2814/J XXII. GP

Eingelangt am 31.03.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Matznetter und GenossInnen
an den Bundesminister für Finanzen

betreffend ertragsteuerliche Behandlung der Rückstellungen / Gewinne bzw.
Überschüsse bei den Branchenrecyclinggesellschaften im ARA-System

Wie Zeitungsmeldungen (Wirtschaftsblatt vom 8.3.2005) zu entnehmen ist, wurden
im ARA-System „Zufallsgewinne“ von mehr als 100 Mio € angehäuft. Alleine bei der
ARGEV sollen nach diesem Bericht des Wirtschaftsblattes 60 Mio € an überschüssigen
Lizenzgeldern angefallen sein.

Das ist nicht nur erstaunlich, da ja das ARA-System angeblich auf der Basis einer
reinen Kostendeckung angelegt wurde, sondern insbesondere deswegen sehr
ärgerlich, da diese Beträge von den Lizenzpartner, somit von der österreichischen
Wirtschaft in den vergangenen Jahren zuviel bezahlt wurden.

Verstoßen wird mit diesen Gewinnen auch gegen den Grundsatz, der dem
Genehmigungsbescheid des Umweltministeriums zugrunde liegt - dort heißt es:
„Etwaige positive oder negative Bilanzergebnisse finden in der Kalkulation der darauf
folgenden Tarifperiode Berücksichtigung“

Gegen diesen Grundsatz wurde offenbar verstoßen und bei der Kalkulation der
Entsorgungsentgelte des jeweiligen Folgejahrs auf die Anrechnung der Überschüsse
der Vorjahre „vergessen“. Gerüchteweise ist zu hören, dass zwar Großkonzerne
Rabatte bekommen haben, während tausenden KMU's weiterhin überhöhte Entgelte
verrechnet wurden und werden.

Da das System der ÄRA einschließlich der Branchenrecyclinggesellschaften offenbar
nicht mit der Ausrichtung auf Gewinnlosigkeit wirtschaftet, sind die betroffenen
Gesellschaften zweifelsohne mit den angefallenen Gewinnen körperschafts-
steuerpflichtig. Die Bildung von „Rückstellungen“ für den angeblichen Abbau der
Überschüsse aus Vorjahren durch künftige Tarifreduktionen (künftige Einnahmen-
reduktionen) ist steuerlich jedenfalls unbeachtlich, da die „Rückstellungen" jedenfalls
nicht den Kriterien des § 9 EStG 1988 entsprechen, sondern eigentlich Gewinn-
rücklagencharakter haben bzw. tatsächlich Gewinnrücklagen sind. Da eine steuerliche
Wirkung nur Verbindlichkeitsrückstellungen und Rückstellungen für drohende
Verluste zukommt (vgl. RZ 3302 EStRL) und auch keine „vorbelasteten Einnahmen“
iS RZ 3303 EStRL vorliegen, ist für diese Gewinne jedenfalls die Körperschaftsteuer
nachzufordern.

Angeblich hätte der zuständige Sektionschef im BMF in einem Gespräch mit
Vertretern des ARA-Systems, das vor ein paar Tagen stattgefunden haben soll, trotz
der klaren Rechtslage in Aussicht gestellt, dass auf dem Erlasswege eine (teilweise)
Vermeidung der Nachversteuerung erfolgen wird.

Der Ordnung halber wird darauf hingewiesen, dass der Beantwortung nachstehender
Fragen das Steuergeheimnis schon deswegen nicht entgegenstehen kann, weil es um


die generelle Behandlung von Rückstellungen in einer gesamten Branche und nicht
um einen einzelnen Steuerpflichtigen geht.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Finanzen
nachstehende

Anfrage:

1.                         Ist es richtig, dass nur Rückstellungen mit Verbindlichkeitencharakter, Rück-
stellungen für drohende Verluste und allenfalls Rückstellungen für
„vorbelastete Einnahmen“, bei denen bestimmte Einnahmen eines
Wirtschaftsjahres mit bestimmten künftigen Ausgaben zwangsläufig in einer
Weise verbunden sind, dass die Ausgaben wirtschaftlich betrachtet bereits
das Jahr der Einnahmen treffen, mit steuerlicher Wirkung gebildet werden
können?

