2822/J XXII. GP
Eingelangt am 01.04.2005
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft & Kultur
betreffend Entzug der Arbeitsgenehmigung und darauf folgende Nichtverlängerung eines Biologie-Lehrers an der österreichischen Schule in Istanbul
Während der Sommerferien 2004 entzogen die türkischen Behörden dem Biologielehrer Dr. Pils, der zu dieser Zeit am St. Georgs-Kolleg in Istanbul tätig war, mit sofortiger Wirkung die Arbeitsgenehmigung. Als Grund wurde der praktisch auf jeden Ausländer anwendbare Art. 14, Absatz 5 des Gesetzes über die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen herangezogen. Dieser Artikel besagt, dass ein Ersuchen um Arbeitsgenehmigung u.a. abgelehnt wird, wenn ...
e) die Tätigkeit des Ausländers angesichts
nationaler Sicherheit, öffentlichem Recht und Ordnung, öffentlichem Wohl,
allgemeiner Sitte und Gesundheit eine Bedrohung darstellt.
Der eigentliche Grund dürfte wohl in der inzwischen amtsbekannten
„Kurdistan-Affäre“ liegen. Eine ausführlichere Sachverhaltsdarstellung des
betroffenen Lehrers liegt mir und den Bildungssprechern aller im Hohen Haus
vertretenen Parteien sowie den betroffenen Ministerien vor. Die wichtigsten
Punkte daraus sind folgende:
Bei der Besprechung des Immunsystems in der Lise 2E-Klasse verwendete Dr.
Pils am 10.3.2004 folgende Formulierung: "Das Immunsystem meines
kleinen Sohnes sollte jedenfalls gegen Allergien wenig anfällig sein, weil er
sogar schon bis Kurdistan gekommen ist, und dort alle Sachen ganz normal gegessen
hat, also auch Köfte." (Dr. Pils arbeitet an einem „Naturführer
Türkei“ und reiste daher wiederholt auch in die Osttürkei.). Dabei kam es zu
sehr emotionellen Protesten einiger Schüler, wobei zwei von ihnen u.a. auch
schrieen „Wir töten alle, die ein Kurdistan wollen ...“. Der Lehrer korrigierte
sich daher auf „Osttürkei“ und erklärte, in Hinkunft die erste Bezeichnung
nicht mehr zu verwenden. Auf Grund anderer Disziplinlosigkeiten kam es am
Folgetag dann zu einer weiteren Konfrontation mit den gleichen Schülern, in
deren Rahmen der Lehrer nochmals darauf verwies, dass auch schreiend
vorgebrachte Äußerungen wie „Wir töten alle ...“ in der Schule unangebracht
sind.
Auf
Grund von Beschwerden dieser extrem nationalistischen Schüler wurde in der
Folge vom Direktor der Anstalt die Suspendierung des Lehrers vom gesamten
Unterricht verkündet. Erst nachher erhielt Dr. Pils Gelegenheit, dem Direktor
das in der Klasse Vorgefallene darzulegen. Dabei erfuhr er, dass ein weiterer –
in der Folge allerdings nicht weiterverfolgter - Vorwurf gegen ihn vorliege,
nämlich dass sein Unterricht „österreichisch-nationalistisch“ sei, z.B. weil in
seinem Skriptum österreichische Nobelpreisträger, nicht aber türkische Forscher
erwähnt seien. [Anm: Es gibt keinen türkischen Nobelpreisträger in den
Naturwissenschaften].
In seiner Stellungnahme an das Unterrichtsministerium vermerkte Dr. Pils
u.a.:
• Ich
hatte nicht einmal Gelegenheit zu einer Stellungnahme vor meiner Suspendierung.
• Die
Schüler, die immerhin „Wir töten alle ...“ geschrieen hatten, wurden
disziplinär nicht in geringster Weise belangt. Das Problem wurde sofort und
ausschließlich beim Lehrer geortet.
• Es
wurde schulintern niemals der Versuch gemacht, durch gezielte Befragungen
einzelner Schüler außerhalb des Klassenverbandes den Verlauf meines
Wortwechsels mit den Schülern
so rasch und so objektiv wie möglich zu dokumentieren. Die ersten
Schülerbefragungen erfolgten durch die erste türkische Inspektion fast 2 Monate
(!) später. Ursache für die von der Direktion gewählte Vorgangsweise war
offensichtlich die in der Türkei herrschende Unsicherheit bei der Auslegung der
Gesetze und Verordnungen. Das führt dazu, dass im Konfliktfall aus Furcht vor
negativen Folgen für die Schule oft von vornherein den Schülern nachgegeben
wird.’
Die von der Direktion mündlich ausgesprochene Totalsuspendierung dauerte
nur ein Wochenende. Beendet wurde sie durch das unaufgeforderte Erscheinen des
Lehrer zu Wochenbeginn, der in der Folge in allen nicht betroffenen Klassen
problemlos bis zum Ende des Schuljahres weiter unterrichtete. Allerdings kam es
in der Folge zu einer Anzeige des Vorfalls bei den türkischen Schulbehörden.
