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?