2.                         Wenn die Antwort auf Frage 1. bejaht wird: Können Rückstellungen bei
Gesellschaften aus den Gewinnen (in Höhe der Differenz zwischen Lizenz-
gebühren und angefallenen Entsorgungskosten) mit steuerlicher Wirkung
gebildet werden, wenn keinerlei rechtliche Verpflichtung für die Rückzahlung
oder Gewährung von Tarifreduktionen besteht.

3.                         Ist es richtig, dass das Bundesministerium für Finanzen in einer
Einzelanfrageerledigung (GZ T 1191/2/1-IV/6/94 in Verbindung mit GZ U
3/1-IV/6/97) bereits zu der Problematik vor längerer Zeit Stellung
genommen hat und dabei die gewinnerhöhende Auflösung der gebildeten
Rückstellungen vorsah?

4.                         Stimmt es, dass bezüglich der bestehenden Rückstellungen vor Kurzem ein
Gespräch zwischen SC Dr. Wolfgang Nolz und Vertretern der Gesellschaften
im ARA-System stattgefunden hat?

5.                         Ist es richtig, dass seitens des BMF in diesem Gespräch oder auf anderem
Weg zugesagt wurde, die steuerlichen  Folgen (Nachversteuerung der
Dotierungen dieser Rückstellungen) zu vermeiden oder zu vermindern?

6.                         Wurde dabei eine erlassmäßige Regelung in Aussicht gestellt?

7.                         Wieso besteht die Finanzbehörde bei Gesellschaften, die ausschließlich
Anspruch auf Kostendeckung haben, nicht auf den Nachweis der
Rückzahlung der Überschüsse an jene Firmen, die als Vertragspartner die
überhöhten Lizenzzahlungen geleistet und in voller Höhe als
Betriebsausgaben geltend gemacht haben?

8.                         Handelt es sich nach Ansicht des BMF bei diesen Linzenzgebühr-Über-
zahlungen aus Sicht der Zahlungspflichtigen (Lizenznehmer des ARA-
Systems, die damit für die Übernahme der Sammelverpflichtung ein Entgelt
zahlen) um Vorauszahlungen, deren die tatsächlichen Kosten im ARA-System
übersteigender Teil zu aktivieren wäre, oder in voller Höhe um
Betriebsausgaben?


9.                         Können Sie ausschließen, dass die MitarbeiterInnen des BMF von Vertretern
der ARA AG, die gemäß den Lizenzverträgen Treuhänderin ihrer Lizenzzahler
ist, oder Vertretern anderer Gesellschaften des ARA-Systems insbesondere
über den wahren Charakter der laufend zu hoch verrechneten
Lizenzzahlungen und der daraus dotierten Rückstellungen bewusst in die Irre
geführt worden sind?

10.                 Können Sie ausschließen, dass die Rückstellungen bei den Gesellschaften
des ARA-Systems bewusst in die Höhe getrieben wurden, damit sie
letztendlich doch versteuert werden müssen und schlussendlich zur
Eigenkapitalbildung von nicht auf Gewinn orientierten Unternehmen
beitragen?

11.                 Wissen Sie, dass die ARA AG an den großen Branchenrecyclinggesellschaften
mit jeweils 11% beteiligt ist und ihr demzufolge 11% des Eigenkapitals
dieser Gesellschaften gehören?

12.                 Ist Ihnen bekannt, dass das Pendant zur ARA AG in der Bundesrepublik
Deutschland, die „Duale System Deutschland AG“ mittlerweile ca. 836 Mio
EUR angehäuft haben soll, und nun Anfang 2005 vom amerikanischen
Finanzinvestor KKR Kohlberg Kravis Roberts übernommen worden ist und
damit jedenfalls ein Teil dieser Gelder der Wirtschaft, die über Jahre zu viel
für die Entsorgung bezahlt hat, endgültig entzogen worden sind?

13.                 Nachdem offenbar in der Vergangenheit Rückstellungen bei den
betreffenden Gesellschaften des ARA-Systems mit steuerlicher Wirkung
(keine KöSt-Zahlung) gebildet wurden, für die nach Beantwortung der
Fragen 1 und 2 keine steuerliche Wirkung zukommen kann: Welche Schritte
werden Sie als zuständiger Bundesminister unternehmen, dass nicht nur die
bisher noch nicht entrichtete Körperschaftsteuer einbringlich gemacht wird,
und zwar bei den zur KöSt- oder Einkommensteuerzahlung eigentlich
verpflichteten Lizenzzahlern, sondern auch die entsprechende
finanzstrafrechtliche Würdigung (Anzeige bei den zur Verfolgung
zuständigen Behörden) erfolgt?