Eingebracht wurde sie durch den Vater eines der Schüler, der „wir töten
alle....“ geschrieen hatte. Dieser Schüler war übrigens von Dr. Pils im Vorjahr
negativ abgeschlossen worden und musste daher (auch wegen einer Reihe anderer
negativer Noten) die Klasse wiederholen.
Der Fall wurde von 2 türkischen Kommissionen jeweils eine Woche lang
eingehend untersucht. Thema der Befragungen des Lehrers war dabei nur die
Verwendung des Wortes „Kurdistan“. Der Lehrer entschuldigte sich nochmals für
die völlig unpolitisch gemeinte Verwendung dieses Wortes und legte der zweiten
Kommission (aus Ankara) Kopien der gängigsten internationalen Enzyklopädien
über das Thema „Kurdistan“ vor (Encarta-Professional 2004, Britannica,
Wikipädia). Darinnen finden sich jeweils ziemlich lange Artikel über
„Kurdistan“ als geographische Bezeichnung für das Gebiet, in dem die Kurden
wohnen. Ebenso im Band 1 der
„Flora of Turkey“. Einen Bericht über das Ergebnis der Untersuchungen der
beiden Kommissionen bekam der betroffene Lehrer nie zu Gesicht.
In der Folge wurde Dr. Pils von der Direktion von St. Georg noch in
schriftlicher Form darauf hingewiesen, dass „wissenschaftliche Forschungen“,
worunter nach der Interpretation der Türkischen Behörde offenbar auch seine
botanischen Studienreisen fielen, ohne eigene Genehmigung strafbar sind.
Zu Beginn des laufenden Schuljahres hatte es durchaus den Anschein, dass
die Arbeitsgenehmigung auf Grund von Interventionen des Außenministeriums
wieder ausgestellt werden würde. Dennoch verlängerte die Direktion den Vertrag
von Dr. Pils mit der Begründung eines „mangelndes Vertrauens“ nicht mehr. Der
Vertrag mit seiner Frau wurde von der Direktion gegen ihren Willen ebenfalls
nicht weiterverlängert. Alle Bitten, dabei doch auch die familiäre Situation
seiner Familie zu bedenken, fruchteten dabei nichts. Umgekehrt wurde beiden
Lehrkräften ausdrücklich attestiert, ausgezeichnete Lehrer zu sein!
Dr. Pils und seine Frau haben sich erst am St. Georgs Kolleg kennen
gelernt. Daher liegen ihre österreichischen Dienststellen weit auseinander
(Linz – Feldkirchen in Kärnten). Da außerdem beide noch mit weiteren 3 Jahren
Anstellung in Istanbul fix rechnen konnten, ergeben sich aus der Verweigerung
der Arbeitsgenehmigung und Weiterbeschäftigung erhebliche familiäre
Schwierigkeiten. Beispielsweise hat Dr. Pils seine Linzer Wohnung noch für 2
weitere Jahre an eine türkische Familie vermietet!
Es liegt auf der Hand, dass durch den Entzug der Arbeitsgenehmigung, der ja
einer de facto Ausweisung gleichkommt, ein Einschüchterungseffekt auf
ausländische Arbeitskräfte in der Türkei im Allgemeinen und die österreichische
Schule im Besonderen erzielt werden soll. Eine derartige Vorgangsweise
wirkt angesichts der Tatsache, dass mit dem Geld österreichischer
SteuerzahlerInnen die Ausbildungsmöglichkeiten türkischer SchülerInnen auf
fachlich ausgezeichnetem Niveau finanziert werden, äußerst befremdlich. Vor
allem deshalb, weil der Lehrer mit dem Gebrauch des [international
unbestrittenen] geographischen Terminus „Kurdistan“ eindeutig keinerlei
politische Aussage tätigen wollte und sich entschuldigte.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Welche Schritte
unternahm Ihr Ministerium in dieser Angelegenheit bisher?
2. Wurde
auf der Offenlegung der Entscheidungsgrundlagen für den Entzug der
Arbeitsgenehmigung gedrungen? Wenn nicht, warum nicht?
3. Wurden
die Vorgänge in bilateralen Gesprächen zwischen Österreich und der Türkei
behandelt? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wie lauteten die Argumente auf Seiten
der türkischen Stellen?
4. Warum
hat das Unterrichtsministerium auch der Nichtverlängerung von Frau Mag.
Pils-Feichter zugestimmt. Sie hatte mit der Kurdistan-Affäre nicht das
Geringste zu tun?
5. Wird
das Unterrichtsministerium versuchen, die erheblichen familiären und
finanziellen Probleme abzufedern, die sich aus der strafweise oder aus Entgegenkommen
an die türkische Seite erfolgten Nichtverlängerung von Dr. Pils und seiner Frau
ergeben. Wie soll das geschehen?
6. Welche Kosten entstehen der Republik Österreich durch das St. Georgs-Kolleg?
7. Wie bilanziert das St. Georgs Kolleg? Wird ein positiver Ertrag erwirtschaftet?
8. Warum sind neben dem Direktor und dem türkischen Subdirektor noch 2 österreichische Vizedirektoren sowie ein Administrator tätig? Wer trägt die Kosten für diese Zusatzanstellungen?